Rezensions-Blog 14: Das Geheimnis von Shangri-La (3/E)

Posted Juli 1st, 2015 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

bei dem Namen Shangri-La befindet man sich irgendwie, wenn man auch nur einen Hauch Ahnung von historischer Relevanz dieses Begriffes hat, unweiger­lich im tiefen Asien, denkt an Menschen wie Heinrich Harrer oder auch an den Himalaya, an buddhistische Mönche und dergleichen… ja, und seit dem dritten „Mumien“-Film vermutlich unweigerlich auch an Yetis und schießwütige Schatz­sucher. Es mag ohne weiteres sein, dass dieser Film die Entstehung des vorlie­genden Buches beeinflusst hat. Clive Cusslers Erfolgsrezept – rätselhafte Ge­heimnisse der Vergangenheit mit Abenteuerhandlung zu verknüpfen – gerät ja unweigerlich früher oder später an die Grenzen… einfach deshalb, weil ihm die Mysterien der Vergangenheit ausgehen.

Nun haben wir also Shangri-La vor uns, ein legendäres Märchenreich in Asien, seit Jahrhunderten ähnlich verwunschen und verschollen wie das mythische At­lantis. Und wir haben Sam und Remi Fargo, die sympathischen Schatzjäger, die in ein neues Abenteuer hineinschlittern. Und das kommt folgendermaßen:

Das Geheimnis von Shangri-La1

(OT: The Kingdom)

von Clive Cussler & Grant Blackwood

Blanvalet 38069

480 Seiten, TB

München, November 2012

Aus dem Englischen von Michael Kubiak

ISBN 978-3-442-38069-5

Vor uns liegt das dritte Abenteuer des Schatzsucher-Ehepaars Sam und Remi Fargo. Nach „Das Gold von Sparta“ und „Das Erbe der Azteken“ ist damit die Tri­logie um die Schatzsucher, zu der Grant Blackwood wohl vertraglich verpflichtet worden ist, abgeschlossen. Glücklicherweise ist inzwischen klar, dass die Leser auch künftig nicht auf die Fargos werden verzichten müssen. Mit Thomas Perry wird ein neuer Autor die Fargo-Abenteuer wieder aufnehmen.2 Inwiefern sich sein Stil dann von dem Grant Blackwoods unterscheidet, wird zu ermitteln sein.

Doch kümmern wir uns heute um den vorliegenden Roman.

Irgendwo vor Jahrhunderten, so der Prolog „Ein vergessenes Land“, ist ein fer­nes Reich von einer Invasion bedroht. Dhakal ist dabei einer von hundertvierzig Wächtern, die einen Schatz in Sicherheit bringen sollen. Er befindet sich – viel­leicht – in einem hölzernen Kasten, den er auf seinem Reittier mit sich trägt. Aber jeder der Wächter trägt einen solchen Kasten bei sich, und ein jeder davon ist ein Meisterwerk der Holzkunst, eine Art früher Safe, der selbst dann, wenn er in die Hände seiner Feinde fiele, sie Tage oder gar Wochen aufhalten würde, ehe sie ihn zu öffnen verstünden (da es darin auch eine Möglichkeit gibt, bei unsachgemäßer Öffnung den Inhalt unwiderruflich zu zerstören).

Dhakal kann seinen Verfolgern zwar auf dramatische Weise entkommen, aber seine Spur verliert sich im Nebel der Zeiten.

Im Jahre 1677 machen wir im zweiten Prolog die Bekanntschaft mit zwei verwe­genen italienischen Luftschiffern, die es ins Grenzland von China verschlagen hat, wo sie unter der Fuchtel des Herrschers der Quing-Dynastie stehen. In sei­nem Auftrag soll Francesco Lana de Terzi aus Brescia seinen Traum von einem Vakuum-Luftschiff verwirklichen, das der chinesische Kaiser als Kriegsmaschine einzusetzen gedenkt. Aber beim Jungfernflug verschwindet das Luftschiff eben­falls spurlos und wird nie wieder gesehen.

Damit hat der Leser schon zwei Rätsel zu Beginn, die scheinbar keinerlei Verbin­dung miteinander besitzen, was natürlich ein Irrtum ist. Ein drittes Rätsel kommt gleich hinzu.

In der Gegenwart setzt dann die eigentliche Handlung ein und sorgt gleich für eine profunde Überraschung – denn im vergangenen Roman „Das Erbe der Az­teken“, der ja ein wenig schwach endete, wurde bekanntlich die Fährte zum Ur­sprung des Aztekenreiches im indonesischen Archipel entdeckt. Und genau hier beginnt die Geschichte. Die Fargos sind nämlich auch nach Monaten noch vor Ort und helfen Forschern dabei, diese Kultur genauer zu untersuchen. Das spricht dafür, dass Blackwood das Defizit am Ende des zweiten Romans deutlich gemerkt haben dürfte und hier ein wenig Kompensation betreibt. Gut so.

Leider bekommen sie hier Besuch von einer herben Chinesin namens Zhilan Hsu, die sie darum bittet, dass sie unverzüglich ihren Chef, Charles King, aufsu­chen. Da sich die Fargos aber nicht so einfach in der Gegend herumkommandie­ren lassen, gehen sie darauf zwar ein, allerdings mit ein paar Stunden Zeitdiffe­renz. Zu denken gibt ihnen, dass die Asiatin – bald von ihnen „Drachenlady“ ge­nannt – den Namen Frank Alton fallen gelassen hat.

Frank Alton ist ein alter Freund der Fargos, ein einstiger Polizeioffizier, der in­zwischen als Privatdetektiv arbeitet, und bei dessen Familie in den Staaten ist nichts davon bekannt, dass Alton irgendwelche Probleme haben könnte. Er hat dennoch welche – er hat sich nämlich von dem Milliardär Charles King engagie­ren lassen, um in Nepal der Spur seines Vaters Lewis King zu folgen. Das bekom­men die Fargos heraus, als sie die „Audienz“ bei dem Milliardär haben.

Zu dumm, dass sie sehr bald misstrauisch werden. Lewis King ist seit den 70er Jahren verschollen, und es hört sich sehr seltsam an, dass sein Sohn sich erst 40 Jahre später die Mühe macht, ihn zu suchen. Noch eigenartiger ist es dann, dass Lewis Kings Haus in den Staaten, das seit 40 Jahren leer steht, penibel sau­ber und sogar noch digital überwacht ist, als die Fargos ihm einen Besuch ab­statten. Außerdem mutmaßen sie inzwischen, dass Zhilan Hsu Kings Geliebte ist, was scheinbar nichts zur Sache tut (aber auch das erweist sich als Irrtum).

Irgendetwas ist hier sehr faul, und Frank Alton, der spurlos verschwunden ist, scheint in höchster Lebensgefahr zu schweben. Und es muss rasch etwas unter­nommen werden – nur was?

Während das bewährte Team der Fargo-Helfer um Selma Wondrash damit be­ginnt, die Hintergründe des geheimnisvollen King-Clans aufzuhellen, folgen die Fargos selbst einem Hinweis, den ihnen ein Pergamentstück mit einer offen­sichtlich in altertümlichem Nepali abgefassten Text gegeben hat. Bei einem Be­such in Nepal machen sie dann auch die Bekanntschaft mit Russell und Marjo­rie King, den Zwillingskindern des Milliardärs, die dort dunklen Geschäften nachgehen und die Schatzsucher kontrollieren sollen.

Die Fargos lassen sich aber nicht kontrollieren – und ehe sie sich versehen, ste­cken sie genau aus diesem Grund im schönsten Schlamassel. An abenteuerli­chen Situationen gibt es dann wirklich keinen Mangel: ob es sich um das Erfor­schen eines lebensgefährlichen Höhlenlabyrinths handelt, ob sie beinahe in ei­ner Schlucht ertränkt werden oder auf einer schwer bewachten Insel zu landen haben, um einen steinernen Sarkophag in einem Totenlager aufzubrechen… Langeweile kommt in diesem Roman wirklich keine auf.

Bis sie aber verstehen, was sie wirklich suchen und was tatsächlich vor sich geht, dauert es schon eine ganze Weile. Doch das Glück ist mit den Tüchtigen, und so gelingt es den Fargos schließlich, all die verwirrenden Puzzleteile zu ver­binden – so wirre Dinge wie hölzerne Würfelkisten, goldene Diskusscheiben, italienische Luftschiffe, eine Nazi-Expedition in den Himalaja anno 1938 und schließlich… Shangri-La, ja. Denn um diesen legendären Ort geht es letzten En­des. Und um den Schatz, der dort verborgen ist, den Theurang.

Was der Theurang letztlich ist? Wo Shangri-La liegt? Und warum mit der Entde­ckung des Ortes beinahe die letzte Stunde der Fargos geschlagen hat? Nun, das sollte man besser selbst nachlesen, es lohnt sich…

Mit dem dritten Fargo-Abenteuer wird, ich deutete es oben schon an, die Zu­sammenarbeit zwischen Clive Cussler und Grant Blackwood beendet, was ich sehr schade finde. Es ist zwar, wenn man die Romane gelesen hat, durchaus nachvollziehbar, aber dennoch bedauerlich. Sie sind einfach nicht von der Ra­sanz der übrigen Cussler-Romane und Roman-Coautoren. Dafür sind sie aber einfach erfrischend anders, und die zum Teil ziemlich kniffligen Rätsel darin ma­chen wirklich Spaß.

Nachteilig ist dann besonders in diesem Roman, dass die Handlungslinie noch weiter zusammengeschnurrt wird. Im letzten Band fiel das schon nachteilig auf, hier ist es noch übler. Charles King kommt als Person eigentlich nur sehr sche­matisch herüber, auch nur sehr bedingt raffiniert, weite Strecken des Romans tritt er quasi gar nicht in Erscheinung, was dann die Spannung ziemlich herun­terschraubt. Die Fargos werden zwar wie üblich gut geschildert, aber Blackwood war wohl von Anfang an klar, dass dies sein letzter Roman der Serie werden würde, und das merkt man ihm dann leider an.

Das Titelbild ist wieder gezielte Irreführung, insbesondere der Handlungsstrang der Nazi-Expedition von 1938 wird quasi gar nicht verfolgt, und ein paar schöne Ansätze zum Verkomplizieren der Handlung werden strikt ignoriert (dass auch der Klappentext deutlich an der Realität vorbeigeht, merkt jeder, der den Ro­man gelesen hat, also lieber dort gar nicht so genau hinschauen). Da geht eine Menge Potenzial verloren. Am Ende fühlte ich mich fast ein wenig an „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ erinnert – wer den Film gesehen hat (wie Blackwood wahrscheinlich auch) und das Ende des Buches erreicht, wird das vermutlich verstehen können.

Gleichwohl bleibe ich dabei – es ist solide Unterhaltung, gewürzt mit dem Cha­rakteristikum der Fargo-Romane, eben den raffiniert verschlüsselten Geheim­nissen der Vergangenheit, die einen guten Schatzsucherroman nun mal ausma­chen. Und mal ehrlich – wer, der einen Schatz im Himalaja sucht, käme wohl auf den Gedanken, die Schlüssel dafür auf dem Balkan zu suchen? Aber genau so kommt es. Es bleibt nur schade, dass der Roman nicht 150 Seiten länger gewe­sen ist. Daraus hätte sich noch soviel mehr machen lassen…

© by Uwe Lammers, 2013

Nun, alles in allem hat diese Trilogie, deren Romane man durchaus unabhängig voneinander lesen kann – gemeinsam und in der richtigen Reihenfolge macht es aber mehr Spaß – einiges an Lesevergnügen zu bieten. Und wer sich bislang vielleicht durch die rabaukenhafte Brutalität besonders der frühen NUMA-Ro­mane Cusslers von diesen Werken abschrecken ließ, tut eventuell gut daran, nun doch mal einen Blick hinein zu werfen.

Außerdem gehen die Abenteuer der Fargos ja weiter. Zwei weitere Romane sind in Zusammenarbeit mit Thomas Perry bereits erschienen, der erste auch schon gelesen und von mir rezensiert… in ein paar Monaten könnt ihr das an dieser Stelle nachlesen, versprochen.

In der kommenden Woche an dieser Stelle kommen wir zu einem anderen mei­ner Lieblingsautoren der jüngsten Zeit, nämlich zu dem Briten Peter F. Hamil­ton. Er hat nicht nur eine ganze Menge Science Fiction-Geschichten geschrie­ben, sondern auch eine Menge wirklich guten Stoff. Lasst euch mal überra­schen, wo ich anfange (jedenfalls definitiv an einer anderen Stelle, als ihr jetzt sicherlich denkt)… Und wenn ihr zwischendrin Langeweile habt, schaut doch einfach am Sonntag in meinen regulären Wochen-Blog hinein, der freilich auf meinen Oki Stanwer Mythos (OSM) zentriert ist.

Ich freue mich darüber.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Auf dem Titelbild falsch „Shangri La“ geschrieben. Im Roman selbst ist es dann richtig.

2 Der erste Roman dieser vermutlich ebenfalls mindestens dreiteiligen Serie ist „Das fünfte Grab des Königs“, der im Dezember 2013 erscheint.

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