Rezensions-Blog 80: Die Verwechslung

Posted Oktober 4th, 2016 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute gibt es mal wieder leichte Lesekost für Leute, die einfach nur muntere Unterhaltung und vergnügliche Verwirrungsgschichten sowie emotionale Ach­terbahnen mögen. Also keine dramatischen Reisen in die Abgründe der menschlichen Seele, in kriegszerrissene Krisenregionen oder kosmische Konflik­te. Wir bleiben völlig bodenständig heute.

Im Jahre 2002 begann ich damit, auch gelegentliche erotische Romanstoffe zu rezensieren, wenn mir danach war. Das lag irgendwie nahe, denn im Januar des­selben Jahres verfasste ich einen summarischen Artikel über erotische Literatur mit dem Titel „Die natürlichste Sache der Welt“, der allerdings erst im Novem­ber 2003 in dem Fanzine BWA 242 des Science Fiction-Clubs Baden-Württem­berg (SFCBW) erschien.

Das unten präsentierte Werk schien mir auch deshalb damals rezensionswürdig, weil es mich von der Atmosphäre und dem Verhalten der Protagonisten recht deutlich an die von mir geschätzte Autorin Diana Gabaldon erinnerte. Ob diese Parallele von mir mit Recht so gesehen wurde, das überlasse ich eurem Urteil. Ich denke, die Schatzsuchergeschichte, die hier überraschend ausgebreitet wur­de, hat auch heute noch ihren Reiz:

Die Verwechslung

(OT: Treasure Hunt)

von Catriona Beck

Heyne-TB 12062

256 Seiten, 1999

Übersetzt von Laura Schmidt

Was doch eine Verwechslung so alles auslösen kann.

Da sitzt die junge Chrissy allein in einem Pub, ärgert sich über ihren Exfreund Marc, der ihr Leben bestimmen wollte, und plötzlich wird sie von einem wild­fremden, aber äußerst attraktiven Mann angesprochen, der abgehetzt herein­kommt und sie offenkundig mit einer anderen Frau verwechselt. Ehe sie sich versieht, befindet sich Chrissy mit ihm in einem Zimmer und in der Rolle der un­bekannten Clarissa: die hat sich mit dem Mann wohl verabredet, um Sex zu ha­ben. Ein wenig abenteuerlustig, verwirrt, aber rasch sehr erregt macht Chrissy mit und genießt die Lust in vollen Zügen.

Freilich kann sie mit den Bemerkungen des Mannes, der seinen Namen nicht nennt – Chrissy kann ihn schlecht danach fragen, denn ER verwechselt sie schließlich mit Clarissa, mit der er schon geschlafen hat! – nicht viel anfangen. Da geht es um eine „Schatzsuche“, um eine Rivalin dabei… und darum, dass das Zimmer, in dem sich die beiden nun gerade vergnügen, für zwei Nächte gebucht sei. Und dass morgen ein anderer „das Vergnügen“ (mit ihr!) haben werde.

Nachdem der Fremde verschwunden ist, bleibt die schöne Chrissy völlig ver­wirrt, aber auch seltsam befriedigt zurück. Endlich, spürt sie, hat sie wieder Freude am Sex, und diese anonyme Befriedigung mit Männern, die sie nicht kennt, löst überwältigende Genugtuung aus. Keine Verpflichtungen mehr, keine emotionalen Dramen, einfach nur ab ins Bett und Action. Sehr bequem! Sie be­schließt deshalb, am nächsten Abend wieder herzukommen.

Als Chrissy das tut, stößt sie (wenig überraschend) auf die rätselhafte Clarissa, eine stolze, ihr optisch sehr ähnliche Frau, die ihr nicht mal Vorwürfe macht, dass sie mit Phil gevögelt hat. Ganz im Gegenteil! Im Verlauf der nächsten paar Minuten – bis der nächste Mann auftaucht, der sich eigentlich mit Clarissa ver­gnügen soll – erklärt die hinreißende Blondine, was eigentlich vorgeht.

Sie ist nämlich keineswegs eine Kurtisane, sondern sowohl sie als auch ihre Ri­valin Portia sind gelangweilte reiche Frauen, die sich in diesem Sommer einen Spaß daraus gemacht haben, eine Art von „Schatzsuche“ zu veranstalten. Der­gestalt, dass es eine „Schatzkarte“ gibt, auf der jede Frau ihre sexuellen Erobe­rungen zusammenstellt. Am Ende einer Woche wird zusammengerechnet. Die Verliererin bezahlt aus ihrem Vermögen einen hohen Betrag und spendet ihm einem wohltätigen Zweck.

Nun… nur hat Clarissa inzwischen einen Mann kennengelernt, der ihr mehr be­deutet als die Schatzsucheraktivität… und sie möchte eigentlich gerne eine Stellvertreterin ins Rennen schicken, um sich selbst an einen fernen, lauschigen Ort mit ihrem Lover zu begeben. Zufällig ist Chrissy zur Stelle gewesen und hat einige Bereitschaft gezeigt, mitzumachen.

Etwas überrumpelt erklärt sich Chrissy bereit, den Job zu übernehmen, darf da­für in Clarissas Haus wohnen und bekommt sogar – wie Portia auch – eine Art von „Makler“ gestellt, der die „Kontakte“ mit den Männern vermittelt.

Sie ahnt nicht, dass genau dies das Problem sein wird.

Ross Sinclair, der besagte „Makler“, ist ein Eisschrank von einem Mann, über­wältigend attraktiv auf alle Fälle, aber offenkundig für weibliche Reize nicht zu­gänglich. Das glauben wenigstens Portia ebenso wie Clarissa. Sie täuschen sich, und er selbst macht sich auch etwas vor. Das wird in dem Moment klar, als er Chrissy zum ersten Mal sieht und von einer unbezähmbaren Begierde gepackt wird. Die junge angehende Studentin fesselt seine Aufmerksamkeit dermaßen, dass es seine gesamten Handlungen durcheinanderbringt.

Auf der anderen Seite kann Chrissy nicht verleugnen, dass Ross sich auch in ihr Herz geschlichen hat. Aber zwischen beiden steht die Schatzsuche, die Ross ka­tegorisch ablehnt, die Chrissy aber als Mittel zum Zurückgewinnen ihrer weibli­chen Autonomie ansieht. Sie kommen deshalb nicht recht zueinander. So begin­nen rasch Missverständnisse aufzutreten und sich zwischen ihnen zu entladen…

Strukturell ist „Die Verwechslung“ schlicht und unscheinbar. Die Ideen, die dar­in zum Ausdruck kommen, sind bekannt und werden hier nur variiert. Insofern nichts Besonderes. Doch was den Roman wirklich über sonst eher stumpfsinni­ge erotische Romane heraushebt, ist die Art und Weise, in der die Autorin die emotionale Beziehung zwischen den beiden Hauptprotagonisten Chrissy und Ross gestaltet.

Wer die Romane von Diana Gabaldon liebt, wird unschwer erkennen, dass es hier Parallelen gibt. An einer Stelle des Buches kam mir sogar der Gedanke, dass die Autorin auf alle Fälle „Feuer und Stein“ gelesen haben muss. Sie ist zwar lan­ge nicht so talentiert wie die Gabaldon, das Buch ist vermutlich auch in halsbre­cherischer Geschwindigkeit geschrieben worden, doch die psychologischen Konfliktmomente, Missverständnisse und halsstarrigen Dialoge machen diese Geschichte wirklich lesenswert.

Mithin sollte man diesen Roman der Personen wegen lesen, der oben erwähn­ten Hauptpersonen wegen. Man hätte sich gewünscht, das Buch wäre etwas länger, denn der Schluss ist recht abgehackt und wirkt gekünstelt. Insgesamt also lässt das Buch den aufmerksamen Leser etwas gespalten zurück. Nennen wir dies hier eine „halbe“ Empfehlung…

© by Uwe Lammers, 2002

In der kommenden Woche machen wir einen Ausflug nach Frankreich. Genau­er: in ein Mehrfamilienhaus in Paris, in dem reichlich seltsame Bewohner le­ben, Rätseln nachspüren, über ihre Verhältnisse leben, Krieg führen, von Aliens entführt werden… wie bitte? Nein, nein, das habt ihr schon ganz richtig gele­sen. Es ist harter Stoff, aber äußerst surreal.

Welches Buch das ist? Na, ich schlage vor, ihr schaut in sieben Tagen rein und lest an dieser Stelle Näheres nach. Das lohnt sich ganz sicher.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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