Blogartikel 478: Saigon II – Paradies oder Hölle?

Posted Oktober 2nd, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute machen wir mal aus gegebenem Anlass einen Abstecher in ein im Rahmen meiner Blogartikel selten besuchtes Parallel­universum meiner kreativen Schaffenssphäre – in das so ge­nannte „Erotic Empire“. Und da ich euch so selten davon erzäh­le, empfiehlt es sich, eine kurze Einleitung zu bringen, damit ihr wisst, was hier eigentlich Standard ist.

Schon seit Jahrzehnten brütete meine kreative Phantasie eroti­sche Szenarien aus, aber ich habe sie sehr, sehr lange unter der Decke gehalten, weil ich mich mitunter genierte. Es ist meine Sache normalerweise nicht, frei und offen über Sex und alles, was damit zusammenhängt, zu reden.

Als ich ab 1996 die Serie „Erotische Abenteuer“ entwickelte, die jetzt nach der Volldigitalisierung allmählich fortgesetzt wird, und seit ich dann ab 1997 den tropischen Archipel entdeckte und bereiste, in dem die Sexualität eine sehr wesentliche Rolle spielt, da dort ja eine explizite Liebesreligion um den Sonnen­gott Laraykos und seine vegetative Gattin, die Göttin Neeli, herrscht, hat sich das geändert.

Nun hatte ich für die meisten erotischen Ideen, die bislang in der Aporie versumpften und irgendwie steckenblieben, ein ad­äquates Ventil gefunden. Aber es gab noch Werke, die ich in diesen beiden Sphären einfach nicht unterbringen konnte. Wer­ke, in denen es explizit um Erotik und fremde Welten ging. Blan­ke Science Fiction also. Und für SF war in den bisherigen eroti­schen Denksphären recht wenig Raum.

Natürlich, ein paar solche Geschichten sind inzwischen in zwei Print-Ausgaben des Terranischen Clubs Eden (TCE) in der Reihe „Grey Edition“ erschienen. Aber dabei handelt es sich lediglich um sechs eher kürzere Novellen. Es gab aber sehr viel ambitio­niertere Geschichten, die tatsächlich Romanformat erreichten, neben zahllosen anderen, die eher Kurzgeschichten- bis Novel­lenformat haben.

Und ich stellte interessiert vor etwa fünfzehn Jahren fest, dass viele offensichtlich in demselben Universum spielen. Aufgrund des durchgängigen erotischen Grundtenors gab ich diesem Kos­mos den Namen „Erotic Empire“ und begann ein wenig, die Chronologie dieser Welt zu untersuchen und, wo nötig, anzuglei­chen. Damit stehe ich freilich noch ziemlich am Anfang. Nur so­viel ist inzwischen offenkundig:

Im Erotic Empire (und nein, diesen Terminus verwendet dort nie­mand, ebenso wenig, wie jemand im Oki Stanwer Mythos den Begriff Oki Stanwer Mythos nutzt, das sind klare Autorentermini) hat im Laufe des 21. Jahrhunderts eine globale Vereini­gungsbewegung dazu geführt, dass eine Weltregierung etabliert werden konnte. Die fundamentalen ökologischen Katastrophen, die uns heutzutage zu schaffen machen, konnten durch konzer­tierte Aktionen einigermaßen in ihren desaströsen Auswirkun­gen begrenzt werden. Und die Hyperraumfahrt wurde entwi­ckelt, was nun Explorationen von nahen Sonnensystemen er­möglichte.

Heutzutage ist es in der Astrophysik entgegen früherer Annah­men allgemein akzeptiert, dass nahezu jeder Stern der Milch­straße über Planeten verfügt, mitunter über Mehrplanetensyste­me. Das ist vermutlich sogar der Normalfall. Dennoch nahm ich im Rahmen des Erotic Empire an, dass erdähnliche Ökosphären doch eher selten sein würden. Und selbstverständlich würde die Menschheit nicht auf einmal zu einem idealistischen Verein mu­tieren und Sternexploration sozusagen just for fun betreiben.

Nein, realistisch erscheint mir, dass auch hier der ökonomische Primat walten wird – will heißen: Wenn man schon Investitionen in Höhe von Milliarden Credits (globale Weltwährung im Erotic Empire) einsetzt, will man langfristig eine Art von Rendite erhal­ten. Das begrenzt dann natürlich die Rahmenbedingungen der Exploration.

Dennoch hat die Menschheit im frühen 22. Jahrhundert schon einige Planeten in relativer Erdnähe entdeckt, die für eine Kolo­nisation taugen. Darunter war z.B. eine Welt namens „Voskin­nen“, eigentlich eine Eiswelt, wo Siedlungen errichtet und be­sonders die auf der Erde wegen des Klimawandels heimatlos gewordenen Inuit angesiedelt wurden.1

Weitere Planeten, die ich im Rahmen dieser Geschichten des Erotic Empire schon besucht habe, sind beispielsweise „Azur“, „Texas“, „Corrida II“, „Tempera“, „Bluesea“, „Westpoint“, „Fair­bank‘s Planet“, „Tarragon“, „Chairos“, „Salvage Mountain“, „Sa­vannah“, „Talloran“, „Green Desert“, „Amazonas III“, „Whitela­ke“, „New Hope“ … die Liste ließe sich noch fortsetzen. Der Zeithorizont der Geschichten reicht z.T. bis zum frühen 25. Jahr­hundert hinauf und enthält auch einige wieder in die Vor-Raum­fahrt-Ära zurückgestürzte Welten und solche, wo man tatsäch­lich Alien-Technologie fand. Von diesen Zeiten und Welten spre­che ich hier aber auch nicht.

Zu den frühen Entdeckungen, die die Erschließungsgesellschaft Unlimited Space ausfindig machte, gehört eine Welt namens Saigon II, der zweite von zwei Planeten der Sonne Heros, und damit sind wir beim Thema.

Saigon II ist ein grünes Juwel im Kosmos, quasi eine zweite Erde. Etwas geringere Erdschwerkraft, leicht höhere Sauerstoffwerte, und eine unglaublich vitale Biosphäre, die sich in planetaren Dschungelwäldern äußert. Da der Planet über keine ausgepräg­te Achsneigung verfügt, besitzt er auch kaum Jahreszeiten. Die Tagestemperaturen liegen immer in einem Bereich zwischen 20 und 40 Grad plus, Regenfälle sind quasi an der Tagesordnung … die Erschließungsgesellschaft war sich also sicher: Das ist die ideale Kolonialwelt, wo man Millionen Menschen ansiedeln und so den Bevölkerungsdruck der Erde wirkungsvoll kanalisieren kann!

Das Aussiedlerschiff CONQUEROR wurde ausgerüstet und mit mehr als 1100 Kolonisten auf die Reise nach Saigon II geschickt. Am 15. Mai 2119 erreichte das Schiff das Heros-System und lan­dete auf dem Planeten.

Anfangs lief alles wunderbar. Die Mikrobiologen untersuchten die Flora und Fauna des Planeten, die Ökologen fahndeten im Ökosystem nach schädlichen Substanzen und problematischen Lebensformen … und sie fanden: nichts.

Saigon II war eine uralte Welt. Sie hatte schon lange keinen Vul­kanismus oder nennenswerte Plattentektonik mehr. Die Fauna hatte sich nie über niedere Kerbtiere und Insekten signifikant hinaus entwickelt, das Höchste, was es gab, waren armlange Riesenwürmer und handgroße Riesenschaben … aber sonst gab es nur eins: eine unfasslich vitale pflanzliche Biosphäre, der man geradezu beim Wachstum zuschauen konnte.

Während der größte Bau von der Siedlung Saigon II, das mehr­türmige Ministerium, in dem die Kolonieleitung unter Gouver­neur Frederick Ollway residierte, entstand und die ringförmige Siedlung mit den zwölf Radialstraßen realisiert wurde, fiel dar­um der erste mit Nachrichtensonden zur Erde gesandte Bericht ausgesprochen positiv aus (Hyperfunkverbindungen über weite Strecken gab es zu dieser Zeit noch nicht im Erotic Empire, und die Nachrichtensonden brauchten bis zur Erde 3 Monate … was anfangs niemand problematisch fand).

Saigon II schien tatsächlich ein geradezu phantastisches Idyll zu sein. Keine gefährlichen Mikroben, keine Krankheitskeime, keine Untiere im Urwald, auch nicht die Spur von untergegangenen Alien-Zivilisationen oder sonst irgendwelchen Problemen. Im Gegenteil: den Kolonisten ging es einfach phantastisch! Sie wur­den auf dieser neuen Welt in einer Art leistungsfähig, die schon ans Unheimliche grenzte – 16 Stunden durcharbeiten, ohne zu erschöpfen? Kein Problem! Und alle blieben dabei absolut kern­gesund!

Ein Paradies, ganz offenkundig – besonders auch deshalb, weil die sexuelle Empfindsamkeit der Siedler in einer Weise zunahm, die einfach atemberaubend war. Frauen, die früher nur selten oder nie zum Orgasmus gekommen waren, erlebten ihn nun quasi jedes einzelne Mal, wenn sie sich stimulierten. Die Männer entdeckten an sich eine Leistungsfähigkeit, die sie sonst nur von gedopten Pornodarstellern kannten … und es ging offenbar immer so weiter! Da zur Kolonistencrew über 800 Frauen gehör­ten, standen hier faszinierenden erotischen Abenteuern mit sehr bereitwilligen Gespielinnen Tür und Tor offen.

Der Mikrobiologe Dr. Hagen Ramirez misstraute dem ersten An­schein. Er argumentierte, dass sie hier in eine völlig fremde Bio­sphäre eingebrochen seien, und dass es womöglich nur eine Frage der Zeit sei, bis hier negative Folgen spürbar werden wür­den.

Er wurde ignoriert, weil ja auch wirklich alles gegen ihn sprach.

So war es, bis er diesen eigenartigen sporenförmigen Mikroorganismus entdeckte. Damit war er nicht der erste, auch Dr. Don Suma vom Klinikum von Saigon II hatte dieselbe Entdeckung ge­macht, und als sie sich trafen, stellte sich heraus, dass er dem Ding auch schon einen Namen gegeben hatte.

Der Beschleuniger.

Dass er damit die Nemesis der Kolonisten entdeckt hatte, war ihm indes nicht bewusst.

Der Beschleuniger stellte die Quelle des unglaublichen biosphä­rischen Wachstums dar. Nun, wo sie wussten, wonach sie zu su­chen hatten, entdeckten die Kolonisten-Wissenschaftler den Mi­kroorganismus wirklich überall: in der Luft, im Wasser, in der Erde und den Pflanzen. Und seine Wirkung war stets dieselbe – er kurbelte die biochemischen Prozesse der Lebensformen an, die er beeinflusste.

Besonders intensiv besiedelte er den menschlichen Körper. Mit der Folge, dass er auch die menschliche Leistungsfähigkeit opti­mierte. Und ihre Libido in nie gekannter Weise aktivierte.

War Saigon II also nun das Wunschparadies für Sextouristen der Zukunft? Fast schien es so zu sein. Die Männer und Frauen, die von der segensreichen, geil machenden Wirkung des Beschleu­nigers profitierten, sahen sich jedenfalls außerstande, hier ein Problem zu sehen. Sie fanden dieses Wirken ausschließlich posi­tiv, und danach sah es ja auch aus.

Aber Menschen neigen – wir kennen das aus der aktuellen De­batte um den Klimawandel – leider dazu, notorisch kurzsichtig zu sein und langfristige Entwicklungen nicht korrekt einschätzen zu können. So verhielt es sich auch hier. Selbst der skeptisch-vorsichtige Hagen Ramirez nahm naiv an, die Wirkung des Mi­kroorganismus werde sich irgendwann „normalisieren“. Dabei übersah er konsequent, dass der Beschleuniger bereits seit un­gezählten Millionen von Jahren Saigon II dominierte und die ganze Biosphäre durchseuchte.

Es sprach rein gar nichts dafür, dass er irgendwann mit seiner Wirkung nachlassen würde … ich meine, wann hat sich schon ein Mikroorganismus jemals darum gekümmert, was Menschen wollen und wünschen? Es ist im Angesicht der heutigen COVID-19-Pandemie durchaus verblüffend zu sehen, wie diese Idee aus dem Jahre 2007 (!) inzwischen immer noch und vielleicht mehr denn je aktuelle Brisanz transportiert.

Auf Saigon II witterte niemand Probleme, alles schien ja bes­tens. Selbst als im Mai 2120 die Erdregierung per Nachrichten­sonde eingestehen musste, dass Unlimited Space die Explorati­onsprotokolle krass geschönt hatte und das eigentlich geplante Nachfolgeschiff BLUE SKY nicht starten würde, klang das noch nicht übermäßig dramatisch. Es war für den Gouverneur Frede­rick Ollway natürlich ein schwerer Schock, keine Frage … aber er hielt diese Nachricht zurück und spielte weiter Normalität.

Von Normalität konnte allerdings sozial schon längst keine Rede mehr sein: Eine dreiste, verliebte Kolonistin namens Michelle Berger hatte in dem Bestreben, ihren Abteilungsleiter Neil Wa­terson zu verführen, sukzessive eine immer provokantere Mini­malbekleidung im Ministerium durchgesetzt. Letztlich erreichte sie ihr Ziel und versank im sexuellen Lustrausch mit Waterson … aber im Verein mit der exzessiven Triebsteigerung sowohl der Männer wie der Frauen wurde so eine Entwicklung angestoßen, die einfach desaströs war und atemberaubend schnell ablief.

Dr. Ramirez entdeckte auf seiner Außenseiterposition, dass der Beschleuniger auf beide menschlichen Geschlechter unter­schiedlich wirkte: Während Frauen alsbald nur noch an unent­wegten Sex denken konnten und darüber alles andere vernach­lässigten, begann ihre Intelligenz geradezu sichtbar zu erodie­ren. Es war absehbar, dass sie in wenigen Jahren kaum mehr als rein triebgesteuerte Tiere sein würden … wunderschön, leiden­schaftlich und sexuell so aufgeputscht, dass sie die sinnlichste Hure der Erdgeschichte in den Schatten stellten. Aber für mehr als für Sex würden sie sich dann nicht mehr interessieren.

Für die Männer konstatierte Dr. Ramirez und merkte es auch an sich selbst, eine steigende Neigung zu Dominanz und Aggressi­vität. Und indem die Kolonialgesetzgebung vermeintlich die „In­teressen der Frauen“ auf luftigere Bekleidung immer weiter vor­antrieb und schließlich sogar ein Ministeriumsbordell institutio­nalisierte und alle Frauen von der Kolonieleitung konsequent ausschloss, öffnete nun eine ziellose sexuelle Hölle ihre Tore.

Am Ende, das sah Dr. Ramirez schließlich bereits nach wenigen Monaten, würde der Untergang der Kolonie Saigon II stehen. Denn nichts, absolut gar nichts, was die irdische Medizin entwickelte, konnte diesen rasenden degenerativen Prozess stoppen.

So entgleiste der paradiesische Traum von Saigon II in den ab­soluten Alptraum, und dieser Kolonisierungsversuch ging als ei­ner der schrecklichsten Fehlschläge der menschlichen Stellarge­schichte in die Annalen ein …

Nein, soweit bin ich noch nicht vorgedrungen, jedenfalls nicht in der vollwertigen Ausarbeitung. Grob skizziert ist der Roman bis zum Schluss schon seit Jahren. Gegenwärtig habe ich den zwei­ten Teil von insgesamt 6 im Reinskript vollendet, und auf diesen 258 Seiten geht es lediglich bis zu dem Zeitpunkt, wo Michelle Berger ihr Ziel bei ihrem geliebten Neil Waterson erreicht. Die wirklich grässlichen Ereignisse, die den Zeitraum von Juni 2120 bis 2128 umfassen, müssen noch ausgearbeitet werden.

Es ist unklar, ob diese Geschichte wirklich konsequent so schnell vorankommen wird, wie es gegenwärtig scheint. Aber zurzeit bin ich toll im Flow und will diese Zeit natürlich nutzen. Und beizeiten wird es dann vielleicht auch weitere abgeschlos­sene Geschichten aus dem Erotic Empire geben. Bislang gibt es hier nur Fragmente.

Soviel also für heute über eine Abenteuerreise in eine Welt des Erotic Empire. Garantiert werdet ihr hierzu beizeiten noch mehr erfahren.

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Davon erzählt das Romanfragment „Saskia bei den Nomaden“, worüber ich heute nichts Näheres berichten werde.

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