Rezensions-Blog 270: Giulias Geheimnis (1)

Posted Mai 26th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

erotische Romane, die auf einer gewissen Modewelle mitschwimmen – und dazu muss man das Werk rechnen, das ich heute vorstelle – , haben stets das Problem, in gewisser Hinsicht durchschaubar zu sein, als seien es Skulpturen, die aus klarem Glas gefertigt worden sind. Sie mögen dann hübsch anzuschauen sein, aber sonderlich viel an Überraschung wird da nicht geboten … das muss nicht heißen, dass es nicht kunstfertig ist, diese Schöpfung, und kurzweilig sein kann das im literarischen Bereich auch durchaus.

Wenn man dann freilich, wie ich jetzt, zweieinhalb Jahre nach Lektüre auf die damals verfasste Rezension schaut und sie für den Rezensions-Blog aufbereitet, dann muss ich doch konstatieren, dass eine gewisse Ernüchterung eingetreten ist. Heute würde ich sagen, dass das vorliegende Buch eher von durchschnittli­chem Interesse ist und nette, kurzweilige Ablenkung vom Tagesalltag bietet.

Wer die Autorin noch nicht aus anderen Werken kennt, hat hier indes die Gele­genheit, mal zu schauen, wie so ein Romanerstling in einem ausdrücklich ero­tisch dominierten Romanlabel ausschaut. Das mag dann eine interessante Er­fahrung sein.

Schaut es euch einfach mal näher an:

Giulias Geheimnis

Von Pia Conti

Plaisir d’Amour

304 Seiten, TB (2015)

ISBN 978-3-86495-153-4

Preis: 12,90 Euro

Teil 1 der Serie „Italian Masters“

Rom, Italien, in der Gegenwart:

Giulia Bertani ist in ihrer Ehe mit Alessandro unglücklich, da ihr Mann sich ihr gegenüber in unbegreiflicher Weise kalt und abweisend verhält. Dabei hat doch alles so schön begonnen – sie waren wie Geschwister in ihrer Kindheit, ein Herz und eine Seele, und ehe Giulias Vater starb, war es sein sehnlichster Wunsch, dass die beiden heiraten, damit sie einander Halt geben könnten. Was dann auch geschah. Alles hätte schön sein können. Aber das war es nicht.

Stattdessen zieht es Alessandro zunehmend vor, nicht mehr im ehelichen Schlafzimmer zu nächtigen und ist so oft außer Haus, dass Giulia mit Recht an­nimmt, er vergnüge sich mit anderen Frauen. Was die zurückhaltende, schüch­terne Giulia zudem als Geheimnis mit sich herumträgt, hält sie für eine perverse Neigung – sie sehnt sich in ihren schlaflosen Nächten danach, von ihrem Gatten rigoros unterworfen und beherrscht zu werden. Wann immer sie solche Phanta­sien imaginiert, wird sie unendlich erregt. Aussprechen kann sie das alles frei­lich nicht – ihr Gatte hebt sie doch immer als wunderbare, edle Schönheit auf ein anbetungswürdiges Podest … und genau dies scheint Giulias Erfüllung rest­los im Weg zu stehen.

Auch ihre Freundin Francesca sieht mehr und mehr, wie unglücklich sie wird und schlägt Giulia vor, sie solle sich doch einen Liebhaber nehmen, das sei in der heutigen Zeit lange nicht mehr so anrüchig, wie es einst gewesen wäre. Doch die prinzipientreue Giulia wagt es nicht. Sie liebt doch nur einen Mann, ihren Alessandro, so kalt er sich ihr gegenüber auch verhalten mag. Wie könnte sie es nur wagen, fremdzugehen? Abgesehen davon: mit der Neigung, die in ihrem Herzen schlummert, geht das erst recht nicht. Muss sie denn nicht jeder potenzielle Liebhaber, dem sie von ihren Sehnsüchten erzählt, gleichfalls für verrückt oder pervers halten?

Aber da tritt Fabrizio Testi in ihr Leben, ein aufregender, gefährlicher Mann, der ihr die Chance bietet, ohne Skrupel und Scham einen Seitensprung zu begehen. Er erkennt sogar sehr schnell ihre devote Ader und lässt durchschimmern, dass er selbst dominant veranlagt ist. Er sei darum der ideale Partner, wenn sie ihre dunkle Seite der Erotik ausloten wolle. Zögernd lässt sich Giulia darauf ein.

Was sie nicht weiß: Fabrizio und ihr Mann kennen sich seit langer Zeit, und sie sind erbitterte Gegner. Außerdem ist ihr nicht klar, dass die „Zufallsbekannt­schaft“ mit Fabrizio alles andere als zufällig arrangiert wurde. Es gibt einen Plan dahinter, und er zielt auf nichts Geringeres als ihre Ehe mit Alessandro – und ehe ihr das bewusst wird, ist sie eine Spielfigur in einer perfiden Schicksalsrochade …

Der vorliegende Roman ist der Erstling der Autorin Pia Conti und zugleich der Auftaktband eines Zweiteilers mit dem Obertitel „Italian Masters“. Conti hat eine definitive Neigung zum italienischen Setting, und während sie in ihrem späteren Roman „Die Zähmung des Racheengels“ Mailand als Schauplatz wählt, ist sie hier in Rom daheim und taucht mit dem Leser ab in die gehobene Schicht der High Society der römischen Kapitale. Gleichwohl … sehr viel be­kommt man davon nicht mit, weil außerordentlich viel Raum auf das Innenle­ben der Hauptperson verwendet wird. Der Charakterisierung tut das durchaus gut, auch wenn man sich an manchen Stellen schon wünscht, dass Giulia ein wenig durchsetzungsfähiger wäre … aber zugegeben, das würde zu ihrer Rolle nicht passen.

Strukturell ist recht bald erkennbar, wohin die Geschichte steuert, große Über­raschungen sollte man vom Handlungsverlauf also nicht erwarten. Interessant wird der Roman eher durch die sehr gemächlich herausgearbeitete Neigung beider Protagonisten und ihrer durchweg schwierigen Annäherung. Schade fand ich, dass die Konflikte hier eher halbherzig ausgefochten werden, richtige Dramatik, die sich in manch anderen PdA-Romanen ja schon finden lässt, fand hier kaum statt. Für einen dreihundertseitigen Roman ist mir das dann etwas wenig … aber zumindest lässt sich konstatieren, dass die Geschichte flüssig les­bar ist und an keiner Stelle ernsthaft verflacht. Allein am Schluss schien es ein wenig so, als sei hier Unentschlossenheit federführend gewesen.

Nun, man kann das allerdings nachvollziehen. Soweit ich das verstanden habe, ist dies der Romanerstling der Autorin, und dafür ist er ganz passabel gelungen. Und da hier schon der Pfad zum zweiten Band des Zyklus gelegt wird, in dem wir wieder mit Fabrizio Testi konfrontiert werden, ebenso wie mit Lady Silvanas Nichte Elisa, die hier schon erwähnt wird, kann man als Leser gespannt auf den zweiten Band sein. Er wird uns dann auf den Handlungsschauplatz Florenz schi­cken.

© 2017 by Uwe Lammers

Wie erwähnt – sehr viel an Überraschendem bietet das Buch nicht direkt. Aber ich würde auch nicht sagen, dass es jetzt langweilig war bei der Lektüre, es hat sich schon einen Platz in meinen Bücherregalen erobert (im Gegensatz zu vielen anderen Werken, die ich zwar las, aber einer Rezension nicht für wert befand).

In der kommenden Woche werden wir wieder einmal ausdrücklich klassisch und begeben uns zurück ins viktorianische England, um einem Meisterdetektiv … oh, pardon, DEM Meisterdetektiv, über die Schulter zu schauen.

Mehr dazu in der kommenden Woche.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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