Rezensions-Blog 442: Perfect Passion 2 – Verführerisch

Posted Februar 6th, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

so, auf in die zweite superromantische Geschichte um den Milli­ardärsclub, der von der Autorin Jessica Clare mittels des Zie­hens aller romantischen Register und Anlehnungen an Disney-Klassiker zu ihrem Liebesglück gebracht werden (man merkt das schon überdeutlich am englischen Originaltitel!). Im ersten Band vor vier Wochen hatten wir es mit dem Hotelmagnaten Lo­gan Hawkings zu tun (der auch hier eine Nebenrolle spielt, auf eine sehr vergnügliche Art und Weise), nun wird einer seiner Kollegen mit einer weiteren Nebenperson des ersten Bandes in Kontakt gebracht und ist ziemlich schnell völlig von der Rolle.

Ich glaube, ich verspreche nicht zu viel, wenn ich sage, dass ro­mantische LeserInnen den Roman vermutlich in einem Rutsch verschlingen werden. Mir ging das jedenfalls beinahe so (der Tag hatte nur nicht genügend Stunden übrig). Jedenfalls steht euch, wenn ihr nach der Rezension intensivere Blicke in den Ro­man werfen möchtet, ein turbulentes Leseabenteuer bevor, in dem weder Romantik noch Humor zu kurz kommen.

Und was bedeutet das im Detail? Nun, lest einfach mal weiter …

Perfect Passion 2 – Verführerisch

(OT: Beauty and the Billionaire)

von Jessica Clare

Bastei 17158

352 Seiten, TB (Januar 2015)

Aus dem Amerikanischen von Kerstin Fricke

ISBN 978-3-404-17158-3

Gibt es Märchen, die Realität werden? Viele Menschen träumen notwendig davon, zumal dann, wenn es ihnen selbst ökono­misch schlecht geht. Aber die Chancen darauf sind doch sehr begrenzt. Und dann gibt es auch Personen, die denken, sie sei­en vom Schicksal verflucht, und individuelles Glück sei etwas, das sie sich nicht einmal mit sehr viel Geld kaufen könnten.

Ein solcher Mann ist der Milliardär Hunter Buchanan. Wiewohl erst gut 30 Jahre alt, ist er in seinem Innern verbittert und düs­ter, wozu er auf den ersten Blick jeden Grund hat: denn wer ihn anschaut, hält ihn im ersten Moment für einen attraktiven, gut aussehenden Kerl … bis er den Kopf dreht und man die grässli­chen Narben sieht, die eine Gesichtshälfte vollkommen entstel­len. Das und sein einer fehlender Finger sind die offenkundigen Blessuren einer biografischen Katastrophe, über die er nie re­det. Man nimmt den milliardenschweren Immobilien-Tycoon nach diesem zweiten Blick als narbiges Monster wahr – wahrhaf­tig ganz wie in dem Disney-Märchen „Beauty and the Beast“, nach dem der vorliegende Roman geformt wurde.

Es ist ein Zufall, der im ersten Roman der Reihe „Perfect Passi­on“ am Rande geschildert wurde und der hier wieder aufgenom­men wird, der sein Leben aus der Balance geraten lässt – wäh­rend er sich in einer gerade vakant gewordenen Immobilie auf­hält, kommen zwei Frauen zu Besuch, die hier Bücher aus dem Nachlass abholen sollen, um sie wohltätigen Zwecken zuzufüh­ren. Hunter beobachtet sie aus dem Dunkel und lauscht ihren Gesprächen.

Eine der Frauen, die mit Brontë angesprochen wird, scheint un­glücklich verliebt zu sein. Die andere, ein Rotschopf mit flapsi­ger Zunge, einem phantastischen Hintern und einfach nur toll aussehend, wird mit „Gretchen“ angesprochen. Und sie faszi­niert Hunter auf der Stelle, der sie aus dem Versteck heraus an­schmachtet.

Es dauert ein bisschen, bis er in dem Milliardärs-Geheimzirkel Brontë Dawson aus dem ersten Roman wieder sehen und über ihre Freundin Gretchen Petty ausfragen kann. Und dann schmie­det er einen Plan, wie er diese faszinierende, schlagfertige Frau in seine Nähe locken kann.

Gretchen Petty, 26 Jahre jung, ist Ghostwriterin in New York. Au­ßerdem verdient sie sich in Cooper’s Cuppa als Kellnerin ihren Lebensunterhalt. Dennoch ist sie notorisch knapp bei Kasse, und ihre Agentin Kat muss sie unentwegt mahnen, die Einsen­determine für die Schund-Romanreihe um „Astronaut Bill“ ein­zuhalten.

Ohne dass sie das nach außen jemandem erzählt, hasst sie die­se Arbeit inzwischen heiß und innig. Aber von irgendwas muss sie halt leben, nicht wahr? Und das Diner allein reicht dafür nicht aus, nicht im teuren New York.

Dann fängt das Märchen an, und es klingt wirklich ganz und gar verrückt: ein neu gegründeter Verlag habe von Gretchens Ghostwriterfähigkeiten gehört und wolle ausdrücklich SIE für ein neues Projekt gewinnen, das nicht weniger als 300.000 Dollar Honorar einbringe – sie solle einen alten Briefwechsel transkri­bieren und einen Briefroman daraus erschaffen. Also etwas voll­ständig anderes als die Trash-Science Fiction, die sie bisher ge­macht hat. Gretchen ist mit Recht vollkommen irritiert. Sie weiß selbst bestens, dass ihr Ruf als Ghostwriterin alles andere als gut ist – sie überzieht die Termine, arbeitet missgelaunt und un­motiviert. Das klingt also alles haarsträubend und unrealistisch. Aber vielleicht ist es die Sache tatsächlich wert. Das Geld könn­te sie auf jeden Fall gut gebrauchen, weil sie sich aus Stolz wei­gert, sich an ihre beiden Schwestern Daphne und Audrey zu wenden.

Nachteil des seltsamen Auftrages: Der exzentrische Kunde, der nicht namentlich genannt werden möchte, verlangt, dass die Briefe, da wegen Alters nicht transportabel, vor Ort ausgewertet werden sollen. Und das ist die Villa der Familie Buchanan. Trotz inniger Bedenken ihrer Agentin nimmt Gretchen den Job an und stößt damit unweigerlich ihren Boss Cooper vor den Kopf, der – wie ihr ihre Freundin Brontë Dawson inzwischen klargemacht hat – ziemlich intensiv in sie verschossen ist. Gretchen empfin­det ihren alten Studienfreund, der es zum eigenen Geschäft ge­bracht hat, aber nur als dies: als einen Freund, den sie mag. Lie­be ist da nicht im Spiel, nicht von ihrer Seite. Aber irgendwie kommt die Botschaft nicht an. Im sozialen Umgang hat Gret­chen so ihre Defizite.

Das wird noch abenteuerlicher, als sie ihr Reiseziel erreicht. Zu­sammen mit ihrer Nacktkatze Igor, mit der Gretchen zu reden pflegt – laut ihrer Schwester Audrey ein Grund zu ernster Sorge! – , kommt sie bei der Buchanan-Villa an, die eher einem Klini­kum alle Ehre machen würde von den Dimensionen. Es handelt sich um einen vierstöckigen, gigantischen Bau mit zahlreichen Flügeln, und offenkundig wird er nur von zwei Personen be­wohnt, nämlich dem exzentrischen Hunter Buchanan und sei­nem abweisenden, schroffen Butler Eldon, der keinen Hehl dar­aus macht, dass ihm Gretchens Anwesenheit missfällt.

Das ist ihr völlig gleichgültig – erst recht dann, als sie Hunter durch einen dummen Zufall bei ihren Streifzügen im Haus trifft, nachdem er geduscht hat – und alles, was er trägt, ist ein Hand­tuch, mit dem er sich das Gesicht trocknet.

Autsch. Die Begegnung ist für beide Seiten megapeinlich, und Gretchen schafft es, die Situation noch zu verschlimmern, in­dem sie notorisch die falschen Worte ausspricht. Hunter dage­gen ist von der Konfrontation so verschreckt, dass er komplett verwirrt reagiert.

Ja, er will unbedingt in ihrer Nähe sein, auf alle Fälle … einer­seits. Andererseits will er sie aber auch nicht verscheuchen, und er ist überzeugt davon, dass Gretchen ihn, wenn sie seine Nar­ben sieht, künftig nur noch darüber definieren wird und allen­falls bemitleiden würde. Oder, schlimmer noch, sie würde ge­wisse … Freiheiten seinerseits zulassen, nur weil er Geld hat.

Gretchen indes sieht ihn vollkommen anders. Sie beginnt, je länger sie im Buchanan-Haus wohnt, umso deutlicher hinter Hunters abweisende Fassade zu sehen und den zutiefst sehn­süchtigen, romantischen Kern in seinem Herzen zu erkennen. Er fasziniert sie, und seine Narben machen ihn nicht hässlich, nicht in ihren Augen, sondern vielmehr interessant. Aber eine jung­fräuliche Auster zu knacken, erweist sich als unglaubliche Ge­duldsprobe.

Und dann, als die Dinge sich gut entwickeln, bricht Gretchens chaotische Familie in Gestalt ihrer Schwester Daphne Petty in den Alltag des Buchanan-Hauses ein, ganz zu schweigen von ih­rer geldgierigen Agentin, und alles entgleist auf dramatische, tränenreiche Weise …

Auch dieser Roman, der zweite der romantischen Reihe „Perfect Passion“ ist dergestalt geschrieben und übersetzt, dass man ihn mühelos in zwei Tagen verschlingen kann, was sich auch wirk­lich empfiehlt. Da ich den Disney-Film nicht aus eigener An­schauung kenne (nur in Auszügen), kann ich natürlich nicht sa­gen, wie intensiv sie das Märchen hier verarbeitet hat. Aber dass der Stoff an sich superromantisch ist, daran kann kein Zweifel herrschen. Und ja, es ist einfach unglaublich süß, zu se­hen, wie die schnell mehr wollende Gretchen und der von inne­ren Zweifeln, Furcht und Unentschlossenheit zernagte Milliardär Hunter sich allmählich in einem Tanz der ständigen Nähe und Distanz annähern.

Besonders süß fand ich den „Rosentick“ des Milliardärs und sei­ne niedlichen, unbeholfenen Versuche, seiner Herzensdame et­was Gutes zu tun. Dabei bezieht er unter anderem seine Milliar­därskollegen ein, und der Leser muss einfach laut herausprus­ten, wenn ihm sein Freund Logan Hawkings empfiehlt: „Kauf ihr kein Restaurant!“ Hunter blinzelt verständnislos, aber Leser des ersten Bandes sind natürlich sofort im Bilde. Hat doch Logan versucht, auf diese Weise seinem Mädchen Brontë Dawson nä­her zu kommen. Es hat bekanntlich nicht funktioniert.

Schmunzeln musste ich auch, als Gretchen unvermittelt zur Schatzsucherin zu werden versuchte – sie findet in dem über hundert Jahre alten Schriftwechsel, den sie transkribiert, sehr detaillierte Informationen über einen Geheimgang in der Biblio­thek. Zu dumm, dass sie nicht ahnen kann, dass dieser Brief­wechsel nicht aus diesem Haus stammt. Sie sucht den Geheim­gang also am falschen Ort und bringt Hunter in einige Erklä­rungsnöte.

Traurig stimmte mich dann allerdings – aus eigenbiografischen Gründen heraus – diese Rosenmanie, die Hunter Buchanan ent­fesselt. Nichts gegen Schnittblumen oder deren romantische Aura … aber ich habe damit aus Prinzip meine Probleme, genau wie mit Weihnachtsbäumen. Pflanzen, die in ihrem evolutionä­ren Sinn dadurch brüsk abgetötet werden, um Menschen einen kurzfristigen Moment des Vergnügens zu schenken, halte ich für eine Perversion der Moderne. Das hat mir diese Geste, mit der Hunter Hunderte von Blumen meuchelt, doch sehr verleidet. Wer sich darum nicht bekümmert, der wird in diesem Roman in­des auf sehr kurzweilige und vergnügliche Weise unterhalten. Ja, wie es der Klappentext sagt: „Eine Serie zum Davonträumen und Dahinschmelzen.“

Eine eindeutige Leseempfehlung für romantische Seelen!

© 2019 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche reisen wir wieder in die dramatische Parallelwelt von James Rollins, der diesmal im neunten Abenteu­er der Sigma Force einen ausgesprochen dystopischen SF-Topos bedient und den Leser erst mal sehr gründlich und wirkungsvoll schockt.

Wie das konkret ausschaut? Nun, da müsst ihr noch eine Woche warten, Freunde.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

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