Rezensions-Blog 66: Im Todesnebel

Posted Juni 28th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wer bei der Lektüre der folgenden Rezension der Ansicht ist, sie sei doch schon „ein wenig angestaubt“, weil sie 13 Jahre auf dem Buckel hat, der hat nicht Un­recht damit. Dennoch finde ich, hat sie mit einem kleinen bisschen Kommentie­rung nach wie vor ihre Berechtigung, und der besprochene Roman gehört zu denen, die ich von Clive Cussler schon mehrmals gelesen habe.

Romane, die ich im Laufe von zwanzig Jahren mehrmals lese, haben zumeist eine ganz besonders eigenwillige Form von Flair. Das gilt für solche wunder­schönen Fantasy-Abenteuer wie Richard Adams´ „Maia“ oder eben auch für Cusslers „Hebt die TITANIC!“ – dieses Werk hier gehört in dieselbe Reihe, wie ich denke. Und es lohnt ungeachtet seines Alters eine Wiederentdeckung.

Begleitet also mich und Cusslers Helden Dirk Pitt in den Pazifik-Strudel, jenes rätselhafte Schiffsgrab und Herz einer groß angelegten Intrige:

Im Todesnebel

(OT: Pacific Vortex)

von Clive Cussler

Goldmann 8497

256 Seiten, TB

Juli 1990

Übersetzt von Hans Ewald Dede

Die Weiten des Meeres bergen bedrohliche Rätsel, und immer wieder ver­schwinden Schiffe auf Nimmerwiedersehen in ihren Tiefen. Man kennt das be­rüchtigte Bermuda-Dreieck, man hat vielleicht schon vom „Drachen-Dreieck“ vor der chinesischen Küste gehört, doch in diesem Buch ersteht ein drittes un­heimliches Seegebiet und entfaltet seine tödliche Blüte: Pacific Vortex.

Das modernste Atom-U-Boot der Welt, die Starbuck unter Kommandant Du­pree, dem zuverlässigsten und diszipliniertesten Kommandanten der US-Navy, verschwindet während einer Testfahrt im Pazifik spurlos. Sechs Monate später wird ein gelber Zylinder auf Hawaii an Land gespült. In ihm die letzten Aufzeich­nungen Duprees, ein Ausweis schieren Wahnsinns.

Der Mann, der diesen Zylinder birgt, ist tief erschüttert: Dirk Pitt, Sohn eines Se­nators, Angestellter der NUMA, der staatlichen Gesellschaft für Unterwasserfor­schung und passionierter Abenteurer. Anfangs denken sowohl er als auch der Chef der 101. Bergungsflotte, Admiral Leigh Hunter1, dass Dupree verrückt ge­worden sein muss und man das Rätsel des Verschwindens nie lösen wird.

Doch rasch geschehen seltsame Dinge:

Pitt wird in einer Bar, während er mit der Tochter des Admirals redet, von einer hinreißenden Unbekannten angesprochen, die bald darauf versucht, ihn ins Jen­seits zu befördern. Weitere Mordanschläge auf ihn werden unternommen, und Pitt beginnt zu verstehen, dass hinter dieser Angelegenheit weitaus mehr ste­cken muss.

Sein scharfer Verstand sagt ihm, dass die Nachricht gefälscht sein muss, mit der Absicht, die Suchaktion nach der Starbuck abzubrechen. Aber als er schließlich mit dem Bergungsschiff der 101. Flotte sich auf den Weg macht, um das rätsel­hafte Pacific Vortex aufzusuchen und den Schiffsfriedhof zu entdecken, den Eu­kalyptusnebel und schließlich das auf so unbegreifliche Weise untergegangene U-Boot, da befindet sich Dirk Pitt unvermittelt auf dem Weg in ein Reich der Le­genden – zur geheimnisumwitterten Insel Kanoli, deren Bewohner sich einst­mals zu Göttern erklärten und vom Zorn derselben versenkt wurden.

Hier auf Kanoli steht der Abenteurer Pitt dem unberechenbaren und genialen Delphi gegenüber. Und ihm bleiben nur noch Minuten bis zum Untergang…

Clive Cussler, ein inzwischen wallebärtiger Schriftsteller und Seebär, der viel von seiner Vita in seinen Helden Dirk Pitt gelegt hat – kein Cussler-Roman kommt ohne Pitt aus, und so gut wie nichts misslingt dem aus James-Bond-Holz ge­schnitzten Dirk Pitt: er hebt sogar die TITANIC, findet die Bibliothek von Alexan­dria und den gläsernen Sarkophag Alexanders des Großen, um nur ein paar sei­ner Erfolge zu nennen – , schrieb sich in den 70er Jahren in die Bestsellercharts, in die er heute nur noch selten gelangt. Aber damals, muss man ihm attestie­ren, verstand er es ausgezeichnet, Legende und spannende Actionromanhand­lung miteinander zu fusionieren.

Dieser Roman ist nicht sein bester, aber unzweifelhaft packend geschrieben. Im Vergleich zu späteren Werken ist er beinahe halbherzig (und auch etwa halb so dünn). Doch die Zutaten sind schon vorhanden: ein Rätsel im Prolog, in der Re­gel ein spurlos verschwundenes Schiff oder Flugzeug, Tauchexpeditionen und eine nicht selten historisch-mythologische Hinzufügung. Dazu reichlich Verbre­cher, Kämpfe, schöne Frauen, die Pitt oft ohne größere Mühe in sein Bett zie­hen kann.

Doch, Dirk Pitt und James Bond haben eine Menge gemeinsam, und das ist kein Zufall. Das Erfolgsrezept der Bond-Filme hat man hier in geschriebener Version vor sich, mit dem Unterschied, dass bis auf den Kino-Flop „Hebt die TITANIC!“ – das Buch ist ausgezeichnet – keiner der Cussler-Romane jemals erfolgreich ver­filmt worden ist. Es wäre mal einen neuen Versuch wert.2 Und wer gerne bei spannender Lektüre ohne signifikanten Tiefgang, aber manchmal durchaus mo­ralischen Überlegungen entspannen möchte, kann getrost zu den älteren Cuss­ler greifen. Bei manchen neueren rate ich eher ab. Da gibt es diesen schreckli­chen Sahara-Band… den tut euch besser nicht an. Aber sonst: auf ins Vergnü­gen!

© by Uwe Lammers, 2003

Ja, doch, das Abenteuer lohnt sich nach wie vor. Wer James Bond schätzt, zu­mal die frühen Filme mit Sean Connery, der ist hier durchaus recht am Platze und kommt auf seine Kosten.

In der kommenden Woche switchen wir zurück in die Gefilde der Science Ficti­on. Präzise: nach England ins ländliche Rutland nach einer Klimakatastrophe… ja, ihr wisst natürlich, was das bedeutet. Wir begeben uns in das zweite Abenteuer mit dem Mindstar-Veteranen Greg Mandel. Und was es genau mit dem „Mord-Paradigma“ auf sich hat, das erzähle ich euch in sieben Tagen.

Nicht verpassen, Freunde!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Inzwischen ist mir längst bekannt, dass Cussler hier seinen alten Freund Leigh Hunt ver­ewigt hat, der folgerichtig in diversen Rollen in unterschiedlichsten Romanen auftaucht. Hier ist er eben Admiral.

2 Ein weiterer Versuch wurde dann einige Jahre nach dieser Rezension gemacht… dummer­weise ausgerechnet mit dem von mir gering geschätzten „Sahara“-Roman… aber so stark verändert, dass der Erfolg nahezu unweigerlich ausbleiben musste. Ich sage dazu dann an gegebener Stelle im Rezensions-Blog noch etwas.

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