Liebe Freunde des OSM,
nachdem wir in der vergangenen Woche einer erotischen Geheimgeschichte auf der Spur waren und uns eher in vergleichsweise zivilem Setting aufgehalten haben, kann man davon in diesem Fall bei dem vorzustellenden Buch nicht mehr sprechen. Hier geht es um sehr manifeste Bedrohungen für die gesamte Erde.
Nun haben wir es wieder einmal mit dem bewährten NUMA-Team um Kurt Austin und Joe Zavala zu tun, die einem Notruf einer einstmaligen Kollegin nachgehen. Und, wie kaum anders zu erwarten ist, landen sie sofort in Lebensgefahr nahe dem südlichen Kältepol des Planeten. Doch wenn es nach den Personen geht, die hinter der titelgebenden Antarktis-Verschwörung stecken, soll es noch sehr viel kälter werden und Milliarden Menschenleben fordern … es geht also um alles, aber zu Beginn ist das nicht mal im Ansatz erkennbar.
Vorhang auf für:
Die Antarktis-Verschwörung
(OT: Fast Ice)
Von Clive Cussler & Graham Brown
Blanvalet 1201, 2023
544 Seiten, TB
Übersetzt von Michael Kubiak
ISBN 978-3-7341-1201-0
Im Jahre 1939 ist die Deutsche Antarktische Expedition im tiefen Süden der Erde unterwegs, um wissenschaftliche Erkenntnisse zu generieren und im gleichen Atemzug Land für das nationalsozialistische Deutschland zu akquirieren. Aber als der Flugkapitän Günther Jürgenson mit seinem Flugboot auf einem Binnensee der Antarktis landet, wird er zu seinem Unglauben Zeuge eines unfasslichen Phänomens, das ihn und die Expeditionsteilnehmer fast das Leben kostet. Mit Müh und Not können sie entrinnen.
In der Gegenwart ist die so genannte Grishka-Expedition in Antarktika unterwegs. Zu den Besatzungsmitgliedern dieses frühzeitig aus der Antarktis zurückkehrenden Schiffes gehört die Klimaexpertin und Mikrobiologin Cora Emmerson, die früher für die NUMA gearbeitet hat, dann aber in die Privatwirtschaft wechselte. Nun ist sie gewissermaßen auf der Flucht, weil sie eine beunruhigende Entdeckung gemacht hat … doch ehe sie die Polargewässer verlassen kann, wird die Grishka brutal attackiert. Mit letzter Kraft kann Cora noch ein Notsignal an die alten NUMA-Kollegen absetzen.
Auf diese Weise kommen Kurt Austin und sein Kollege Joe Zavala zum Einsatz, die sich Sorgen um Cora machen und zu ihrer Rettung eilen. Sie entdecken das havarierte Schiff und stellen fest, dass es umfassend geplündert wurde. Unter anderem fällt ihnen dort auf, dass die von der Expedition erstellten Eisbohrkerne gestohlen wurden. So wenig klar Coras Sorgen formuliert waren, ist an ihnen offensichtlich soviel dran, dass jemand sich jede Mühe gab, alle Spuren für das Geschehen zu vernichten … und die Attacke ist noch nicht vorbei, wie die beiden entdecken müssen, als während ihres Aufenthaltes an Bord des Havaristen ein fremdartiges U-Boot energische Anstrengungen unternimmt, das havarierte Schiff zu versenken. Die Mörder der Besatzung sind also noch dort draußen und verfolgen ihre kriminellen Pläne weiter. Und für Kurt ist die Angelegenheit nun sehr persönlich geworden.
Die Fährte der Verbrechen wie auch der Expedition selbst führt die NUMA-Männer wenig später nach Südafrika zu dem Industriellen Ryland Lloyd und dessen fanatischer Schwester Yvonne Lloyd. Doch je mehr Zavala und Austin versuchen herauszufinden, was in der Antarktis vor sich ging, desto mysteriöser wird die Angelegenheit.
Das liegt an der diametral verschiedenen Zielsetzung der Geschwister – während Ryland daran interessiert zu sein scheint, die Antarktis ökonomisch wegen ihrer Bodenschätze auszubeuten und seine Geschäftspartner mit dem Versprechen lockt, das Nordpolarmeer eisfrei machen zu wollen, verfolgt Yvonne dagegen die Wahnidee, die Erde durch eine Super-Eiszeit von der Geißel der Gegenwart zu befreien – der Menschheit!
Aber sind diese verrückten Ziele irgendwie in Deckung zu bringen? Und ist es überhaupt plausibel, dass es einstmals so etwas wie die „Schneeball-Erde“ gab, wie Yvonne in einer wissenschaftlichen Arbeit einmal postuliert hat? Und was hat das alte Nazi-Projekt „Fast Ice“ damit zu tun? Als schließlich deutlich wird, wie dramatisch weit diese Wahnsinnspläne gediehen sind, haben Kurt und Joe keine andere Chance mehr, als sich während eines Supersturms in die Antarktis zu begeben und den Kampf aufzunehmen …
Der aktuelle Roman des NUMA-Teams Kurt Austin und Joe Zavala behandelt einmal mehr eine globale Bedrohung und kann beim besten Willen absolut nicht langweilig oder bedächtig genannt werden. Er ist zwar aufgrund seiner recht starken Fokussierung auf Antarktika deutlich linearer ausgerichtet als die bisherigen Werke von Graham Brown, aber er besitzt eine ganze Reihe von faszinierenden Details, die einen starken Reiz ausstrahlen. Dazu zählt etwa dieses faszinierende U-Boot, das hier zur Anwendung kommt, aber ganz besonders natürlich auch die „Goliath“, zu der ich oben mit Absicht nichts sagte.
Die These der Schneeball-Erde in der Erdgeschichte wird tatsächlich wissenschaftlich thematisiert, ist aber nach meiner Kenntnis durchaus umstritten. Dass es selbst in der NS-Zeit schon ähnliche Ideen a la Welteis gab, ist ebenfalls historisch belegt, womit der – oben auch nur vage angedeutete NS-Bezug der Geschichte – ebenfalls eine gewisse Plausibilität erlangt. Für weniger historisch belesene Genießer der Geschichte klingt wahrscheinlich vieles an der Story abwegig bis abstrus, aber Graham Brown gibt sich redliche Mühe, zumindest eine historisch schimmernde Schein-Plausibilität aufzubauen.
Ich fand eigentlich nur einen einzigen Punkt, der mir unlogisch erschien. Das ist die Sache mit den Eisbohrkernen der Grishka-Expedition. Es ist schwer zu sagen, ob das eine Frage der Übersetzung war oder ob es inhaltlich tatsächlich so schief war – aber man gewinnt beim Lesen den Eindruck, als wenn die Bohrkerne gestohlen worden sind, weil sie Informationen über Bodenschätze (!) in Antarktika beinhalteten. Das ist natürlich grober Unfug, wenn dies tatsächlich so im Roman gestanden haben sollte. Denn ganz offensichtlich enthalten Eisbohrkerne nur Eis, sie hören notwendig beim Erreichen der gefrorenen Oberflächenerdschicht auf. Folglich können sie über Bodenschätze keine Informationen enthalten.
Alles in allem ist dies wieder ein rasantes NUMA-Abenteuer, das aber nicht mehr ganz so ein page-turner ist wie die bisherigen Kurt Austin-Geschichten. Dennoch vermag der Roman sehr gut zu unterhalten und ist definitiv lesenswert.
© 2025 by Uwe Lammers
So, Freunde, genug an den Fingernägeln gekaut, das Abenteuer ist gut überstanden. Und da wir unseren Slalomkurs einhalten, besuchen wir in der kommenden Woche wieder die Inhaberinnen des Cafés „Sugar & Spice“ und schauen, wie wohl die vierte Freundin unter die Haube kommt.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.