Rezensions-Blog 507: Rendezvous mit 31/439 [1]

Posted Mai 7th, 2025 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es ist eine Art urbaner Legende, die sich um diesen obskuren Ti­tel rankt. Es dauerte tatsächlich bis zum Jahr 2023, bis der Titel 1:1 als „Rendezvous mit Rama“ übersetzt wurde. Man kann be­zweifeln, dass indische Fundamentalisten sich in den 70er Jah­ren gegen die Verwendung eines indischen Götternamens auf einem deutschen Buchcover wehrten und so den Verlag zu ei­ner abweichenden Titelvergabe inspirierten. Nahe liegender ist tatsächlich diese urbane Legende, dass die Hersteller der Mar­garinemarke „Rama“ etwas dagegen einzuwenden hatten.

Aber mal ganz von diesen obskuren Details abgesehen … der Roman selbst, so schmal und unscheinbar er auch daherkommt im Zeitalter voluminös aufgeblasener Romanumfänge (man denke nur an die unsägliche Großschrift und breiten Ränder in Romanen wie denen der Harry Potter- oder Twilight-Serie, heut­zutage immer noch gern angewendet im Romance-Sektor und bei mancherlei Selfpublishern). Das Buch hat es in sich.

Es schildert einen faszinierend realitätsnahen Erstkontakt mit einer Alienzivilisation, die zugleich bis Ende des Romans vom Geheimnis umwittert bleibt. Und dies war für rund 20 reale Jah­re das Einzige, was man von den Ramanern hörte. Bis Arthur C. Clarke dazu bewegt wurde, einen Nachfolgeband zu verfassen.

Doch bleiben wir erst einmal bei diesem Auftaktband. Stürzt euch ins frühe 22. Jahrhundert und mitten hinein ins Abenteuer:

Rendezvous mit 31/439

Neuauflage als: Rendezvous mit Rama

(OT: Rendezvous with Rama)

von Arthur C. Clarke

Heyne 5370

288 Seiten, TB

München 1973, 1996

Übersetzt von Roland Fleissner

ISBN 3-453-09963-x

Als Padua und große Teile Oberitaliens durch einen Meteoriten­einschlag zerstört werden, was beispielsweise auch Venedig völ­lig auslöscht, schreibt man das Jahr 2077. Als Folge davon wird die SPACE GUARD eingerichtet, um die nächste verheerende Ka­tastrophe durch Meteore zu verhindern. Rechtzeitig zu verhin­dern.

Im Jahre 2130 scheint sich ein weiterer Meteor der Erde zu nä­hern, doch er entpuppt sich alsbald schon als außergewöhnlich: es ist ein perfekter Zylinder, 16 Kilometer stark und 60 Kilome­ter lang. Der lang ersehnte und gefürchtete Erstkontakt ist ge­kommen, und unschwer zu erahnen, verändert er die Welt.

Das einzige in der Nähe befindliche Raumschiff, das das Objekt 31/439, Eigenname Rama, abfangen könnte, ist das Raumschiff ENDEAVOUR unter Commander Norton. Er hat nur wenige Wo­chen Zeit, Rama zu erforschen und gegebenenfalls Kontakt auf­zunehmen, denn dann wird Rama offenkundig die Sonne errei­chen. Oder so ähnlich …

Die ENDEAVOUR landet planmäßig auf einer schüsselförmigen Vertiefung am „Nordpol“ des fremden Schiffes, bei dem man keinerlei Antriebsaggregate feststellen kann. Rama reagiert nicht auf die Besucher, auch nicht, als sie durch einen von drei Zugangstunnels ins Innere vordringen und nach einer Weile (und drei Schleusen) den Innenraum von Rama betreten, eine beklemmend finstere Gruft, tiefschwarz und grabeskalt. Nach Abschuss von Leuchtkugeln enthüllt sich vor ihnen ein phantas­tisches Panorama.

Rama ist eine Hohlwelt, die sich in vier Minuten um den eigenen Schwerpunkt dreht und damit an den Innenflächen des Hohlzy­linders eine Schwerkraft erzeugt. In der Mitte des fünfzig Kilo­meter langen zylindrischen Innenraums befindet sich gar ein gefrorenes Meer, die so genannte Zylindrische See, in der eine Insel existierte, deren stadtähnlichen Komplex man „New York“ nennt. Weitere Siedlungskomplexe werden nach anderen Groß­städten der Erde benannt. Auf dem diesseitigen Ende ist die Zy­lindrische See durch einen fünfzig Meter hohen Wall abge­schirmt, auf der Südseite ist jener Wall fünfhundert Meter hoch, so dass für die mangelhaft ausgerüstete Expedition ein Zugang zum „Südkontinent“ fast unmöglich wird.

Der Abstieg von der Zentralnabe des Nordpols, wo sich die Ein­stiegsluken befinden, ist durch ein gewaltiges, mehr als acht Ki­lometer langes System aus Leitern, Treppen und Plattformen möglich, das ebenfalls dreifach vorhanden ist. Die Dreigliede­rung scheint überhaupt überall in Rama zutreffendes Bauprinzip zu sein.

Lange Zeit glauben die Terraner, dass es sich bei Rama um ein Geisterschiff handelt, vielleicht ein Generationsschiff oder gar eine robotisierte Mission, die irgendwie fehlgeschlagen ist. Doch sie müssen rasch erkennen, dass dem keineswegs so ist. Je nä­her Rama der Sonne kommt, desto gespenstischer werden die Aktivitäten: Die sechs Kunstsonnen Ramas beginnen ihren Be­trieb, und der endlose Tag beginnt. Und dann erscheinen un­heimliche Wesen, von denen man weder weiß, ob sie organisch oder technisch sind und ob es sich hierbei um Ramaner oder ro­botähnliche Kreaturen handelt.

Und schließlich beginnt Rama dicht bei der Sonne auch noch da­mit, den Kurs zu ändern …!

Dieser Roman von Arthur C. Clarke, den ich nun schon zum zweiten Mal – mit wachsender Begeisterung! – gelesen habe, gehört meines Erachtens wirklich zu den herausragenden Stücken seines Werkes und ist sicherlich ein Juwel der SF, wenn man gut fundierte Zukunftsvisionen mag (nicht umsonst wurde der Roman jüngst unter dem Originaltitel wieder neu aufgelegt wie auch zahllose andere Klassiker – und diesmal, ohne dass er verfilmt worden wäre!). Beim Erdenken einer ganzen Welt wie RAMA hat Clarke eine Detailfreude bewiesen, die ungemein ver­blüfft und damit einen schlüssigen Roman geschaffen, der durchaus das Attribut „zeitlos“ verdient. Und später hat er inter­essanterweise diese Geschichte 18 Jahre später in „Rama II“ fortgesetzt. Man mag gespannt sein, ob dieser Roman nun ebenfalls neu aufgelegt wird, wie auch die beiden weiteren Wer­ke, die diese Tetralogie schließlich abrundeten.

© 1998 / 2023 by Uwe Lammers

Die drei folgenden Romane werden im Rahmen meines Rezensi­ons-Blogs natürlich demnächst ebenfalls vorgestellt werden. Selbst wenn es nicht zur Neuauflage der Nachfolgebände kommt, lohnt sich der antiquarische Nachkauf. Vertraut mir.

In der kommenden Woche rutschen wir mal wieder in die schlichte Welt erotischer Romane ab. Nähere Details verrate ich an dieser Stelle aber noch nicht.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

 

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