Rezensions-Blog 370: Hardlove – verliebt (5/E)

Posted September 21st, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute kommen wir dann zum fünften Teil des Hard-Zyklus von Meredith Wild und damit zum Schlussakkord des Zyklus, wo es noch mal nach den dramatischen Vorgängerbänden darum geht, die Fäden der Gesamthandlung zusammenzufügen, die Problemfelder aufzuklären und den Boden für was zu bereiten? Für ein Happy End, natürlich. Denn ebenso wie etwa Audrey Carlan ist Meredith Wild schematisch der romantischen Struktur dieser Art von Roman verhaftet. Und das bedingt nun einmal, dass die Geschichte nicht in Chaos und Zerstörung enden darf, sondern allen Widrigkeiten zum Trotz die aufrichtige Liebe sie­gen muss.

Tja, man kann das für schematisch halten oder für realitäts­fremd … Tatsache bleibt, dass diese Art von Romanen wohl auch deshalb so omnipräsent im Buchhandel ist und zudem so beliebt bleibt, weil sie eine tiefe Leserinnensehnsucht befrie­digt. Das hat sie mit Komödien gemein, die man aus Kino und Fernsehen kennt und wo die Strickmuster recht ähnlich verlau­fen.

Das muss man einfach akzeptieren. Und da ich selbst nicht ver­leugnen kann, eine tief verwurzelte romantische Ader zu besit­zen – wenngleich mir klar ist, dass Happy Ends zutiefst unrealis­tisch sind und es so etwas wie dauerhafte, eintrübungsfreie Happy Ends so gut wie nie gibt – , komme ich nicht umhin zu gestehen, dass ich derlei Romane auch schätze.

Umgekehrt bedeutet dies dann aber nicht, dass ich betriebs­blind werde und nicht doch gelegentlich die Kritikerfeder wetze … und daran sparte ich auch anno 2018 nicht, als ich den Schlussakkord dieses Zyklus besprach.

Wie ich das meine? Schaut einfach mal weiter:

Hardlove – verliebt

Teil 5 des Hard-Zyklus

(OT: Hardlimit)

Von Meredith Wild

Lyx (keine Verlagsnummer!), 2017

320 Seiten, TB

ISBN 978-3-7363-0425-3

Aus dem Amerikanischen von Freya Gehrke

Dem Tod eben noch einmal von der Schippe gesprungen zu sein, verändert traditionell die Wahrnehmung auf alles, was um eine Person vor sich geht, setzt neue Standards und lässt Dinge in einem anderen Licht erscheinen als bisher. Das geht auch Eri­ca Hathaway und ihrem Geliebten, dem Milliardär Blake Landon so.

Wir erinnern uns: Erica ist frisch gebackene, 21jährige Absol­ventin der Universität Harvard in Boston und startete mit ihrem eigenen Startup Clozpin durch. Auf der Suche nach einem Inves­tor, der ihre Firma mit Kapital ausstatten könnte, stieß sie auf Blake, der sich als ihre große Liebe entpuppte und nach zahlrei­chen Turbulenzen schließlich als Schutzschild über der kleinen, prosperierenden Firma agierte. Während Erica sich zahlreichen Anfechtungen, Anfeindungen, Intrigen und Verschwörungen der Geschäftswelt zu stellen hatte und Blakes Liebe genoss, forsch­te sie zugleich nach ihrer eigenen Vergangenheit. Denn ihre Mutter hatte sie allein aufgezogen, der Vater war unbekannt ge­blieben.

Ericas Hartnäckigkeit machte Daniel Fitzgerald schließlich aus­findig, der für den Gouverneursposten kandidierte, aber bedau-erlicherweise auch direkt verwandt war mit jenem Nachtmahr aus Ericas Vergangenheit, der sie vor Jahren brutal vergewaltigt hatte, um dann aus ihrem Leben zu verschwinden. Dieser ge­sichtslose Mann bekam nun einen Namen: Mark MacLeod – Da­niels Schwiegersohn. Und er traf Anstalten, sie von neuem ver­gewaltigen zu wollen. Indem er ihn kurzerhand ermorden ließ, schob Daniel einen finalen Riegel davor. Erica deckte ihn mit schlechtem Gewissen, aber die Behörden begannen nun hartnä­ckig zu ermitteln. Und sie ermittelten auch in Richtung auf Blake Landon.

Der Grund lag ebenfalls in Blakes Vergangenheit – in Jugendjah­ren, ehe er von dem superreichen Michael Pope protegiert wur­de, war er ein heißblütiger Hacker der Hackergruppe M89 gewe­sen, die gegen korrupte Banker vorging. Als diese Sache auf­flog, legte Blake ein umfassendes Geständnis ab und ging straffrei aus. Blakes Compagnon Brian Cooper beging indes Selbstmord. Und er hinterließ einen nicht minder versierten Hacker-Bruder namens Trevor, der es sich fortan auf die Fahnen schrieb, den Tod seines Bruders zu rächen und Blake zu scha­den. Als dieser mit Erica zusammenkam, schoss sich Trevor auch auf sie und ihre Firma ein.

Ein weiteres Gespenst aus der Vergangenheit von Blake trieb zudem die ganze Zeit sein Unwesen: die masochistische Sophie Devereaux (fast durchgängig Sophia geschrieben, als könne sich die Übersetzerin nicht zwischen den Vornamen entschei­den), die sich nach wie vor nach ihm verzehrte und Erica mit zu­nehmendem Hass und intriganter Fiesheit verfolgte – so lange, bis die Jungunternehmerin im vierten Roman schließlich ihre Fir­ma an sie und selbst ganz depressiv den Boden unter den Fü­ßen verlor.

Die Entdeckung, dass Daniel Fitzgerald ihr Vater war, hatte für Erica und ihn außerdem zur Folge, dass sich durch Indiskretio­nen herumsprach, sie sei seine uneheliche Tochter. Und da Da­niel schon einmal Blake bedroht und seinen eigenen Stiefsohn umgebracht hatte, befand sich Erica notwendig in Sorge, als er nun argwöhnte, ausgerechnet Blake stünde hinter diesen Ent­hüllungen. Als sie herausfand, dass es jemand anderes war, traf sie sich mit dem entsprechenden Journalisten, um ihn zur Rede zu stellen … und geriet in eine Schießerei, bei der der Journalist getötet und sie schwer angeschossen wurde.

Es folgte eine lange Zeit der Rekonvaleszenz, während die Ärzte dem Liebespaar offenbaren mussten, dass die Schussverletzun­gen möglicherweise die Chance auf Liebeserfüllung in Form ei­nes Kinderwunsches final durchkreuzen könne. Blakes Liebe ließ gleichwohl nicht nach, und er heiratete sie schließlich im Kreise seiner Familie.

Der vorliegende Roman beginnt dann mit den rauschhaften, traumartigen Flitterwochen, in denen Blake mit ihr eine Weltrei­se unternimmt. Und währenddessen machen sie ernsthafte An­strengungen, den Kinderwunsch doch zu erfüllen. Nichts er­sehnt sich Erica mehr – und tatsächlich stellt sich nach der Rückkehr in die Staaten heraus, dass sie in der Tat schwanger geworden ist. Das ist die gute Nachricht.

Die schlechte besteht aus zwei Teilen: Daniel Fitzgerald hat die Wahl zum Gouverneur gewonnen (etwas, was Blake, der den Mann hasst, zutiefst missbilligt). Und im Nachhinein stellt sich heraus, dass die Wahl manipuliert wurde und Phantomstimmen ihm den Sieg garantiert haben (was Blake prinzipiell mit Genugtu­ung erfüllt). Doch dann stellt sich heraus, dass die Software, mit der manipuliert wurde, von niemand anderem als Blake selbst stammt – wiewohl sie beide wissen, dass er keinerlei sonderli­ches Interesse mehr während seiner Flitterwochen an der Wahl gehabt hat. Ihnen wird rasch klar, wer der Verantwortliche sein muss: Trevor.

Doch das hilft nicht viel, weil das FBI Blake an der Haustür fest­nimmt und ihm unter anderem seine Hacker-Vergangenheit zum Vorwurf macht. Man hält nun ihn für denjenigen, der Daniels Wahl manipuliert habe, angeblich habe er hinreichend Gründe, und der Code stamme schließlich von ihm. Der Antrag auf Kauti­on wird abgelehnt, weil er durch seine Fähigkeit des genialen Hackens eine Gefahr für die Menschheit darstelle.

Und nun plötzlich ist die verunsicherte Erica auf sich gestellt und muss händeringend versuchen, das Phantom namens Tre­vor ausfindig zu machen, um zu verhindern, dass ihr Ehemann und Vater des gemeinsamen Kindes für immer ins Gefängnis wandert …

Ja, man merkt deutlich, dass der Zyklus sich dem Ende zuneigt, der Leser der Rezension sieht das ebenfalls deutlich. Die Hand­lung wird doch langsam sehr dünn, entsprechend ausufernd wird dargestellt. Die Geschichte bleibt definitiv unterhaltsam, die Personen sind nach wie vor liebevoll dargestellt, und man liest es gern, wie sie miteinander umgehen. Wenn man den Ro­man indes auf seine Basics reduziert, enthält er dann doch jen­seits der Flitterwochen, der Schwangerschaft und der Hacker-Geschichte um den Wahlkampf vergleichsweise wenig Substan­zielles.

Der Handlungsstrang um Sophie wird relativ glanzlos versenkt, wie ich fand, und tatsächlich taucht dann noch mal wie ein Springteufel aus der Versenkung die abgeschossene Risa Corvi auf, ganz wie vermutet. Man kann sogar sagen, dass in dem Ro­man ein kleiner Vorbote der gegenwärtigen „Me-too“-Debatte mitschwingt, da es an mehreren Stellen explizit um sexuellen Missbrauch und die öffentliche Beichte vor Polizeidienststellen geht. In dieser Hinsicht ist durchaus eine Verbeugung vor der Autorin angebracht. Wie wir heute wissen, sind ja leider sexuel­le Übergriffe auf Frauen in Firmen alles andere als ein Ausnah­mephänomen, und das gilt nicht nur für die USA.

Grundsätzlich betreibt der Roman darum abschließende Arron­dierung der Handlung, klärt Problemfelder auf, die bislang offen geblieben sind (einige habe ich oben mit Bedacht ausgelassen, da Rezensionen ja nicht alles enthüllen sollen). Am Schluss, und damit erweist sie dann deutlich, dass sie sich von E. L. James in­spirieren ließ, als sie den „Bonus“ schrieb, bekommen wir dann den Anfang des Romanerstlings „aus Blakes Sicht“ zu sehen – ein Vorgehen, das bekanntlich E. L. James am Schluss von „Fifty Shades of Grey“ ebenfalls brachte. Nett … aber ich glaube jetzt nicht, dass Meredith Wild daran geht, voll umfänglich in James´ Fußstapfen zu treten.

Warum denke ich das nicht? Weil sie das in diesem Roman so­wieso schon tut, wo sich Blake- und Erica-Kapitel abwechseln. Das lockert den Roman auf, bietet dem Leser eine neue Per­spektive und ist prinzipiell begrüßenswert. Auf der anderen Sei­te ist auch dies natürlich ein Symptom für Handlungsarmut. Wir sind hier ja nicht bei Anna Todd, die auf diese Weise einen 900seitigen Roman aus dem Boden gestampft hat, sondern in einem Zyklus, wo dieses Mittel erst im letzten Band angewen­det wird und das Buch dann dennoch das kürzeste des gesam­ten Zyklus ist.

Fazit? Zum Schluss hin hätte es schon durchaus etwas komple­xer werden können. Was beispielsweise vollständig ausgeblen­det bleibt, und zwar nicht nur bis zur Hochzeit, sondern darüber hinaus, das ist die mütterliche Familie Ericas, die ja damals nach Schwangerschaft ihrer Mutter mit ihr gebrochen hat. In Band 4 wird erwähnt, dass diese Familie quasi auf dem Seeufer gegen­über von Blakes Eltern lebt, aber glaube niemand, dass diese Leute irgendwann mal Namen oder Gesicht bekommen oder ir­gendeine Rolle in der Handlung spielen. Sie könnten genauso gut tot sein. Hier hat die Autorin also kategorisch viel Potenzial verschenkt, das den vierten und fünften Roman deutlich mit mehr Umfang hätte beleben können.

Man darf also wohl aus dieser Tatsache Folgendes schließen: Da sie Ericas Geschichte recht stark an die eigene Biografie ange­lehnt hat, hat sie schätzungsweise eine ähnliche Vergangenheit – ihre Mutter hat sie als uneheliches Kind bekommen und mit der eigenen Familie gebrochen, und das hat sich bis zur Gegen­wart nicht geändert. Weswegen Wild diesen Teil der Geschichte kategorisch ausgeblendet hat. Schade eigentlich. Wenn der Ro­man schon der biografischen Aufarbeitung in dieser Weise ge­dient hat, wäre doch eine – wenn auch real-fiktive – Wiederver­einigung ein schönes Mittel gewesen, um über das Medium des Romans der Wirklichkeit eine Brücke zu bauen. Aber das ist mei­nerseits natürlich nur eine Spekulation.

Insgesamt gesehen ist der Romanzyklus „Hard“ eine nette Le­seerfahrung gewesen, auch wenn der Zyklustitel doch ein wenig rätselhaft bleibt, dito die Coverillustrationen, und die Untertitel wie üblich manchmal etwas bemüht sind. Aber das ist Verlags­marketing, damit hat die Autorin ja nicht viel zu tun. Wer sich gern in eine leidenschaftliche, turbulente Liebesgeschichte stür­zen möchte und die Zeit vergessen will, ist hier durchaus rich­tig. Sehr viel Tiefgang sollte man indes nicht erwarten, und der reale Preis von mehr als 60 Euro für den gesamten Zyklus scheint mir doch etwas übertrieben. Glücklicherweise gibt es so etwas wie Antiquariate, um die Kosten zu senken …

© 2018 by Uwe Lammers

In der Folgewoche kehren wir ins Sujet der Science Fiction zu­rück und zu einem Problem, das wir in abgewandelter Form heu­te weltweit kennen – Plastik, speziell Plastikmüll. Was, wenn ge­länge, dafür eine grandiose Lösung zu finden … und sie dann nicht zu erkennen? Ich verrate nicht zu viel, aber das könnte buchstäblich das Ende der Welt bedeuten, wie wir sie kennen und wie es vor langer Zeit schon dieser Klassiker der SF-Litera­tur als bedrohlichen Schatten an die Wand malte.

Bis demnächst dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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