Liebe Freunde des OSM,
manchmal erweisen sich vermeintlich interessante Lektüren, die sich von Anfang an auf drei Bände beschränken, als unschöne Überraschungen. Bei Kitty Frenchs Trilogie haben wir solch einen Fall vorliegen, bei dem mit fortschreitender Lektüre immer mehr Schwächen der Konstruktion zutage traten. Vorsichtig gesprochen: Da hat sich jemand nicht wirklich einen langfristigen Masterplan gemacht, um eine Trilogie zu schreiben. Mit der Konsequenz, dass schon nach dem zweiten Roman im Grunde genommen alles Relevante gesagt ist und viele, viele Seiten geschunden wurden.
Gelegentlich unterhaltsam, das ist nicht zu bestreiten, aber eben nicht so konsequent durchgeplant, dass man hier von einer gut strukturierten Geschichte sprechen könnte. Die Handlungsführung ist vielfach unrealistisch verengt, Handlungsoptionen werden nicht weiter verfolgt, künstliche Hürden aufgebaut und umgehend wieder zurückgebaut … wirklich, gegen Ende des Romans war ich arg genervt.
Wem das nach einem ziemlichen Verriss klingt, der sollte sich vielleicht selbst mal ein Bild machen. Möglicherweise gehe ich mit der Autorin ja zu harsch ins Gericht, das ist nicht undenkbar. Aber ich bleibe durchaus bei meiner Ansicht, dass dies eine Lektüre ist, die ich im Rückblick nicht als angenehm und „rund“ in Erinnerung habe …
Verbotene Erfüllung
(OT: Knight & Stay)
Von Kitty French
Lyx (keine Verlagsnummer!), Januar 2015
304 Seiten, TB
ISBN 978-3-8025-9540-0
Aus dem Englischen von Nele Quegwer
Eine Frau zwischen zwei Männern … eine altbekannte Geschichte, deren Variationsbreite recht gut dokumentiert ist. Der eine Mann ist Sophie Blacks Ehemann, der andere ihr neuer Chef und zugleich ein unverschämt gut aussehender norwegischer Unternehmer, der in London lebt und ihr Blut zum Sieden bringt. Als Sophie merkt, dass ihr Ehemann Daniel sie seit Jahren mit einer anderen Frau betrügt und ihre Ehe immer mehr in Routine und Gleichgültigkeit zu erstarren beginnt, öffnet sie sich mutig, wenn auch im Herzen immer noch zaudernd, den Avancen von Lucien Knight, dem erfolgreichen Unternehmer, der in Europa eine Vielzahl von erotischen Nachtclubs betreibt und zudem eine breite Palette immer stärker nachgefragten Liebesspielzeugs anbietet.
Lucien entführt sie nach Norwegen auf ein mondänes Anwesen und erweist sich als phantastischer Liebhaber, der ihre schlummernde Libido zu heller Glut entfacht und ihren Körper zu neuem Leben erweckt. Noch nie hat sie sich so lebendig gefühlt und zugleich so zerrissen. Als Lucien sie zudem noch mit handfesten fotografischen Beweisen für die Untreue ihres Gatten konfrontiert, überspannt er aber den Bogen. Er, der niemals mehr als unverbindliche Sexabenteuer will und Sophie keinerlei Versprechungen machen will, hat im Sinn, dass dieses Wechselbad aus Emotionen und Zorn, das er in ihr entfacht, sie stählen soll für die – in seinen Augen notwendige – Auseinandersetzung mit ihrem untreuen Ehemann nach ihrer Rückkehr nach England. Stattdessen sorgt er quasi für Sophies emotionale Vernichtung.
Tatsächlich geschieht die Begegnung auf den letzten Seiten des ersten Romans „Verbotene Versuchung“, doch die wirkliche Konfrontation findet dann erst auf den ersten Seiten dieses Nachfolgeromans „Verbotene Erfüllung“ statt, wo die beiden Männer aufeinanderprallen und Sophie Daniel des Hauses verweist … und Lucien desselben! Statt sich nun für eine Weiterbeschäftigung in seinem Unternehmen zu entscheiden, lässt ihr verwundetes Herz das nicht zu, und sie kehrt desillusioniert und nach einer Zeit finsterer Verletzung in ihre alte Firma zurück. Hier wird prompt ihr vormals schon übergriffiger Chef noch unverschämter und fördert Sophie Blacks Entschluss, sofort auch hier wieder zu flüchten.
Was also nun?
Ihr Mann ist des Hauses verwiesen, zurück zu seiner Geliebten Maria, der er ja im Geheimen schon drei Jahre die Treue gehalten hat. Und der Mann, dessen erotische Finessen Sophie lieben gelernt hat, Lucien Knight, erweist sich als eine stete Anfechtung, doch er kann und will ihr keine Zukunft versprechen.
Als sie also nun in Luciens Firma zurückkehrt (als gäbe es in England nur zwei Firmen, in denen sie tätig werden kann! Diese Einschränkung ist höchst künstlich, wird aber nirgendwo auch nur eine Sekunde lang hinterfragt!), macht sie kategorisch klar, dass eine „Freundschaft mit gewissen Extras“ nicht mehr zur Diskussion steht. Kein Flirten mehr, keine Berührungen, nichts dergleichen. Nur unter diesen Bedingungen will sie weiter mit ihm arbeiten.
Es erweist sich für beide Seiten als Qual. Lucien, der sogar aktiv versucht, sich nicht von seiner Erinnerung blenden zu lassen, die ihn mit Sophie verbindet, sondern tatsächlich anderen Frauen zuzuwenden bemüht, stellt frustriert fest, dass es ihn, der sonst immer so promiskuitiv war, beim besten Willen nicht erregt, mit irgendeiner anderen Gespielin zusammen zu sein – weil er immer nur an sie denken kann. Und Sophie, die sich dem Kontakt verweigert, spürt doch, wie die Anziehung Luciens immer stärker an ihr zerrt. Das ist umso peinigender, als Daniel zwischendurch Anstrengungen macht, zu ihr zurückzukehren – und über die vergangenen drei Jahre der Untreue einfach so hinweggehen möchte, als hätte es sie nie gegeben.
Das ist nun die völlig falsche Strategie, und das muss er alsbald auch entdecken.
Sophie dagegen beschließt schlussendlich, bewegt von ihrer besten Freundin Kara Brookes (deren Nachnamen man übrigens ärgerlicherweise erst im dritten Band erfährt!), als eine gemeinsame Dienstreise mit Lucien ansteht, doch noch eine letzte erotische Achterbahnfahrt mit ihrem Chef in Paris zu wagen. Was in Paris geschieht, bleibt in Paris, glaubt sie. Sie hat sich aber noch nie in ihrem Leben so geirrt …
Der zweite Band der Trilogie um Sophie Black und Lucien Knight, den Kitty French geschrieben hat, liest sich zwar ebenfalls sehr rasant, aber er enttäuscht doch in vielerlei Hinsicht. Es zeigt sich, dass die Autorin zwar einige Raffinesse im Beschreiben opulenter Liebesszenen besitzt und unbestreitbar schön variierende Phantasie in dieser Beziehung, dass darüber hinaus die Handlung aber kategorisch vernachlässigt wird. Das spürt man sehr bald unschön.
Die Geliebte Daniel Blacks etwa, Maria, bleibt die ganze Zeit über beide Romane ein nachnamenloser, blasser Schatten ohne eigene Person am Rande der Wahrnehmung, eine reine Statistin. Daniel selbst, der untreue Ehemann, ist ebenfalls eher eine Abziehfigur, die vom blanken Klischee nicht weit entfernt ist und quasi kaum eine Rolle spielt. Zudem hat man gerade bei ihm das Gefühl, dass die Autorin im zweiten Band ab der Hälfte des Romans plötzlich brüsk die Handlungsführung geändert hat.
Warum? Weil Daniel ankündigt, er werde um Sophie kämpfen und auch den Kampf gegen Lucien persönlich aufnehmen … na endlich, denkt man, endlich kommt ein wenig Konflikt in die Geschichte! Aber es bleibt vollständig bei dieser vollmundigen Erklärung. Danach taucht der Ehemann überhaupt nicht mehr auf! Stattdessen überrascht das Ende des Romans den Leser mit einer Ehegemeinschaft zwischen Lucien und Sophie und einer kleinen gemeinsamen Tochter.
Hallo?, dachte ich doch einigermaßen überrumpelt. Ich denke, wir sind im zweiten Teil einer Trilogie! Wo ist denn der dramatische Übergang zum dritten Teil? Könnt ihr vergessen, es gibt ihn nicht. Konflikte in diesem Roman, die über die rein emotionale Ebene hinausgehen? Fehlanzeige. Das „Dramatischste“ ist noch die Sache mit Luciens Vater, aber auch dieses „finstere Geheimnis“, das angeblich ihre (vermeintlich gar nicht existierende) Beziehung bedrohen könnte, auch dieses Geheimnis löst sich quasi in heiße Luft auf wie so vieles, was an Lucien bisher so rätselhaft war und wo er kategorisch bei Nachfragen mauerte.
Eigentlich zeigt das alles aber nur, dass die Verfasserin der Romane mit wirklich dramatischen Geheimnissen oder ernsten Komplikationen nicht umgehen kann und sie auch nicht darstellen mag. So bleiben zwar sehr erotisch explizite Romane zurück, die sich durchaus anregend lesen lassen. Aber Tiefgang braucht man nicht zu erwarten, über seichte Liebesromane gehen sie nicht wirklich hinaus.
Der Autorin geht also tatsächlich bereits nach dem zweiten Band der Trilogie die Luft aus, was man nicht zuletzt auch am deutlich geringeren Umfang dieses Romans spürt. Und um was geht es dann im dritten Band, wenn hier schon alles gesagt ist? Nun, um Sophies beste Freundin Kara, die bislang eine reine (nachnamenlose!) Nebenperson war und die dann biografisch und erotisch-emotional natürlich auch noch zum Happy End gebracht werden soll. Weil es sonst ja nichts mehr zu erzählen gibt. Seufz!
Ernsthaft, vom vorliegenden Roman war ich dann doch reichlich enttäuscht. Die Verfasserin versteht es wirklich nicht, dramatische Handlungsstrukturen aufzubauen und sie so über drei Romane zu verteilen, dass sie sich stetig steigern. Alles ist letztlich sehr, sehr durchsichtig und romantisch-optimierend angelegt. Wer im Sommerurlaub also Langeweile haben sollte und sich nichts Besseres als leicht erregende Lektüre vorstellen kann, um total von der Normalität abzuschalten und sich in rosarote Träume zu versenken, der kann zu dem Buch greifen. Allen anderen würde ich davon dann doch (leider) eher abraten. Es gibt wirklich auch intelligentere erotische Romane.
Eher aus Pflichtbewusstsein werde ich mir den dritten Teil auch noch antun, aber ich gebe freimütig zu, dass ich davon keine fundamental neuen oder revolutionären Erkenntnisse erhoffe. Vielleicht werde ich ja positiv überrascht, auch wenn ich da deutliche Skepsis anmelde …
© 2019 by Uwe Lammers
In der kommenden Woche kommen wir dann zu etwas vollkommen anderem, nämlich zu einem kritischen Sachbuch jüngeren Datums, das sich mit Gegenwartspolitik und der Zukunft der Welt befasst. Und ich merke schon mal an, dass ich, als ich dieses Buch im Freundeskreis positiv hervorhob, doch einigen Gegenwind erhielt … ich denke, das macht schon mal neugierig auf das, was ich euch nächstens vorstellen werde.
Bis nächste Woche, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.