Rezensions-Blog 333: Crossfire 2 – Offenbarung

Posted Januar 5th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

nachdem wir in der vergangenen Woche doch sehr bodenstän­dig und eher historisch-politisch und abstrakt durch die reflexi­ven Denkwelten des Historikers Eric Hobsbawm anhand eines sehr ausführlichen Interviews geleitet wurden, fand ich, dass wir uns wieder ein wenig leidenschaftliche Abwechslung verdient haben. Immerhin ist es ja eine anerkannte Tatsache, dass der Mensch nicht allein von geistiger Nahrung lebt, auch der Körper und die Emotionen wollen bedient und gefördert werden. Und das geht in belletristischen Romanen am besten, zumal in jenen von hoher Qualität, die zugleich diejenige erotische Würze auf­weisen, die sonst (meist) in den Leben der Leserinnen und Leser fehlt.

Ich weiß von einer guten Bekannten, dass sie den „Crossfire“-Zyklus regelrecht verschlungen hat … genau genommen emp­fahl sie ihn mir (ich hatte ihn aber vorher bereits gelesen und war darum genau im Bilde). Also ist es nicht allein so, dass die­se Romane lediglich auf ein maskulines Publikum wirken. Solche Vorurteile gibt es ja ebenfalls. Sie neigen dann dazu, die eroti­schen Phantasien der Leserinnen krass zu unterschätzen. Das kann man tun, aber ich halte es für verkehrt.

Wir kehren nun also zurück in das Leben von Eva Tramell und dem superreichen Gideon Cross. Nachdem ihre Liebesaffäre ei­nen doch etwas holprigen Start hatte, weil Gideon erhebliche Defizite besitzt, was Höflichkeit und Zurückhaltung angeht, flammt die Affäre jetzt heiß auf … und gleichzeitig treten zahl­reiche neue Personen in die Handlung ein, die im Verein mit chaotischen Verwicklungen die Geschichte recht turbulent ge­stalten.

Macht euch am besten selbst ein Bild davon:

Crossfire 2 – Offenbarung

(OT: Reflected in you)

Von Sylvia Day

Heyne 54559

April 2013

416 Seiten, TB, 9.99 Euro

Aus dem Amerikanischen von Marie Rahn und Jens Plassmann

ISBN 978-3-453-54559-5

Ist das noch Leidenschaft oder schon deutlich mehr, was die junge Wer­beagenturangestellte Eva Tramell und den milliardenschweren Unternehmer Gideon Cross von Cross Industries miteinander verbindet? Tatsache ist, dass sie voneinander mit einer sexuel­len Intensität angezogen werden, die einer Naturgewalt gleicht. Gideon gibt schließlich zu, dass er es um keinen Preis der Welt ertragen kann, auch nur zwei Tage von Eva getrennt zu sein. Als sie sich das erste Mal zur gemeinschaftlichen Therapie bei ei­nem befreundeten Psychiater Dr. Lyle Peterson treffen, sind sie beide einigermaßen verlegen, als sie auf die Frage, wie oft sie in der Woche Sex hätten, eingestehen müssen, dass sie beide täg­lich miteinander den Wonnen der Liebe frönen, „manchmal mehrmals täglich“.

Andere Leute würden so etwas therapiebedürftige Sexsucht nennen … aber sie besitzen auch nicht den Hintergrund, den die beiden Liebenden haben: Eva hat ihrem Geliebten im ersten Band der Trilogie ihr größtes Geheimnis gebeichtet – dass ihr Stiefbruder Nathan Barker sie im Kindesalter vergewaltigt hat, und zwar vom Alter von 10 Jahren aufwärts, über einen gräss­lich langen Zeitraum. Und es kristallisiert sich im Laufe des vor­liegenden Buches immer deutlicher heraus, dass auch Gideon in der Kindheit sexuell traumatisiert wurde.

Es gibt noch andere Schwierigkeiten: da ist etwa ein Kinderarzt namens Dr. Terrence Lucas, den Gideon und Eva auf einer Feier durch einen Zufall treffen – und Gideon und er begegnen sich mit offener Feindschaft. Warum, will Cross aber nicht sagen, und Lucas ebenso wenig.

Dann taucht in diesem Band Victor Reyes auf, ein Polizist aus San Diego, der Evas leiblicher Vater ist – und offensichtlich auch 25 Jahre nach ihrer Trennung noch heftig in ihre Mutter Monica verschossen.

Gideon und Eva, die nun fest zusammen sind, leben ein wildes, zu einem sehr wesentlichen Teil sexuell diktiertes Leben, und nur mit ihm fühlt sich Eva vollständig, vollwertig und nicht mehr so leer und verlassen. Die Besessenheit ist also durchaus bei­derseitig. Aber sie ist nach wie vor nicht ungetrübt. Beispiels­weise wird sich auf dramatische Weise mehrmals Zeugin von grässlichen Alpträumen ihres Geliebten, die manchmal in einem quasi-somnambulen Zustand dazu führen, dass er sich an sei­nen Peinigern aus der Kindheit rächen will … während sie in sei­nem Bett liegt und er sie mit seinen Peinigern verwechselt. Dies führt dann traumatisch dazu, dass sie in ihrem eigenen Alp­traum landet und ihn mit Nathan und ihrem eigenen Miss­brauchstrauma der Vergangenheit konfrontiert.

Solche Erlebnisse treiben einen Keil aus Entsetzen zwischen die Liebenden.

Um Gideon besser zu verstehen, versucht sie ihm Details über seine Vergangenheit zu entlocken. Doch er mauert vollständig. Schlimmer noch: als seine Ex-Verlobte Corinne Giroux wieder in seinem Leben auftaucht, die sich immer noch Hoffnung macht, ihn zurückgewinnen zu können, da driftet Gideon immer weiter fort von Eva. Denn offenbar gelingt Corinnes Versuch.

Und alles wird noch schlimmer, als Eva Tramell bei einem Kon­zertbesuch schockartig Brett Kline wieder trifft – jenen Musiker, in den sie vor Jahren monatelang völlig verschossen war und mit dem sie eine wilde, sechsmonatige Sexaffäre hatte. Dum­merweise hat Brett sie nicht vergessen, sondern sogar einen Song ihr zu Ehren verfasst, und als er sie wieder sieht, flammt die alte Leidenschaft sogleich von neuem auf. Gideon Cross dreht geradezu durch, als er das mitbekommt, und verliert völ­lig die Fassung.

Kaum haben sich diese Wogen halbwegs wieder geglättet, gibt es Stress mit Evas promiskuitiver, bisexueller Mitbewohner Cary Taylor, den ein Fremder mit einem Baseballschläger übel zurich­tet. Vielleicht hat das etwas mit dem abenteuerlustigen Model Tatiana Cherlin zu tun, das dafür sorgt, dass Cary ein heftiges Zerwürfnis mit seinem Freund Trey durchleidet. Während sich zwischen Gideon und Eva allmählich eine für sie unerklärlich scheinende emotionale Eiszeit anbahnt, tritt dann auch noch der entsetzlichste aller Schrecken in Erscheinung, von dem Eva gehofft hat, nie wieder von ihm hören zu müssen: Nathan Bar­ker ist in New York und verfolgt sie …

Wer dachte, der zweite Band der Trilogie um Gideon Cross und Eva Tramell würde weniger aufregend als der erste, der sieht sich vollständig getäuscht. Der deutsche Titel ist vermutlich et­was zu vollmundig, aber es gibt in der Tat eine Menge Klärung in diesem Roman. Mit Personen wie Shawna Ellison (der Schwester des Lebenspartners von Evas Boss Mark Garrity, Steven Ellison), Brett Kline, Christopher Vidal jr., dem flatterhaften Model Tatiana Cherlin und Gideons jüngerer Schwester, dem Teenager Ireland Cross, tauchen neue Personen im sich auffächernden Personaltableau auf, die die Situation bunter und die Übersicht etwas chaotischer gestalten. Das tut der Handlung definitiv gut. Die gelegentlich eingestreuten psychologischen Sitzungen bringen die Geschichte ebenso voran wie die süßen Kabbeleien zwischen den Liebenden.

Manche Dinge kommen hingegen – meiner bescheidenen An­sicht nach – nicht recht vom Fleck. So erschließt sich noch nicht restlos die Bedeutung von Ireland für die Gesamthandlung, auch bleiben die Verhältnisse von Cary Taylor und seinem engen intimen Freund Trey (der leider immer noch keinen Nachnamen hat, wenn ich das recht sehe), weiterhin ungeklärt. Wesentliche Punkte von Gideon Cross´ Biografie sind nach wie vor dunkel, und wichtige Mosaiksteine der Verschwörung gegen die beiden Liebenden sind aktuell noch nicht entschlüsselt worden.

Sehr schön hingegen gefiel mir in der zweiten Hälfte des Ro­mans die Entdeckung, dass Eva Tramell sich ab einem bestimm­ten Punkt der Handlung energisch zusammenreißt und den Ver­such macht, das, was Gideon nicht von sich aus preiszugeben bereit ist, auf eigene Faust herauszufinden. Das gibt ihr doch ei­nige innere Stärke zurück, die ihr im ersten Roman deutlich ge­fehlt hat. Sie ist, das bekommt Gideon Cross sehr klar zu spü­ren, nicht nur ein süßes Zuckerpüppchen, das beschützt werden muss, sondern besitzt auch einen eigenen Sturkopf, der durch­aus völlig unkalkulierbare Aktionen umsetzt – Aktionen, die Gi­deon in den Wahnsinn zu treiben geeignet scheinen. Er ist schließlich der Kontrollfreak, der immer wissen will, wo sie steckt und sie in Sicherheit wissen möchte.

Eva pfeift darauf. Sie zeigt ihm sogar mehrfach den gereckten Mittelfinger und legt zwischendurch beim Krafttraining ihren Trainer auf die Matte. Soviel also zu der Vermutung, sie sei nur Gideons willige Lustsklavin. Nichts könnte falscher sein. Umge­kehrt wird fast eher ein Schuh daraus, denn seine suchtartige Abhängigkeit von ihr ist sehr viel ausgeprägter, als man sich das vorstellen kann.

Und so ist der Leser nach den atemberaubenden Achterbahn­fahrten der Emotionen, die beide Hauptfiguren in diesem Buch durchmachen müssen, sehr gespannt darauf, wie die Geschich­te weitergeht. Da ich das Buch wieder in nur zwei Tagen ver­schlungen habe, gibt es nur ein Fazit: dringende Leseempfeh­lung, wer sich von dieser Art von Roman angezogen fühlt. Da bekommt ihr eine gute Story fürs Geld geboten (was in diesem Genre ja leider nicht selbstverständlich ist …).

© 2018 by Uwe Lammers

Ganz eindeutig gehört der „Crossfire“-Zyklus zu jenen Romanzy­klen, die ich beizeiten irgendwann noch einmal lesen möchte.

Wann?

Ach, das kann ich noch nicht sagen … es gibt noch schier un­endlich viele Romane und Sachbücher in meinen Regalen, die ich nur von außen kenne. Tatsache ist gegenwärtig nur, dass im­mer mehr gute Werke sich in meinen Regalen ansammeln, die ich bereits goutiert habe, und das ist gut so.

Dieses Diktum gilt auch für weitere Romane von Sylvia Day, die z.T. schon rezensiert worden sind. Beizeiten werde ich sie hier ebenfalls vorstellen. Für heute mag dies aber genügen.

Macht es gut und bis kommende Woche, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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