Rezensions-Blog 358: Hardpressed – verloren (2)

Posted Juni 28th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

vor vier Wochen besprach ich an dieser Stelle den ersten Ro­man des „Hard“-Zyklus von Meredith Wild, und ich muss sagen, als ich mit der Lektüre vor gut drei Jahren fortfuhr, ging die Handlung rasant voran … es konnte keine Rede davon sein, dass wir es hier mit einem eher schlicht gestrickten Tunnelblick-Roman zu tun haben, wie das leider so häufig im Genre der ero­tisch-romantischen Werke der Fall ist.

Nein, hier geht es schon emotional ziemlich ans Eingemachte. Und es wird bei Fortschreiten des Zyklus immer klarer, dass die Protagonisten durch die Bank tiefe Wasser sind und ihre Biogra­fien nur auf den flüchtigen Oberflächenblick schlicht scheinen … darunter liegen ziemlich düstere Geheimnisse verborgen, die sogar tödliche Konsequenzen in der Handlungszeit zur Folge ha­ben, wie der vorliegende Roman beweist.

Erica Hathaway, die Gründerin des Startups Clozpin, steckt je­denfalls in massiven Problemen, und nicht das Geringste darun­ter ist ihr wieder entdeckter Vater.

Aber schaut da lieber mal selbst genauer hin:

Hardpressed – verloren

Teil 2 des Hard-Zyklus

(OT: Hardpressed)

Von Meredith Wild

Lyx (keine Verlagsnummer!), 2016

352 Seiten, TB

ISBN 978-3-7363-0126-9

Aus dem Amerikanischen von Freya Gehrke

Eigentlich sah ja alles ganz schön aus für die junge, toughe und im Prinzip elternlose Erica Hathaway – frisch von der Universität in Boston abgegangen, während des Studiums schon mit ihren Freunden Sid und Alli ein Internet-Startup gegründet, das sie nun mit Hilfe eines Unternehmenskredits zu einem florierenden Unternehmen aufbauen wollte … und dann stolpert sie zufällig auch noch über die Liebe ihres Lebens und schließt so die nächste Lücke in ihrer Lebensplanung.

Und selbst wenn der Start der Beziehung anfangs holprig ist, er­weist sich der vormalige Hacker und jetzige Millionär Blake Lan­don doch sehr schnell als der Mann, der sie süchtiger macht als eine Droge, und wenn sie mit ihm zusammen ist, erlebt Erica sinnliche Höhepunkte, wie sie sie niemals zuvor gekannt hat. Al­les scheint sich bestens zu entwickeln.

Doch dann ballen sich die Schatten, insbesondere die Schatten ihrer Vergangenheit. Denn in dem Moment, da sie sich am glü­cklichsten schätzt, taucht unvermittelt der anonyme Mann wie­der auf, der sie wenige Jahre zuvor brutal vergewaltigt und da­bei entjungfert hat. Und er bekommt nun einen Namen: Mark MacLeod. Das erschüttert sie schon zutiefst.

Dann kann Erica zudem zu ihrer unglaublichen Überraschung ihren bislang unbekannten leiblichen Vater ausfindig machen – einen energischen, durchsetzungsfähigen Politiker, der sich ge­rade für den Gouverneursposten bewirbt: Daniel Fitzgerald. Nach anfänglicher Reserviertheit (immerhin ist eine uneheliche Tochter, die auf einmal aus der Versenkung auftaucht, durchaus ein Risiko für die Kandidatur) taut er deutlich auf und lädt sie zu sich nach Cape Cod ein. Ahnungslos willigt Erica ein – und trifft mit seinem Schwiegersohn zusammen … der niemand Geringe­res ist als Mark MacLeod, der sich lebhaft an sie erinnert und Anstalten macht, ihr erneut nachzusteigen. Blake kann sie gera­de noch rechtzeitig in Sicherheit bringen.

Fernerhin hält der Hackerangriff der rätselhaften Gruppe M89 an, der einst in stürmischen jungen Jahren auch Ericas Geliebter Blake Landon angehört hat. Und ihr Startup Clozpin wird da­durch geschwächt, dass Ericas beste Freundin und Firmenstütze Alli nach New York verzogen ist.

Man sieht also, am Ende des ersten Bandes brennt es an allen Ecken und Enden … und es wird schlimmer.

Zwar gelingt es der sympathischen jungen Hauptperson zu Be­ginn des zweiten Romans, eine Reihe neuer Talente für ihre Fir­ma an Land zu ziehen, auch ist die Finanzierung inzwischen ge­sichert. Die Probleme intensivieren sich gleichwohl: denn der junge und äußerst attraktive James, einer der Neulinge bei Cloz­pin, hat ein Auge auf sie geworfen und versucht ständig, Erica für sich zu gewinnen. Und dann ist da die sehr umtriebige, jun­ge und talentierte Risa Corvi – sehr modebewusst, unglaublich lerneifrig, eine mehr als perfekte Neubesetzung von Allis Stelle. Wenn sie nur nicht soviel flirten würde … erst mit Blake, dann mit James, dann wieder mit Blake … und so stachelt sie unwei­gerlich Ericas Eifersucht an.

Weitaus schlimmer als das sind aber andere Entwicklungen. Etwa die mit der Hackergruppe M89, die Erica auf eigene Faust verfolgt und deren Quelle sie sogar finden kann. Hier beweist sie durchaus Risikobereitschaft, die bisweilen aber ans Lebens­gefährliche grenzt. Dabei stößt sie unangenehmerweise auf ein finsteres Detail aus Blakes Vergangenheit, das sie besser hätte ruhen lassen.

Und dann ist da der jähe Selbstmord von Mark MacLeod, der vollständig überraschend kommt. Auf den ersten Blick scheint das von Vorteil zu sein, da so der Alptraum, der Ericas Selbstbe­wusstsein notorisch untergräbt und sie in Angst und Schrecken versetzt, ein Ende hat. Doch der erste Schein trügt wie so oft. Denn irgendetwas an diesem Selbstmord ist höchst eigenartig – immerhin war Mark doch so zuversichtlich, die Vergewaltigung von Erica erneut angehen zu können. Bringt sich solch ein Kerl, der scheinbar alle Vorteile auf seiner Seite hat, einfach so über­raschend um? Das ist doch zumindest … eigenartig.

Als Erica bald darauf ein Vier-Augen-Gespräch mit ihrem leibli­chen Vater Daniel Fitzgerald führt, um ihm ihre Anteilnahme zu zeigen, erweisen sich diese Zweifel als berechtigt. Nach außen hin weiß ja so gut wie niemand von der Vergewaltigung, und es wäre … seltsam, wenn Erica nun, nachdem sie ihren Vater nach 21 Jahren wieder entdeckt hat, nicht ihr Beileid aussprechen würde. Doch das Gespräch nimmt eine schreckliche, unerwarte­te Wendung: Daniel hat inzwischen herausgefunden, dass Mark sie vergewaltigt hat und daraufhin selbst, wie er es nennt, die Notbremse gezogen – es habe doch sehr gut nach einem Selbstmord ausgesehen, nicht wahr?

Ihr Vater – ein eiskalter Mörder?

Erica ist völlig verstört. Und noch mehr, als er ihr unmissver­ständlich und reichlich brutal klarmacht, dass er unverzüglich ihre Unterstützung zugunsten seiner Wahlkampagne erwartet. Ihre Firma soll Erica delegieren, dafür werde sie keine Zeit mehr finden. Und auch von Blake habe sie sich zu trennen, er sei kein guter Umgang für sie … und wenn sie nicht tue, was er anordne (!), dann könne er für Blakes Leben nicht mehr garantieren.

Da sie inzwischen weiß, dass Daniel Fitzgerald eiskalt über Lei­chen geht, steht Erica unter enormem Druck und beschließt schmerzenden Herzens, sich von Blake zu trennen, um sein Le­ben zu retten – woraufhin ein gewisser James Land in Sicht sieht und seine Anstrengungen um Erica intensiviert. Und auch Blake ist durchaus nicht gewillt, Erica das letzte Wort in Sachen Bezie­hung zu lassen.

Aber leider ist auch das alles noch nicht das Ende der Fahnen­stange, bei weitem nicht. Es kommt noch schlimmer …

Puh, kann ich nur sagen – das war eine Achterbahnfahrt, die es in sich hatte. Und die dafür sorgte, dass ich diesen Roman bin­nen zwei Tagen „inhalierte“. Buchstäblich bis fast zum allerletz­ten Moment gibt es jeden Grund, sowohl um Ericas Wohlbefin­den zu bangen wie um das Leben von Blake.

Es geht um traumatische Familienbande, Verlust, Drogenproble­me, Mord, Intrigen, Verrat … und natürlich um eine Menge hei­ßen Sex, den Meredith Wild abwechslungsreich und mitreißend zu inszenieren versteht. Die Protagonisten bekommen von Band zu Band mehr Tiefe, was ich ausgesprochen positiv finde und was absolut nicht langatmig oder überzogen herüberkommt. Es gibt hier auch keine Hauruck-Lösungen, selbst wenn die „Ent­sorgung“ des Vergewaltigers Mark MacLeod anfangs so aus­sieht. Denn es zeigt sich überdeutlich, dass die Lösung eines Problems im günstigsten Fall gleich zwei neue produziert, manchmal noch mehr.

Ich hatte erwartet, dass man hier schon etwas mehr von Blakes Vergangenheit zu sehen bekommt, und das stimmt tatsächlich. Aber wie der Schluss des Buches beweist, ist hier noch eine Menge Luft nach oben. Dasselbe gilt dann auch für Blakes Fami­lie und die sicherlich noch komplizierter werdende Handlungs­ebene um Daniel Fitzgerald. Und man darf Maxwell Pope nicht aus dem Blick verlieren, den alten Konkurrenten von Blake. Ebenfalls dürfte die intrigante Sophia aus Band 1 (die hier auch muntere Gastspiele gibt, als Erica Blake zum eigenen Schutz in die Wüste schickt) noch weiterhin eine Rolle spielen.

Der einzige Wermutstropfen in meiner Wahrnehmung ist das Mode-Startup Clozpin. Es ist bedauerlicherweise eine einzige Leerstelle, denn man erfährt zwar einiges über Hackerattacken gegen ihre Internetseite und zur Kontaktanbahnung mit potenzi­ellen Kunden, aber was Clozpin nun genau MACHT oder was ex­akt Ericas Rolle in dem Social Media-Startup ist, bleibt ebenso diffus wie im ersten Band. Man könnte auf die Idee kommen, dass der Autorin selbst gar nicht klar war, was Erica dort tut und wie ihre kleine Firma ihre Ziele verfolgt. Ich hoffe, das wird noch deutlich anders.

Es bleibt jedoch abgesehen davon eine sehr interessante Ge­schichte, die deutlich mitreißender ist als manch anderer Zy­klus, den ich in den vergangenen Jahren las. Vielleicht hat das damit zu tun, dass diese Geschichte auf minimal vier Bände an­gelegt war und die Handlungsbögen deshalb von vornherein komplexer strukturiert werden müssen. Deshalb: Ja, Meredith Wild versteht es, spannend zu schreiben, emotionale Konflikte leidenschaftlich in Szene zu setzen und den Leser durch die Sei­ten zu treiben – eindeutige Leseempfehlung für all jene, die sol­che Stoffe lieben. Und wer von der E. L. James-Fraktion kommt … Blake hat eine dunkle Seite, und sie kommt in diesem Band langsam zum Vorschein. Das könnte noch heftiger werden. Ich lasse mich überraschen.

© 2018 by Uwe Lammers

Ihr merkt, ich war zunehmend angetan von der Schreibe der Au­torin … was ja dann auch zur Folge hatte, dass ich alsbald nach weiteren Romanen von ihr Ausschau hielt. Ihr werdet davon noch hören.

In der kommenden Woche machen wir wieder eine historische Exkursion und besuchen diesmal die Wikinger. Bleibt neugierig!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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