Rezensions-Blog 525: Das Panama-Attentat

Posted September 10th, 2025 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

zeitgleich mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs, also Anfang August 1914, wurde der Panama-Kanal fertiggestellt. Ich musste im Nachgang zu diesem Roman erst einmal Näheres recherchie­ren und fand heraus, dass die offizielle Einweihungsfeier erst mehrere Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs stattfand. Histo­risches Wissen, das ich ohne diesen Roman vermutlich nicht re­cherchiert hätte.

Mit der vorliegenden Geschichte verlässt der Detektiv Isaac Bell für den Großteil der Handlung das amerikanische Stammland und hat sich in der Region der Welt durchzuschlagen, die wir später „Dritte Welt“ nannten, und er hat es hier mit zahlreichen Unwägbarkeiten direkt im Vorfeld der Fertigstellung des Pana­ma-Kanals zu tun, die äußerst strapaziös sind … manche davon erweisen sich aber auch als äußerst allgemein verbreitet. Da wäre etwa Korruption, käufliche Polizisten, Attentäter und Hin­terhalte … aber die Mischung macht es definitiv, und an man­chen Stellen der Geschichte wird die Luft für den findigen De­tektiv wirklich arg dünn.

Ich fühlte mich an manchen Stellen an halsbrecherische Verfol­gungsjagden a la James Bond erinnert, an anderen wiederum an die turbulente Action, die man von anderen Cussler-Helden wie Dirk Pitt kennt … in jedem Fall musste ich mich immer etwas zü­geln, nicht den Roman sofort zu verschlingen und alle anderen Aufgaben sein zu lassen. Was, wie ihr mich kennt, durchaus ein Indiz für eine packende Story ist.

Vertraut meinem Urteil: genau das erwartet euch. Schaut es euch am besten selbst mal näher an. Gerade als jemand, der sich ein wenig für die Politik im Vorfeld des Ersten Weltkriegs in­teressiert, ist das eine aufschlussreiche Lektüre. Und alle ande­ren können mit Isaac Bell Verbrecher jagen … oder Geister, je nachdem, wie man die Sache sieht.

Was das heißt? Schön weiterlesen, Freunde …!

Das Panama-Attentat

(OT: The Saboteurs)

Von Clive Cussler & Jack du Brul

Blanvalet 1056

512 Seiten, TB, 2021

Übersetzt von Wolfgang Thon

ISBN 978-3-7341-1056-6

Wenn revolutionäre Veränderungen Schifffahrtswege dauerhaft ändern, gibt es traditionell Gewinner und Verlierer. In der Regel denken wir darüber als Nachgeborene wenig nach, aber in den Tagen, in denen diese Veränderungen stattfinden, entwickelt sich der Raum für Gegner solcher Neuerungen, und es gibt Platz für Verschwörungen, um das Alte beharrlich zu verteidigen. So geschieht es – suggeriert wenigstens dieser Roman, der in die­sem Punkt vermutlich etwas dramatisierend reale Entwicklun­gen übersteigert – in jenen Tagen, als sich im Jahre 1913 die Fertigstellung des Panama-Kanals nähert.

In Buenos Aires treffen sich Argentinier und deutsche Industriel­le, um einen Plan zu entwickeln, den Kanalbau zu vereiteln oder mindestens deutlich zu verzögern. Gerade im Vorfeld des Ersten Weltkriegs, der schon finster am Horizont dräut, ist das für ei­nen Historiker wie mich ein faszinierendes Setting, das beson­deren Reiz entfaltet hat. Wie genau läuft das also ab, und was hat Jack du Brul nach den personellen Vorgaben von Clive Cuss­ler daraus für ein Abenteuer erschaffen?

Man schreibt das Frühjahr 1914, als Isaac Bell, der Chefermittler der Van Dorn-Agency, nach San Diego beordert wird, um dort den Senator von Kalifornien, William Densmore, zu schützen. Densmore, aus wirtschaftlichen Gründen ein starker Befürworter des Panama-Kanalprojekts, das die kalifornischen Häfen aufblü­hen lassen soll, trifft sich dort mit dem Abenteurer Major Court­ney Talbot. Dieser will den Senator davon überzeugen, dass das Kanalprojekt durch eine einheimische Terrorgruppe, die Viboras Rojas, ernsthaft gefährdet wird. Diese würden von sozialisti­schen Gedanken geleitet und würden zunehmend antiamerika­nische Stimmung verbreiten und auch vor Attentaten nicht zu­rückschrecken.

In der Diskussion sind sie gerade soweit gekommen, als eine Gruppe Angreifer das Hotel stürmt und mit einem schweren tragbaren Maschinengewehr ein Attentat auf den Senator ver­übt! Isaac Bell kann zwar das Schlimmste verhindern, aber allen wird durch diesen Zwischenfall mit zahlreichen Toten zuneh­mend klar, dass diese Terroristen nicht ein reines Gespenst dar­stellen, sondern offenbar handfeste Realität sind.

Talbot reist nach Panama, um dort George Washington Goethals, den Leiter der Panamakanalbehörde zu überzeugen. Isaac Bell macht sich dorthin ebenfalls auf den Weg … und wird von seiner hartnäckigen Ehefrau Marion begleitet, mit der er sich ei­gentlich ein paar schöne Tage in San Diego machen wollte. Sie kann wirklich sehr überzeugend sein, auch wenn Bell das zu­nehmend mit Sorge erfüllt … diese Sorge erweist sich bald als äußerst berechtigt.

In Panama angelangt treffen sie mit verschiedensten Personen zusammen, etwa den Mitgliedern von Talbots Team, das er schon zusammengetrommelt hat, mit Offiziellen der Baufirmen, die an dem gigantischen Projekt des Kanals tätig sind, mit ei­nem argentinischen Ingenieur, einem Schweizer Geschäftsmann und anderen Individuen, die für Bell unkalkulierbare Rollen spie­len. Er weiß, dass irgendwer hier der Mastermind hinter den Vi­boras Rojas, den Vipern, sein muss, und als er von Sprengstoff­diebstählen hört, wird ihm zunehmend klar, dass die Gerüchte, die Talbot aufgeschnappt hat, nicht aus der Luft gegriffen sind. Antiamerikanische Kommentare bekommt er von vielen Leuten vor Ort zu hören, und Talbots Behauptungen gewinnen zuneh­mend an konkreter Substanz. Der Verdächtigen gibt es also wirklich mehr als genug.

Und dann fangen die Sabotageaktionen an. Zahlreiche Men­schen sterben, die Bauarbeiten geraten partiell ins Stocken … und die Tatsache, dass Panama-Stadt einerseits und die Kanal­zone andererseits zwei getrennte Territorien mit unterschiedli­chen Befugnissen sind, erleichtert die Angelegenheit ebenso wenig wie das schwülheiße, regenreiche Klima, das Bell sehr auf die Kondition schlägt. Noch schwieriger wird es, als der Gegner, dem der Detektiv zunehmend zu nahe kommt, anfängt, seiner­seits die Daumenschrauben anzuziehen und korrupte Polizisten und Attentäter auf ihn loslässt.

Während Isaac Bell noch versucht, das Dickicht der Verschwö­rung zu durchdringen, schwebt er unvermittelt in Lebensgefahr – und seine Frau ebenfalls …

Ich habe mir zwar Zeit gelassen mit der Lektüre des Romans (insgesamt sechs Tage), aber die letzten 170 Seiten schmökerte ich buchstäblich in einer Nachtaktion weg, weil ich nicht mehr herauskam. Es ist aber auch wirklich ein beeindruckendes Garn, das besonders durch die monumentale Schilderung des Culebra Cut und des Kanalbaus insgesamt sehr beeindruckt. Wenn man heutzutage die Anlage des Panama-Kanals anschaut, macht man sich kaum ein Bild von der unmenschlichen Arbeitsleis­tung, die damals vollbracht wurde … das macht dieses Buch wirklich äußerst anschaulich klar. In diesem unübersichtlichen Terrain dann Saboteurjagd unter tropischen Verhältnissen zu schildern, packt den Leser einfach zusätzlich. Und dann zu erle­ben, dass die Gegner Isaac Bells äußerst verschlagene, heimtü­ckische Individuen sind, die weit voraus denken, macht die Sto­ry noch aufregender.

Besonders interessant fand ich jene raffinierte Volte gegen Schluss, als Bell Goethals von einem Faktum zu überzeugen suchte, mit dem er die ganze vorherige Romanhandlung schein­bar auf den Kopf stellte. Man stelle sich nämlich einfach nur mal vor, man hat es mit Saboteuren und Mördern zu tun, sieht die Leichen und Zerstörungen … und hört dann davon, dass es die­se Leute gar nicht geben soll?! Da zweifelt nicht nur Goethals an Bells Geisteszustand (und, zugegeben, zu dem Zeitpunkt, da Bell dies behauptet, leidet er unter Amnesie und ist nicht ganz zurechnungsfähig).

Was daran stimmt und was nicht, das stellt sich erst ziemlich spät heraus. Aber auf eine beeindruckende Art und Weise. Ob­wohl diesmal der Übersetzer gewechselt worden ist und der Ro­man insgesamt kürzer ausfällt als sonst üblich, ist zu konstatie­ren, dass der zwölfte Roman um Isaac Bell den Leser außeror­dentlich packt. Diesmal vielleicht noch mehr, als wenn er im ge­wohnten Setting mit zahlreichen Van Dorn-Agents in den USA spielen würde (was ebenfalls seinen Reiz hat). Hier ist Bell mehrheitlich auf sich gestellt und hat nahezu die ganze Welt ge­gen sich. Das zu lesen, hat wirklich großen Spaß gemacht.

Klare Leseempfehlung!

© 2025 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche kommt dann wieder ein wenig deut­lich seichtere, nicht so melodramatische oder mörderische Kost, wir suchen mal wieder das Restaurant „Sugar & Spice“ auf und verfolgen eine dritte erotische Verkupplungsgeschichte.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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