Rezensions-Blog 170: Der Dolch mit den drei Klingen

Posted Juni 27th, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

Werke von Robert E. Howard lese ich immer wieder gern und neige auch dazu, sie durchweg zu rezensieren. Da, wie allgemein bekannt sein dürfte, allerdings keine neuen Howard-Werke mehr auftauchen werden und der Verfasser bereits seit so vielen Jahrzehnten unter der Erde liegt, teile ich mir seine Bücher, die verblieben sind, immer brav auf, um mich nicht vorschnell des Lesevergnügens zu berauben.

Ja, ich sage Lesevergnügen – denn bei allen kritischen Anmerkungen, die stets angebracht sind, sollte doch gerade ein Historiker wie ich, der genau weiß, wie sehr die Zeitumstände die Schilderungen eines Autors einfärben, zumal eines so leidenschaftlichen, wie Howard es nun einmal war, bei allen gebotenen Ein­schränkungen in der Wertung halte ich seine Prosa immer noch für mitreißend, lebendig und faszinierend genug, um auch heutige Leser zu fesseln. Ein wenig irritierend an dem vorliegenden Roman mag das Label „Fantasy“ wirken, denn es handelt sich nicht wirklich um Fantasy, mehr um einen klassischen Abenteu­erroman im Stil von „Indiana Jones“ oder „Doc Savage“.

Doch die Grenzen zwischen Abenteuerromanen und Fantasy waren in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, als auch das vorliegende Abenteuer ent­stand, sehr fluide. Wer mag, wird hier sicherlich die eine oder andere „magi­sche“ Ingredienz finden, die die Veröffentlichung des Buches in der Terra Fanta­sy-Reihe legitimiert.

Sei’s drum – empfehlenswert ist er allemal. Und wer neugierig geworden ist, der lese weiter:

Der Dolch mit den drei Klingen

(OT: Three-Bladed Doom)

Von Robert E. Howard

Terra Fantasy 75

Rastatt, Juli 1980

Aus dem Amerikanischen von Rudolf Mühlstrasser

162 Seiten, TB

(keine ISBN)

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, oder vielleicht auch kurz davor, ist Afgha­nistan Schauplatz internationaler Intrigen. Bereits während des ganzen 19. Jahr­hunderts war dieses Land, das heutzutage auf traurige Weise immer noch die internationalen Schlagzeilen beherrscht und leider als Ort finsterster Rückstän­digkeit und anarchischer Unregierbarkeit dargestellt wird, Spielball der Groß­machtpolitik. Auf der einen Seite, im Süden des Khyber-Passes, lag Indien, re­giert von der britischen Weltmacht, die immer wieder versuchte, die Kontrolle über den Pass und die Region nördlich davon zu erringen. Nördlich und östlich von Afghanistan hingegen breitete sich das vielgestaltige Zarenreich aus, das so­wohl nach Fernost schielte als auch auf den Balkan und in die Schwarzmeerregi­on… und nach Afghanistan.

Und für Schriftsteller am Anfang des 20. Jahrhunderts besaß dieses Land einen archaischen, mythischen Nimbus. Hort einer uralten, ruhmreichen Vergangen­heit, Teil der legendären Seidenstraße, eine Weltgegend, durch die bereits Alex­ander der Große und die Herrscher des antiken Perserreiches gezogen waren… eine wilde, von rigiden Stammesriten und Ehrenkodizes regulierte Region, die eine ähnliche Magie ausstrahlte wie das Herz des schwarzen Afrika. Wen kann es verwundern, wenn es Autoren gab, die dort Geschichten turbulenter Aben­teuer ansiedelten?

Einer dieser Schriftsteller war Robert Erwin Howard, der auch schon Helden wie Conan oder Bran Mak Morn geschaffen hatte, um nur zwei von ihnen zu nen­nen. Er nahm sich in dem vorliegenden Roman des wilden, wirren Afghanistan an, und er löste sich ein Stück weit von den machtpolitischen Intrigen und schuf mit Francis Xavier Gordon, genannt El Borak, der Schnelle, eine Abenteurerper­son, die er sicherlich zu einem guten Teil mit seinen eigenen Wünschen belebte.

Gordon, ein Amerikaner, der auf etwas undurchsichtige Weise Teil der Region geworden ist, ein gnadenloser Kämpfer, ist eine zwiespältige, schattenhafte Per­son. Ist er ein Agent der Briten im Süden? Niemand kann es mit Bestimmtheit sagen. Handelt es sich bei ihm einfach nur um einen Abenteurer, der sich vom Schicksal treiben lässt und dessen Loyalität dem gebührt, der ihn zu überzeugen vermag? Auch das ist unklar.

Er ist jedenfalls ein guter Freund sowohl des Emirs von Kabul als auch des Stam­mesfürsten Baber Khan, der in Kabul als Aufrührer gilt. Als Gordon den Ent­schluss fasst, dass die beiden Freunde, stolz bis ins Mark, doch in Kabul zusam­mentreffen sollen, macht er sich auf den Weg in Baber Khans Domizil nach Khor… und ihm ist eher nicht klar, dass er sich damit in eine tödliche Falle be­gibt.

Denn in Afghanistan, in einer wilden Grenzregion zu Indien, die man Ghulistan nennt und die von den abergläubischen Stammesangehörigen gemieden wird, hat sich ein blutrünstiger, gnadenloser Clan von Assassinen neu gebildet. Auf den Emir in Kabul wird ein Mordanschlag verübt, im Zeichen des Dolches mit den drei Klingen. Und auf Baber Khans Land entdeckt Gordon einen Toten, der dasselbe Zeichen trägt. Überzeugt davon, dass diese Dinge zusammenhängen und Schlimmes bedeuten, bricht er mit seinen drei Gefährten, dem Sikh Lal Singh, dem Afridi Yar Ali Khan und dem Afghanen Achmed Schah nach Ghulistan auf.

Hier scheint es in der Tat, wie die Einheimischen fürchten, blutgierige Geister zu geben, und es gibt bald darauf schon reichlich Tote… doch die Fährte, die Gor­don anschließend verfolgt, führt zu einer geheimnisvollen, wunderschönen Stadt, die man Schalizahr nennt, eine Stadt, in der Gärten voller verführerischer Frauen existieren und ein mordlüsternes Ungeheuer – und wo Pläne geschmie­det werden, die dazu dienen sollen, die ganze Welt ins Chaos und in die Unter­drückung zu führen. Und gegen die Heerschar seiner Feinde kämpft offenbar selbst ein El Borak vergebens…

Es ist eigentlich, wenn man den Roman gelesen hat, ein ausgesprochenes Wun­der, dass dieser 1934 geschriebene Roman trotz Howards mehrmaliger Anstren­gung, ihn zu veröffentlichen, keine Chance fand, vor den jeweiligen Redakteu­ren zu bestehen. Wenn man überlegt, dass etwa zur gleichen Zeit die relativ überdrehte und eher auf Klamauk ausgelegte „Doc Savage“-Serie in den ameri­kanischen Pulp-Magazinen veröffentlicht wurde, quasi Seite an Seite mit Ho­ward Phillips Lovecraft und ähnlichen Autoren, dann kann man als heutiger Le­ser nur den Kopf schütteln.

Howards Prosa mag derbe sein und blutrünstig dazu (gekämpft und gestorben wird in diesem Roman weiß Gott viel), doch zugleich strahlt sie auch diese grim­mige, vitale Energie aus, diesen direkten Charme des Abenteurertums, der den Leser schlichtweg mitreißt. Es ist daran zu zweifeln, dass das allein Ausdruck des Übersetzers ist, das Ausgangsmaterial dürfte stilistisch ebenfalls schon sehr ge­diegen sein. Dieses Werk lässt sich jedenfalls mühelos binnen weniger Tage le­sen, wenn man sich viel Zeit damit lässt (es ginge auch an einem Nachmittag, wenn man mehr Zeit hat). Und man hat, bei allen quasi-rassistischen Vorurtei­len, die durch diese Geschichte hindurchschimmern und die Teil der damaligen Weltanschauung waren, doch eine klare Vorstellung von den Personen, man kann ihre Motive und ihren sturen Willen begreifen, der sie so handeln lässt, wie sie handeln.

Ich halte das Werk, das erst 1977 posthum publiziert worden ist und bereits drei Jahre später den Weg in die Terra Fantasy-Reihe fand, für ein sehr solides Stück Abenteurerschriftstellertum. Und egal, wie alt es inzwischen sein mag (rund 80 Jahre), es lohnt die Lektüre noch immer. Wenn ihr das Buch antiqua­risch finden könnt und ohnehin ein Faible für Howard habt (Fantasy ist das hier eher nicht), dann solltet ihr euch diesen Leckerbissen nicht entgehen lassen.

© 2014 by Uwe Lammers

Der Mund ist wässrig gemacht? Gut so. Dann macht euch mal auf die Suche, Freunde. Online-Antiquariate machen es heutzutage leicht, auch dieses Buch zu finden und zu akzeptablen Preisen zu erwerben.

In der nächsten Woche stürzen wir uns erneut in ein Abenteuer von Clive Cuss­ler. Doch in welches nur? Und um welches Geheimnis der Vergangenheit mag es wohl diesmal gehen…? Da hilft nur eins: in einer Woche wieder vorbeischau­en und lesen!

Bis dann, Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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