Rezensions-Blog 260: Persische Nächte

Posted März 17th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wenn man sich anfangs in diesem Roman in einem orientalischen Märchen wähnt, so kommt das definitiv nicht von ungefähr, und auch der Titel des Ro­mans passt ausgezeichnet zum Inhalt. Dies ist besonders bei explizit erotischen Romanen definitiv nicht immer der Fall. Manchmal führen Titel und Klappentex­te ausdrücklich ziemlich auf Abwege und verringern so das Fenster der Auf­merksamkeit für die eigentlich intendierte Zielgruppe. An mir kam der Roman nicht vorbei, weil ich ohnehin die Erotik-Reihe von Bastei seit vielen Jahren fest im Blick habe.

Zunächst denkt man – wie die weibliche Hauptperson – in der Tat an übernatür­liche Wesenheiten und Sukkubi, die in Erscheinung treten. Die Wahrheit sieht völlig anders und vor allen Dingen sehr viel grausamer aus. Wer immer von Ala­mut und dem Alten vom Berge gehört hat, tut gut daran, dieses Wissen bei der Lektüre des vorliegenden Werkes ins Gedächtnis zurückzurufen. Denn neben der Liebesgeschichte hierin, die durchaus obsessive Züge annimmt, geht es recht wesentlich um Politik, Intrigen und dynastischen Verrat. Das erwartet man dann unter diesem Titel eher nicht.

Worum es genau geht? Nun, schaut es euch an:

Persische Nächte

von Jasmine Eden

Bastei 16724

176 Seiten

März 2013

Shahira ist eine junge Perserin und ein einfaches Mädchen vom Land, das in ei­nem namenlosen Dorf ein eher schlichtes und tristes Leben führt. Wiewohl bildhübsch und von vielen Männern begehrlich beobachtet, sieht es doch so aus, als werde sie keinen Ehemann finden – der Grund dafür liegt in der Armut ihrer Eltern und in den Umständen jener Zeit, in der sie lebt. Wir befinden uns irgendwann in der Blütezeit der arabischen Kultur, ohne dass jemals ein konkretes Zeitfenster genannt wird. Mutmaßlich handelt es sich etwa um das 12. Jahrhundert.

Shahiras Leben ändert sich grundlegend, als sie eines Nachts Besuch von einem maskierten Mann bekommt, der ihr entschlossen einen scharfen Dolch an die Kehle legt – es handelt sich ganz offensichtlich um ein Fabelwesen, um einen so genannten Djinn, den sie „Nachtgeist“ nennt … denn wiewohl es sein Bestreben ist, sie zu töten, verzaubert Shahira ihn mit ihrer Erscheinung so sehr, dass er stattdessen mit ihr schläft, nie gekannte sinnliche Wonnen in ihr auslöst und ihre Jungfräulichkeit raubt. Anschließend entschwindet er wie ein Traum in die Nacht.

Er sucht sie noch häufiger auf und bereitet der jungen Frau berauschende Lie­beswonnen. Doch als sie schon bereit ist, ihm ihr Leben hinzugeben, wenn es das ist, was er wünscht, da zögert der Djinn … und stattdessen mäht der Tod Shahiras gesamtes Dorf dahin. Die verzweifelte Perserin und ihr rätselhafter Ge­liebter entgehen dem Verhängnis mit knapper Not.

Das Herz der Finsternis, dessen Ausläufer Shahiras Leben beeinflusst, ist die so genannte „Bruderschaft der Namenlosen“, die aus einer verborgenen Bergfes­tung agiert und den Sturz des Kalifen in Isfahan anstrebt. Und Shahiras „Nacht­geist“ erweist sich als einer der Assassinen des Bundes, darauf eingeschworen, zu töten und niemals zu lieben. Mehr noch: das, was er am meisten liebt, ist das, was er zu töten hat, um überhaupt Teil der Bruderschaft werden zu kön­nen. Aber die Liebe findet immer einen Weg, diejenigen zusammenzuführen, die zusammengehören …

Tausendundeine Nacht ist eine Sammlung von Märchen und Legenden aus dem arabischen Sprachraum. Sie besticht durch farbenprächtige Settings, leiden­schaftliche Liebesgeschichten und Abenteuer … indes ist ein Aspekt des mensch­lichen Lebens dabei eher zurückhaltend ausgedrückt, und man muss in den Tausenden von Seiten dieses Werkes mitunter mühsam suchen, um ihn zu fin­den: den Ausdruck weiblicher Sexualität. Das ist natürlich den moralischen Sit­ten und Normen sowohl des arabischen Raumes wie auch der Auswahl der Übersetzer geschuldet. Die meisten Übersetzungen dieses Werkes sind nicht modernen Ursprungs, sondern wurzeln im 18. und 19. Jahrhundert. Und es ist allgemein bekannt, dass die Schriften jener Zeiten – von Ausnahmen abgesehen – erotisch eher unterkühlt waren.

Jasmine Eden dreht in ihrem in der Bastei Erotik-Reihe erschienenen Werk „Per­sische Nächte“ die Lage grundlegend um, und auch hier handelt es sich um ei­nen Ausfluss der Zeitumstände. Hier kommt der Erotik explizit die Vordergrund­rolle zu, wenn auch nicht so detailliert und intensiv wie etwa in den Romanen des Verlags „Plaisir d’Amour“. Gleichwohl ist die Liebesgeschichte zwischen dem „Nachtgeist“ Kian und seiner Shahira eine nette Abwechslung, die eher zu den sanfteren Geschichten des erotischen Genres gerechnet werden kann.

Interessant wird sie weniger durch die Erotik darin als vielmehr durch das Set­ting. Wenngleich die Rahmenstruktur der Geschichte eher diffus bleibt, was bedauerlich ist – was sie aber mit „Tausendundeine Nacht“ definitiv gemein­sam hat – , so sind die Strukturelemente überraschend für einen erotischen Ro­man. Letztere neigen in der Regel dahin, einen starken Tunnelblick auf die zen­tralen Personen und explizit die physischen Interaktionen zu legen. Davon kann im vorliegenden Buch nicht die Rede sein. Hier lernt man – flüchtig – das Dorf­leben im Persien des Mittelalters kennen. Man wird Zeuge von Mord und Tot­schlag, von Seelenqual und menschlichem Verlust, von Not und Entbehrung, von Intrigen und politischen Ränken. Etwas, was man üblicherweise mehr in Abenteuerromanen oder Abenteuerfilmen a la „Die Maske des Zorro“ oder „Fluch der Karibik“ erwarten würde.

Auch die gezielte Dekonstruktion des magischen Anfangsmoments geschieht re­lativ schnell und gründlich. Und die Autorin bedient sich dazu noch aus dem Baukasten der historischen Überlieferung. So spielen die Assassinen des „Alten vom Berge“, Hassan-i-Sabahs (ab 1090 christlicher Zeitrechnung) eine Rolle, in­klusive der Berauschung durch Haschisch und einer orgienhaften Szene, die dann, ebenfalls untypisch für erotische Romane, in einem Blutbad endet.

Das Buch ist erstaunlich schnell ausgelesen – ich habe dafür keine zwei Tage ge­braucht, und ich hatte wenig Zeit. Sonst wäre es vermutlich bei einer 1-Tag-Lek­türe geblieben. Das spricht definitiv für die Autorin. Für Folgeromane wäre ihr indes zu wünschen, dass sie die Geschichte etwas klarer zeitlich lokalisiert und etwas mehr von schematischer Personenzeichnung absieht. Die Handlung ist leider mehrheitlich recht schnell transparent, und wirkliche Komplexität ist le­diglich angedeutet, aber nicht ausgeführt.

Dennoch fand ich den Roman sehr angenehm zum Lesen, besonders für solche Freunde erotischer Literatur, die es gern etwas sanfter mögen und sich zudem von exotischem Setting verzaubern lassen möchten. Der Roman ist definitiv eine Entdeckung wert.

© 2017 by Uwe Lammers

Und damit machen wir dann in der kommenden Woche einen weiteren brüsken Zeit- und Raumsprung. Ab in den hohen Norden und in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts zu Clive Cussler & Co. Um welchen Roman es sich dann konkret handelt? Das erfahrt ihr nächste Woche an diesem Ort.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Leave a Reply

XHTML: You can use these tags: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>