Rezensions-Blog 43: Indiana Jones und die Macht aus dem Dunkel

Posted Januar 19th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

zugegeben und vorgewarnt – diesmal gibt es eine wenig schmeichelhafte Re­zension für Leute, die Hardcore-Indy-Fans sind und sich einen Teufel um Stil, Qualität und inhaltliche Kohärenz kümmern. Ich konnte leider dennoch nicht anders, als damals eine Rezension zu diesem Werk zu schreiben, das ich an­schließend aus meinen Bücherregalen entfernt habe.

Gleichwohl sollte ich vorweg sagen, dass ich Indiana Jones wirklich schätze. Aber ich schätze eben auch klare Worte, und wenn ich einen Roman als gründ­lich misslungen einschätze, dann mache ich daraus auch kein Geheimnis. Leute, die die Indiana Jones-Abenteuer weniger als Abenteuerromane bzw. Abenteu­erfilme betrachten, sondern als Fantasy, die könnten tatsächlich an dem folgen­den Werk einen gewissen Reiz finden. Mir ging er dann leider ab.

Aber schaut lieber selbst, warum ich diese Auffassung vertrete. Vorhang auf für den folgenden Roman:

Indiana Jones und die Macht aus dem Dunkel

(OT: Indiana Jones and the Interior World)

Von Rob MacGregor

Goldmann 43162

München 1996

256 Seiten, TB

ISBN 3-442-43162-x

Aus dem Amerikanischen von Bettina Zeller

Um gleich eins vorwegzunehmen: dies ist wenigstens der zweite Teil einer Ge­schichte, und ich hatte das Pech, den ersten Teil nicht zu kennen. Er findet sich in dem Roman „Indiana Jones und das Vermächtnis des Einhorns“.1 Am Anfang fällt das noch nicht auf, aber es wird relativ schnell deutlich, dass man ohne die Kenntnis des Vorgängerromans den Hauptplot dieser Story nur bedingt verstehen kann. Ich versuche dennoch, das Werk zu resümieren:

Im Prolog „Portale zum Paradies“ begegnen wir am 21. September 1928 einer Gruppe seltsamer Gestalten, angeführt von einem gewissen Maleiwa, der dis­kret verfolgt wird von einer Frau namens Salandra. Der kahlköpfige Maleiwa, Anführer eines Volkes, das man Wayua nennt, ist darauf aus, rätselhafte Portale zu durchschreiten, die von einer Welt zu einer anderen führen, Salandra hinge­gen möchte genau dies verhindern. Doch er besitzt einen rätselhaften Stock, der für sie unberührbar ist und offensichtlich die Quelle seiner Macht darstellt. Sie braucht also Hilfe für die Aufgabe, Maleiwas Pläne zu durchkreuzen.

Ein halbes Jahr später blendet die Geschichte um zur Osterinsel (seltsamerwei­se „Osterinseln“ geschrieben). Henry Jones jr., besser bekannt als Indiana Jo­nes, und sein Vorgesetzter Marcus Brody halten sich zu Ausgrabungszwecken auf der Osterinsel auf. Jones möchte die geheimnisvollen Rongo-rongo-Tafeln entziffern, die übrigens heute noch nicht entschlüsselt sind. Während seines Aufenthaltes erwirbt er sich das Vertrauen einer Insulanerin namens Davina, die ihn in die Geheimnisse der Rongo-rongo-Tafeln einweihen möchte.

Aber zuvor muss Jones Marcus Brody zu einer Insel vor Südamerika begleiten, wo ein Freund Brodys, Hans Beitelheimer, nach eigenen Angaben in Schwierig­keiten sein soll. Laut seiner letzten Nachricht sei er „gefangen in einer Legende“, was immer das heißen soll.

Chiloé, so der Name der Insel, erweist sich allerdings als ein seltsames Pflaster. Die Menschen sind schrecklich scheu und verschwiegen, offensichtlich zutiefst animistisch, sie glauben an Geister, insbesondere an die „Caleuche“, ein Geister­schiff, dessen Besatzung imstande ist, sich in Tiere und andere Personen ver­wandeln zu können.

Dummerweise ist an dieser Legende mehr dran, als Brody und Indy wahrhaben wollen. Binnen kurzer Zeit werden sie gezwungenermaßen direkt selbst in „die Legende“ verfrachtet. Brody gelingt zwar die Flucht, aber Indiana Jones tritt an Bord der „Caleuche“ die Reise in eine rätselhafte Region an. An Bord trifft er eine Frau namens Salandra, und der Leser sagt sich: okay, endlich geht die Ge­schichte los. Zu dumm, dass er Unrecht hat. Die Geschichte geht eigentlich gar nicht los.

Während der Archäologe auf diesem Schiff zumeist im Halbdämmer liegt, fährt es dem Vernehmen nach geradewegs ins Innere der Erde, in ein unterirdisches Reich, in dem Salandras Vater Vicard König ist… gewesen ist, denn als sie an­kommen, hat es einen Regierungsumsturz gegeben und Maleiwa die Macht er­griffen. Mit Müh und Not gelingt es den beiden nach einer unbestimmten Zeit der Kerkerhaft, zu entkommen, und von da an wird alles schrecklich surreal.

Salandra behauptet, Indy sei die letzte Person gewesen, die den rätselhaften Stab in den Händen gehalten hat, der Maleiwa seine Kraft über jene Portale verleiht, die die Welten – die Oberwelt und die Unterwelt – miteinander verbin­den. Und laut ihren Worten hat Maleiwa nichts Geringeres vor, als sich mit ei­nem Fanatiker der Außenwelt zu verbünden, um beide Welten zu unterjochen. Ein Mann namens Adolf Hitler. Und nur Indiana Jones könne das Verhängnis aufhalten…

Das könnte spannender Stoff sein, wirklich. Das Problem an diesem Roman be­steht darin, dass er einfach nicht spannend ist. Absolut gar nicht. Das ist das wirklich Traurige daran.

Wir begegnen Personen, die ihre Gestalt wandeln und sich gar – im Falle von Salandra – in Vogelgestalt in die Lüfte erheben können. Wir begegnen Welten­toren und magischen Labyrinthen, es treten Drachen, Sümpfe, Armbrustschüt­zen und Kannibalen sowie rätselhafte Speisen auf, die man zu sich nehmen muss, um nicht „zu vertrocknen und dahinzusiechen“… und Rob MacGregor fährt wirklich jede Menge interessante Zutaten auf, um dieses Werk zu Fantasy reinsten Wassers zu machen.

Ich weiß ja nicht, aber vielleicht bin ich nicht völlig alleine, wenn ich behaupte, dass Indiana Jones eigentlich kein „Fantasyabenteuer“ darstellt. Das ist das ers­te Manko der Geschichte. Sie ist zutiefst unglaubwürdig und eigentlich reinste Fantasy. Viele der Motive darin – etwa diese Speise „nalca“, die man zu sich nehmen soll, wenn man die Welten wechselt – entstammen erkennbar der iri­schen Folklore der „Anderswelt“, sie werden hier nur nach Südamerika und in das Innere der Erde verlagert, kommen aber nirgendwo wirklich klar zum Vor­schein.

Indiana Jones ist ein zugleich in diesem Werk ein zutiefst unwilliger „Held“, der zudem von einem Problem ins nächste stolpert und eigentlich immer nur gesto­ßen und getrieben wird, ohne selbst jemals zum „Macher“ zu werden oder Oberwasser zu bekommen (die letzten fünfzehn Seiten reichen dafür definitiv nicht aus). Ständig denkt er an die Osterinseln oder seinen heimischen Campus, will Salandra munter stetig im Stich lassen, und man spürt daran, wie gezwun­gen der Verfasser an dem Stoff herumschrieb, ohne die rechte Inspiration und Lust. Salandra wirkt ungeachtet ihrer bemerkenswerten Fähigkeiten desorien­tiert, schwach, schlapp, und gegen Ende hat man sogar den klassischen Topos einer Fantasy-Queste: eine Zauberin (Salandra), der weise Mentor (ihr Vater) und der kühne Held (Indy) auf dem Weg, um das Verhängnis aufzuhalten, und nur der „Held“ allein kann das bewirken…

Gähn, dachte ich, das kann doch alles gar nicht wahr sein. Eine eher mäßige Übersetzung, die ähnlich lustlos war und an manchen Stellen auch von eher einfachen Worten („Sulphur“ wird mit „Sulfur“ übersetzt statt mit Schwefel, um nur ein Beispiel zu nennen) sichtlich überfordert wird, tut das Übrige dazu, die Wirkung des Werkes verblassen zu lassen.

Ich schweige davon, dass der Verfasser von den venezolanischen Tafelbergen, den Tepui, wirklich keine rechte Vorstellung hat und sie auf geradezu kindische Weise beschreibt. Da war schon Arthur Conan Doyle in „Die vergessene Welt“ realistischer (und, schlimm genug, am Ende dieses Romans hier erkennt man deutlich, dass MacGregor Doyles Buch gekannt hat! Und er hat sicherlich auch Uwe Georges Tepui-Reportage aus NATIONAL GEOGRAPHIC gekannt, und TROTZDEM so einen Müll zusammengeschrieben… man mag es gar nicht glau­ben!).

Ich brauchte für das Werk acht Tage, verteilt auf fast drei Wochen, und am Schluss musste ich mich dann echt dazu zwingen, es zu beenden. Schlechtes Zeichen, ganz ehrlich. Wenn man dann noch einen unzutreffenden Klappentext dazu nimmt („Die uralten Steinstatuen der Moai beginnen zu flüstern…“ – was sie im ganzen Roman nicht tun) und ein Titelbild, das ein eingefrorenes Schiff zeigt, was im ganzen Roman nicht auftaucht, von einer grotesken Zaubererfigur, die einen ziemlich übel verlängerten linken Arm besitzt (weil Indys Konterfei im Zentrum des Bildes sitzt, ganz klar erkennbar übrigens ungeschickt eingefügt – man achte auf den abgeschnittenen linken Kragen!), dann ist die Zumutung wirklich komplett.

Echt, am Ende stellt sich weniger die Frage, ob Indy wohl auf „harten Drogen“ gewesen ist, sondern, ob der Verfasser ständig zugedröhnt war, um diese Story­line auch noch ertragen zu können. Vielleicht läse sich die Geschichte ja anders, wenn man auf einem Trip wäre… aber das muss ich wirklich nicht haben.

Eine peinliche Geschichte, muss ich sagen. Ziel vollständig verfehlt, von Verlag, Lektorat und Verfasser. Selten so einen Fehlschlag gelesen. Diesen Roman sollte man besser vergessen…

© by Uwe Lammers, 2013

Ja, ja, mag manch ein Leser nun sagen, der Uwe kennt sich einfach zu gut mit vielen unterschiedlichen Dingen aus, außerdem ist er Fantasy-resistent (was nur bedingt stimmt, wie ich ja schon in den Blogartikeln 17 und 41 bewiesen habe). Und Historiker ist er dazu auch noch… da muss ihm ja die Laune verhageln, wenn so vieles nicht stimmt.

Möglich.

Vielleicht sind auch meine Qualitätsansprüche zu hoch, aber das zu prüfen, das obliegt jedem Leser selbst. In der nächsten Woche bleiben wir bei Fantasy, dies­mal aber von qualitativ höherwertiger Art, indem wir uns wieder Adam Sinclair und seinen Abenteuern zuwenden.

Das solltet ihr wirklich nicht versäumen.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. Rob MacGregor: Indiana Jones und das Vermächtnis des Einhorns, Goldmann 43052.

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