Liebe Freunde des OSM,

während wir üblicherweise der Auffassung sind, dass die Welt, wie wir sie se­hen, fühlen, riechen und schmecken können, aus Gründen der Evidenz das ein­zige ist, was existiert, gibt es in den Gefilden der Phantastik andere Anschauun­gen, die uns bisweilen daran zweifeln lassen, ob das tatsächlich schon alles ist, was es gibt. Ja, vielleicht ist etwas dran an dem alten Vorwurf des Eskapismus – dass sich Phantasten in andere Welten jenseits der ihren gewissermaßen „weg­träumen“, wenn ihnen das Hier und Jetzt nicht mehr zusagt, zu beschwerlich ist oder zu finster, um darin glücklich werden zu können.

Doch wer das allein auf diesen Punkt fokussiert, sieht das meiner Ansicht nach verkehrt. Schauen wir uns einfach mal heute ein Beispiel an, über das ich euch gegenüber schon seit Jahren im Rahmen meines Blogs rede – die bisweilen sehr fragile Wirklichkeitsstruktur des Oki Stanwer Mythos.

Aktuell bin ich gerade – wenngleich ich wirklich wenig Zeit finde, das zu tun und alles ein wenig wie in Zeitlupe geschieht, sehr zu meinem eigenen Unbehagen – dabei, einen Teil meiner alten maschinenschriftlichen Skripte abzuschreiben, zu kommentieren und mit einem reiferen Blick aus einer Distanz von einigen Jahr­zehnten zu durchdringen. Da kommen spannende Dinge ans Tageslicht, die heu­te sehr viel mehr Sinn ergeben als damals, als ich sie in rasendem kreativem Wirbel niederschrieb.

Der Ort, an dem unsere heutige Reise beginnt, heißt Church Island.

Wenn ihr dereinst davon lesen werdet, könnte der eine oder andere von euch geneigt sein, diesen Ort auf der Landkarte zu suchen. Falls es so kommt, seht ihr mich zufrieden schmunzeln. Weshalb? Weil es Church Island nicht gibt. Diese Insel ist ebenso wie etwa Orte namens Malsena oder Whitmore ein reines Ge­bilde des OSM. Und zugleich halbmateriell in unserer Wirklichkeit verankert.

Halbmateriell deswegen, weil die Umgebung durchaus real ist. Es gibt die Bucht The Wash an Ostküste von England, und ja, sie blickt zweifellos auf eine jahrtau­sendelange Geschichte zurück. Nur gibt es die Insel Church Island dort nicht, auf die es Oki Stanwer und seine Getreuen am 10. November 2035 verschlägt.

Wir befinden uns im KONFLIKT 18 „Kampf gegen TOTAMS Dämonen und Scher­gen“ (KGTDUS, Schreibzeit: 1984-1989). Oki Stanwer hat in den zurückliegenden Jahren – genauer sollte man wohl von Jahrtausenden sprechen – viel erlebt und ist inzwischen eine labile Persönlichkeit mit angegriffenem Nervenkostüm. Das ist üblicherweise schon unschön… aber in diesem Kosmos hat die Hauptperson des Oki Stanwer Mythos Zugriff auf seine starken Parafähigkeiten und kann sie nicht recht kontrollieren. Außerdem leidet er unter sich ständig verstärkender Paranoia, was dann erst recht eine unschöne Mischung ist.

Als ihm von Church Island ein Kristallzylinder mit seinem Namen darauf zuge­stellt wird, der eine mental aufgeprägte Botschaft enthält, die ihn auffordert, die so genannte „Siegelwelt“ zu besuchen – über ein Dimensionstor, das sich auf Church Island befindet – , da geraten die Dinge in Bewegung.

Im Winter 1987, als ich diese Abenteuer frisch sah und niederschrieb, wusste ich, dass phantastische Dinge bevorstanden. Denn die Siegelwelt kannte ich… ein legendärer Ort jenseits der Vorstellung. Ich hatte diese Welt erstmals im Herbst 1986 besucht… na, entdeckt, sollte ich sagen. In einem Strudel des ver­nichtenden Alptraums. Das war damals, als TOTAMS „schwarze Mauer“ die Ga­laxis Milchstraße einriss und der Endkampf im KONFLIKT 17 „Drohung aus dem All“ (1983-1986) ausgetragen wurde.

Dort verschlug es Oki Stanwer und seine Getreuen erstmals auf die Siegelwelt – einen Planeten, der so unabweislich künstlich ist, dass man es ihm auf den ers­ten Blick ansieht: die Siegelwelt ist physisch würfelförmig, und sie besitzt unter jeder ihrer sechs Seiten ein eigenes Gravitationszentrum. Ihr werdet später im KONFLIKT 21 „Oki Stanwer – Fürst von Leucienne“ (FvL) sehen, dass die Siegel­welt gewissermaßen die Passform für die so genannten EWIGKEIT-Welten die­ses KONFLIKTS ist. Dort steht in naher Zukunft die Erforschung der Unterwelt dieser EWIGKEIT-Welten an, aber das soll hier nur am Rande erwähnt werden.

Wichtig ist für unseren heutigen Exkurs die Frage, wo genau diese Siegelwelt denn nun liegt. Denn Teil unseres Universums ist sie im Grunde genommen nicht, und das war mir schon im Herbst 1986 klar, als ich erstmals dorthin ver­schlagen wurde.

Die Siegelwelt ist eine Schöpfung TOTAMS. Und dementsprechend liegt sie – der ersten Anschauung nach – in TOTAMS Machtbereich. Das ist allerdings nur der erste Anschein, der trügerisch ist. Die Sachverhalte sind noch etwas haar­sträubender.

Als Oki Stanwer das erwähnte Dimensionstor durchschreitet, landet er auf der Siegelwelt, was an sich wenig verblüffend wäre. Aber er kommt durchaus nicht dort heraus, wo er hingelangen soll, im so genannten „Bernsteinschloss“ des „Messias“, der seit langem die Siegelwelt beherrscht und nach ihm gerufen hat (unter anderem, weil TOTAMS Truppen derzeit dabei sind, die Siegelwelt zu stürmen, aber das muss ich wann anders näher ausführen). Stattdessen gerät er in die Gefangenschaft einer Gruppierung, die sich TOTANOR nennt und aus lini­entreuen Totenköpfen TOTAMS besteht.

Er fällt also quasi in Feindeshand, zu seinem Glück nicht allzu lange.

Doch zurück zu unserem Gedanken von eben: von der Erde ist die Siegelwelt of­fenbar nur durch eine feine Membran getrennt, eine transuniversale Barriere. Sich aber nun vorzustellen, die sei ohne weiteres einzureißen, um neue Tore in diese Welt zu öffnen, das wäre einigermaßen naiv. So funktioniert das in der Science Fiction nicht, und im OSM auch nicht. Die Logik dahinter ist meines Er­achtens auch sehr nachvollziehbar:

Wenn man einen Vorhang aus Raumzeit durchstoßen möchte, stemmt man sich gewissermaßen gegen das gesamte Universum. Die Energie, die man an einem Punkt aufwendet, verteilt sich rasend schnell und verpufft. Der Effekt, ein Loch in die Raumzeit reißen zu wollen, wäre also gleich null, ganz egal, wie viel Ener­gie man einsetzt. Sollte man es dennoch schaffen, so etwas zu erzeugen, würde man höchstwahrscheinlich einen instabilen Riss in Raum und Zeit erzeugen, der einen Strudel der Vernichtung nach sich zöge und alles in den Abgrund risse (nicht umsonst, flechte ich hier mal ein, erzeugen transuniversale Risse in der modernen DOCTOR WHO-Serie solche Probleme, das ist im OSM durchaus sehr ähnlich).

Wenn man also von einem Punkt eines Universums in ein benachbartes Konti­nuum gelangen möchte, das möglicherweise nur einen hauchdünnen, unsicht­baren Schleier von Raumzeit weit von uns entfernt ist – hier: die Siegelwelt – , dann gibt es natürlich einen Trick: man bedient sich eines Dimensionsportals.

Die Siegelwelt ist über sechs solche Portale zugänglich, und wie man bereits an der Anzahl erkennt, sind sie künstlichen Charakters. Die Macht, die sie geschaf­fen hat, braucht man nicht zu mystifizieren, sie ist offenkundig: TOTAM, die Macht des Bösen. Die Gründe, warum sechs Portale zur Erde geschaffen wur­den, sind hingegen bis heute unbekannt. Natürlich nicht nur, damit Oki Stanwer dort hindurchgehen kann. Das wäre ein wenig zu simpel gedacht.

Wir müssen TOTAM die Fähigkeit unterstellen, sich mit Raum und Zeit so gut auszukennen, um sowohl die nötige Energie für die Schaffung solcher Raumzeit-Anomalien wie der Dimensionsportale zur Siegelwelt zu haben als auch die Be­fähigung, diese Übergänge ohne katastrophale Nebeneffekte zu stabilisieren. Wir sehen es ja in diesen vier Episoden der KGTDUS-Serie (75-78, 1987/88).

Aber was genau hat Oki Stanwer da jetzt erreicht?

Ja, ja, die Siegelwelt, das wissen wir schon. Aber was genau IST sie? Um ein we­nig in die Gegenwart des OSM vorzugreifen… wenn man auf der Siegelwelt ir­gendeine Substanz analysierte, sei es Fels, sei es Vegetation oder sonst etwas, so würde das Analysegerät mit den ermittelten Daten rein gar nichts anfangen können. Ich habe eine analoge Situation in dem Roman „Die Totenköpfe 1: Die Alte Armee“, der in KONFLIKT 21 spielt, anno 2010 ausführlich beschrieben (ja, ich weiß, Freunde, den könnt ihr auch noch nicht lesen. Er wird beizeiten als Annalen-Band veröffentlicht werden, aber das liegt wirklich noch geraume Zeit in der Zukunft. Entschuldigt bitte).

Die Analysegeräte würden sagen „unbekannte Materie“, und zwar egal, ob es sich dabei um Holz, Gestein, Metall oder sonst etwas handelt. Das weiß ich heu­te. Damals war mir das natürlich nicht bewusst. Ich dachte naiv, Wasser sei auf der Siegelwelt einfach Wasser, das man trinken könne, Holz könnte man ganz normal entzünden usw. Kann man auch, und das ist das Trügerische. Was wir da tun, hat aber mit den physikalischen Prozessen unseres Universums nicht mehr das Geringste zu tun, es ist… wie soll ich sagen… es ist sozusagen nur ein Analogon zu den Prozessen in unserer Wirklichkeit.

Wir haben schließlich unser Universum verlassen, nicht wahr?

Und genau genommen sind wir auf TOTAM.

Damit haben wir die verwirrende Realität der Siegelwelt und des „Vorhofs“ er­reicht, in dem sich der schwarze Planet TOTAM um seine grüne, kleine Sonne Granat dreht. Hier ist buchstäblich nichts so, wie es scheint. Granat ist keine Sonne im originären Sinn, Materie ist eigentlich keine Materie, und selbst etwas so Eindeutiges wie der Ort, an dem man sich gerade aufhält, ist verstörend fremdartig konnotiert.

Das klingt bizarr und unbegreiflich? Ich gebe euch für heute nur ein einziges Beispiel für TOTAMS unglaubliche Fremdartigkeit… eigentlich ist das den Kos­mologie-Lektionen vorbehalten, wo ihr diesen Dingen wieder begegnen wer­det. Aber da ich mich aktuell gerade in dieser Denksphäre aufhalte, konfrontie­re ich euch damit schon jetzt:

Die Siegelwelt ist auf den ersten Blick ein Planet, wenn auch zweifellos ein künstli­cher und seltsam aussehender, der in einem schwarzen Vakuum ebenso wie TO­TAM um die Sonne Granat treibt. Es gibt noch eine ganze Reihe von ähnli­chen Welten, die gleich der Siegelwelt um Granat kreisen. Auf den ersten Blick könnte man das für ein Sonnensystem halten.

Es ist nur keins.

Der ORT dieses gesamten „Sonnensystems“ ist nämlich, bitte festhalten, im In­nern TOTAMS. Der gesamte Vorhof, ein Kontinuum von schätzungsweise eini­gen Lichtmonaten Durchmesser, ist, streng genommen, Teil von TOTAMS Sub­stanz und liegt im Innern TOTAMS… allerdings hat das Wesen TOTAM diesen Teil von sich selbst „ausgestülpt“. Völlig unbegreiflich wird es dadurch, dass der Pla­net TOTAM, in dem sich das alles ja eigentlich befindet, als Teil dieser ausge­stülpten Sphäre darbietet. Man könnte prinzipiell von der Siegelwelt mit einem Raumschiff zum Planeten TOTAM hinüberfliegen.

Man könnte auch, umgekehrt, diesen Weg mit einem einzigen Schritt oder ei­ner Seitwärtsbewegung zurücklegen.

Das ist ein wichtiger Aspekt der nicht-euklidischen Geometrie TOTAMS, die Physiker an den Rand des Wahnsinns treiben kann. Hier sind Dinge möglich, von denen unsere Wissenschaft nicht mal zu träumen wagt. Und ich versichere euch, im Gegensatz zu der Zeit vor rund dreißig Jahren, als ich noch glaubte, man müsse alles Rätselhafte im OSM mit „Magie“ erklären, bin ich heute so weit, zu verstehen, dass es der Magie dafür nun wirklich nicht bedarf. Auch wenn es für viele Leute natürlich so ausschaut.

Ich finde es dann immer hilfreich, historisch ein wenig zurückzuprojizieren und mir Zeitreisende vorzustellen, die aus der Jetztzeit etwa zurückreisen in die Epo­che der Maya oder der alten Römer, und die dann Hightech mitbrächten. Ein kleines Gerät, das man in die Tasche stecken kann, in dem sich eine ganze Bi­bliothek verbirgt? Zauberei, eindeutig. Heute sagt man dazu, beispielsweise, E-Book-Reader.

Arthur C. Clarke schuf das geflügelte Wort, dass jede hoch entwickelte Techno­logie von Magie kaum mehr zu unterscheiden wäre, und ich denke gegenwärtig mehr denn je, dass er damit richtig lag. Das gilt in Abwandlung auch für die physikalischen Grundlagen des Oki Stanwer Mythos, besonders dann, wenn man sich in die Gefilde TOTAMS verirrt, wie das der arme Oki Stanwer im KON­FLIKT 18 tat. Aber beizeiten könnt ihr ihm dorthin folgen – und ich bin über­zeugt, das wird eine spannende Lektüre.

Für heute haben wir aber genug gehört von transuniversalen Portalen und der fragilen Membran der Wirklichkeit. Auf alles andere, was ich oben anriss, kom­me ich beizeiten ausführlicher zu sprechen.

Wohin die Reise in der nächsten Woche geht, sei hier noch nicht vorweggenom­men. Aber spannend bleibt es, keine Frage.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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