Rezensions-Blog 228: Teufelstor

Posted August 7th, 2019 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ja, die Romane von Clive Cussler & Konsorten bilden schon den Inhalt ganzer Regalfächer, dessen bin ich mir durchaus bewusst, und es scheint keinerlei Mangel daran zu herrschen, immer weitere solche Abenteuerromane in die Bestsellercharts zu hieven. Das wird auch höchstwahrscheinlich so weitergehen, selbst wenn der hoch betagte Cussler nicht mehr da ist – wir kennen analoge Phänomene von Tom Clancy und Robert Ludlum zur Genüge.

Besonders interessant wird es meines Erachtens dann, wenn bestehende ältere Protagonisten von einem neuen Coautor betreut werden sollen. Bei den Fargos ist das eher schlecht als recht gelungen, wie mir zurzeit scheint, aber im Fall von Kurt Austin und seinem Sidekick Joe Zavala klappt das deutlich besser. Mit dem vorliegenden Roman übernimmt Graham Brown den Staffelstab von Paul Kem­precos, und ich bin der Ansicht, er macht seine Sache recht ordentlich… auch wenn zu konstatieren ist, dass er doch die Libido der Protagonisten durchweg völlig unterkühlt und damit wohl Cusslers und seine eigene Libido munter auf viel jüngere Haupthandlungsträger projiziert. Vielleicht braucht Cussler mal echt JUNGE Coautoren, damit da wieder etwas mehr Lebendigkeit eintritt.

Ansonsten haben wir es bei Brown mit einem versierten Actionautor zu tun, der den Vergleich mit Kemprecos nicht zu scheuen braucht. Mir hat sein Erstling je­denfalls gut gefallen, nicht zuletzt, weil er auch explizite Science Fiction-Ele­mente mit einbindet (nicht nur in diesem Roman, wie noch zu zeigen sein wird).

Neugierig geworden? Dann mal Vorhang auf für:

Teufelstor

(OT: Devil’s Gate)

Von Clive Cussler & Graham Brown

Blanvalet 38048

April 2013, 9.99 Euro

576 Seiten, TB

Übersetzt von Michael Kubiak

ISBN 978-3-442-38048-0

Alles beginnt auf den Azoren im Jahre 1951 – und wie gewohnt bei Cussler in ziemlich dramatischer Manier. Pilot Hudson Wallace wartet auf einen Passagier und sein Gepäck – einen Exilrussen, verfolgt vom sowjetischen Geheimdienst. In allerletzter Minute kann Wallace sein Flugzeug starten, doch ist es beschädigt und kommt nicht sehr weit. Die See nahe den Azoren verschlingt die Lockheed Constellation, und niemand erfährt, was in den geheimnisvollen Koffern an Bord gewesen ist.

Sechzig Jahre später verschwindet in der Schweiz unter ähnlich dramatischen Umständen der Techniker Alexander Cochrane, der am Large Hadron Collider (LHC) des Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire (CERN) gearbeitet hat. Seine Spur verliert sich vollständig, allerdings wird er seither wegen Mordes in­ternational gesucht.

Ein weiteres Jahr später durchpflügt der japanische Frachter Kinjara Maru den Atlantik vor der westafrikanischen Küste in Richtung Gibraltar. Doch das Schiff unter Kapitän Heinrich Nordegrun soll sein Ziel nie erreichen. Auf unbegreifliche Weise schlägt ein verheerendes Unheil zu. Die Elektronik des Schiffes fällt aus, die Besatzung, sofern sie nicht auf der Stelle tot ist, erleidet grässliche organi­sche Schäden, ist desorientiert und geschwächt. Stundenlang treibt das führer­lose Schiff im Meer.

Es ist von gewissem Vorteil, dass das NUMA-Schiff Argo zu diesem Zeitpunkt in der Nähe ist. Kurt Austin und sein Freund Joe Zavala wollen auf den Azoren an einem internationalen U-Boot-Rennen teilnehmen, das ähnlich dem X-Price-Rennen um wieder verwendbare Raumfahrzeuge angelegt ist. Austin sichtet eher zufällig das in Brand geratene Frachtschiff und kann gerade noch rechtzei­tig kommen, um Zeuge eines Piratenüberfalls zu werden. Dem Hauptverant­wortlichen für die Tat gelingt aber die Flucht, die Kinjara Maru geht unter und sinkt in die Tiefsee ab.

Da das alles etwas rätselhaft ist und hinter der Versenkung und vorherigen Ka­perung mehr zu stecken scheint, setzt NUMA-Direktor Dirk Pitt ein zweites Team in Marsch, in dem die Wissenschaftler Paul und Gamay Trout federfüh­rend sind, die das Wrack des versunkenen Frachters untersuchen sollen. Dass sie dabei in der Tiefsee abrupt in Lebensgefahr geraten, ist anfangs noch nicht klar, doch exakt so kommt es.

In Lebensgefahr geraten auch Austin und Zavala bei den Azoren – denn wäh­rend des U-Boot-Wettrennens stoßen sie auf eine monströse magnetische Ano­malie, einen scheinbar völlig aus Magneteisen bestehenden untermeerischen Turm, um den herum sich ein Fahrzeugfriedhof von Flugzeugen und Schiffen ausbreitet. Darunter, interessanterweise, eine amerikanische Lockheed Constel­lation, die erstaunlich gut erhalten zu sein scheint, die angezogen wurde, ob­gleich sie mehrheitlich aus Aluminium besteht…

Die unheimliche Anomalie lockt begreiflicherweise internationale Wissen­schaftler auf die Azoren, die den vermeintlichen sensationellen neuen Supralei­ter genauer unter die Lupe nehmen wollen. Unter ihnen befindet sich auch die russische Physikerin Katarina Luskaja, die allerdings einen Zusatzauftrag hat.

Und sie alle geraten jählings ins Visier eines Killertrupps, der verhindern soll, dass die Anomalie, „Teufelstor“ genannt, genauer in Augenschein genommen wird. Warum das jedoch passiert, das hat mit einem größenwahnsinnigen west­afrikanischen Despoten zu tun, der mit Hilfe einer bis zum Schluss unterschätz­ten Superwaffe weltweiten Terror verbreiten möchte – und es sieht ganz so aus, als würde exakt das gelingen. Der Countdown läuft, und es ist nur noch eine Frage von Minuten, bis eine der Kapitalen der Welt ins vollständige Chaos ge­stürzt wird. Allein ein einzelner Mann scheint das noch verhindern zu können…

Natürlich kennt man Clive Cussler-Romane, die stets zuverlässig demselben Strickmuster folgen – man nehme ein Geheimnis der Vergangenheit, vermische es mit einer zumeist weltweiten Bedrohung durch größenwahnsinnige Kriminel­le, würze es mit Abenteuersituationen an exotischen Locations, aufregend schö­nen Frauen und etwas Luxus und trockenem Humor… und schon hat man den nächsten Bestseller für die New York Times-Bestsellerlisten. Cussler lebt gut davon, schon seit Jahrzehnten.

Schwierig wird es allerdings dann, wenn die Coautorenschaft wechselt und alt­bekannte Helden auf einmal von einem neuen Verfasser geschildert werden sollen. So geschah das hier – nachdem Paul Kemprecos acht Kurt Austin-Roma­ne geschrieben hatte, endete aus Gründen, die mir unbekannt sind, die Zusam­menarbeit. Die beiden neuen NUMA-Agenten verfügten aber höchstwahr­scheinlich bereits über eine solche „Fanbase“, dass es erforderlich wurde, einen neuen Coautor für weitere Abenteuer zu akquirieren. Mit dem leidenschaftli­chen Piloten Graham Brown, der zudem wissenschaftliche Aspekte in seinen Romanen profund und packend einzuarbeiten versteht, wurde ein solider Nach­folger gefunden. Sowohl die Flugzeugszenen wie auch die Handlung rings um Supraleiter und Teilchenbeschleuniger machen einen höchst kompetenten Ein­druck.

Man kann wirklich sagen, dass der Roman definitiv nicht langweilig wird. Kri­tisch zu bemerken ist freilich, dass der Hintergrund des schwelenden Streits zwischen Kurt Austin und dem Söldner Andras, der lange Zeit nur vage zu erah­nen ist, erst recht spät aufgeklärt wird. Das hätte man sicherlich schon etwas zeitiger tun können. Woran man dann auch sehr deutlich sieht, dass es ein mo­derner amerikanischer Roman ist, das ist die völlige Unterbelichtung von Erotik. Die einzige relevante Beziehung, die im Roman eine Rolle spielt, ist die zwi­schen Kurt Austin einerseits und Katerina Luskaja andererseits… besonders pi­kant natürlich, weil zwischen „Klassenfeinden“, selbst jenseits des Kalten Krie­ges. Da hätte man sich als Leser durchaus mehr erwartet. Vielleicht gelingt es Brown ja in seinen Folgeromanen, das weibliche Element und die Erotik ein we­nig stärker zu akzentuieren. Hier wirkt es an vielen Stellen so, als sei er gewis­sermaßen verlagsseitig daran gehindert worden, mehr in die Tiefe zu gehen (ah, eine pikante Formulierung, das ist mir bewusst). Frühere Cussler-Romane wa­ren da durchaus nicht so keusch wie dieser hier.

Ansonsten aber ist wohl der einzige ernsthafte Kritikpunkt, dass der Titel des Romans im Original wie in der Übersetzung etwas unglücklich gewählt ist. Denn gerade das „Teufelstor“ spielt für den Gesamtkontext des Romans eine durch­aus sehr unterdurchschnittliche Rolle und ist lange nicht so zentral wie sugge­riert.

Nach diesem Erstling von Graham Brown kann man jedenfalls sehr gespannt auf die weiteren Werke dieser Reihe aus seiner Feder sein. Es gibt wenigstens noch drei weitere, von denen ich Kenntnis habe – beizeiten werden sie rezensiert werden. Dieser hier ist absolut empfehlenswert für kurzweilige, spannende Un­terhaltung. Ich habe ihn in nur fünf Tagen verschlungen, und das spricht für sich.

© 2016 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche reisen wir dann wieder ein paar Realjahrzehnte zu­rück und schauen uns eine Storysammlung aus dem Bereich der Science Fiction an, die uns in fremde Welten führt, die uns doch so vertraut sein sollten. Aber sie sind es definitiv nicht. Warum? Das erfahrt ihr in der kommenden Woche.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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