Liebe Freunde des OSM,
seit der Veröffentlichung der Romane um Anastasia Steele und Christian Grey wurden BDSM-Romane mehr oder weniger salonfähig. Und wie das bei solchen Roman-Modewellen häufig der Fall ist – wir hatten etwas sehr Ähnliches früher bei Vampir-Romanen nach „Twilight“, und auch da sind die meisten Epigonen inzwischen vergessen – , fällt es hier mitunter schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Will sagen: die gelungenen Epigonen von eher schlichten, einfallslosen Nachahmern zu scheiden.
In Astrid Martinis Roman spielt das Setting um dominant-devote Sexbeziehungen eine zentrale Rolle. Gewürzt wird das Ganze, um die Spannung zu intensivieren, mit einer hintergründigen Mordgeschichte. Und wiewohl die Story vergleichsweise gut lesbar geschrieben ist, begeht die Autorin doch einen kardinalen Fehler, was das Werk meiner Ansicht nach als eines ihrer Frühwerke, vielleicht den Romanerstling ausweist. Das hat natürlich Konsequenzen und führte schlussendlich dazu, dass ich doch etwas ernüchtert war, als ich das Buch ausgelesen hatte.
Was diese Andeutung aussagen will? Ich glaube, da ist es besser, ihr macht euch selbst mal ein Bild und lest weiter:
Eisrose
Von Astrid Martini
Heyne 54582 (vormals: Plaisir d’Amour)
288 Seiten, TB (2015)
ISBN 978-3-453-54582-3
Preis: 8,99 Euro
Leah Bendt ist eine junge Besitzerin eines exklusiven deutschen SM-Clubs – genau genommen ist sie Mitinhaberin, denn ihr Vater Joachim Bendt, ist der wirkliche Eigentümer. Als sich der Club in Zahlungsschwierigkeiten befindet, suchen die beiden eine Möglichkeit, einen stillen Teilhaber ins Boot zu holen und sich auf diese Weise zu sanieren. Es bietet sich ihnen eine verführerische Möglichkeit, als der bekannte Szenefotograf DomW bei ihnen seine Bilder ausstellen lässt. Leah ist allerdings einigermaßen konsterniert, als sie in dem bislang noch nie gesehenen Fotografen einen alten Bekannten wieder erkennt – Dominik Winter, ein herrischer, eiskalter Mann, der sie vor Jahren kaltblütig abblitzen ließ.
Aufgrund von Leahs immer noch bestehender Antipathie scheitert der Deal beinahe … aber dann lässt sich Dominik doch auf die Geschichte ein, hat aber eine pikante Zusatzbedingung: er besitze einen eigenen SM-Club in Nizza und suche dort, weil er zurzeit viele neue Besucher gewinne, noch nach einer Domina, die das dortige Personal verstärken könne. Da Leah in ihrem heimischen Club den dominanten Part erfüllt, erklärt sie sich damit einverstanden. Was tut man nicht alles, um das eigene Etablissement überleben zu lassen … aber Dominik soll sich nicht einbilden, er könne daraus gewisse … erotische Konsequenzen ableiten. Sie nimmt sich fest vor, standhaft zu bleiben. Immerhin ist er dominant und sie auch, und das geht bekanntlich nicht gut.
Zu dumm, dass das alles eine Falle ist.
Zu dumm, dass Leah rein gar nichts mehr zu sagen hat, sobald sie Nizza erreicht.
Denn als sie Dominiks Clubareal über Nizza betritt, wird sie umgehend betäubt und kommt erst in einem Kerker wieder zu sich – nackt und in Ketten sieht sie sich einem maskierten Foltermeister gegenüber, der ihr auf den Kopf zusagt, dass sie doch nur eine „Möchtegern-Domina“ sei und in Wahrheit der eigentlichen Natur gemäß eine devote Persönlichkeit sei.
Leah bestreitet das. Erst recht, als sie in dem Folterknecht niemand anderen als Dominik Winter erkennt, der sie nun gnadenlos auspeitscht.
Zu dumm: sehr bald muss sie realisieren, dass er die reine Wahrheit spricht – er lockt aus ihr die devote Veranlagung heraus und versucht durchaus mit einigem Erfolg, die „Eisrose“ aufzutauen und in eine anschmiegsame, devote Liebessklavin zu verwandeln. Eine freilich, die Dornen besitzt, einen eigenen Querkopf und die zudem recht widerspenstig sein kann.
Als sich die Verhältnisse in Nizza ein wenig normalisieren, macht Leah Bekanntschaft mit Dominiks ebenfalls dominanter, atemberaubend schöner Schwester Valérie, mit der sie sich alsbald anfreundet. Und Valérie ist es auch, die sie eindringlich davor warnt, sich intensiver mit ihrem Bruder einzulassen – er sei für seine Zornausbrüche berüchtigt und zugleich dafür, dass er keine Frau wirklich in sein Herz schließe. Das schlimmste Beispiel habe sich vor sieben Jahren ereignet, als er seine damalige Freundin Cathérine so sehr in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt habe, dass sie den Freitod gesucht habe.
Zu dumm, dass das nur die halbe Wahrheit ist. Denn Cathérine ist auf höchst perfide Weise ermordet worden. Und der Täter läuft nach wie vor frei herum …
Ich gebe zu, dass mich der Prolog schon am Kauftag dazu animierte, das Buch nicht auf den „Stapel ungelesener Bücher“ zu packen, die ich irgendwann mal lesen will, sondern vielmehr dazu führte, es in direkter Nähe zu haben. Sobald ich den Roman ausgelesen hatte, der mich gerade noch beschäftigte, griff ich nach diesem hier und begann damit, ihn zu schmökern – mit der Folge, dass er nach nur drei Tagen ausgelesen war. Was an und für sich ein gutes Zeichen ist. Aber … tja, es gibt schon ein Aber. Denn so gern ich der Autorin auch eine Chance geben wollte, war ich doch, zugegeben, relativ bald einigermaßen enttäuscht.
Woran lag das? Nicht zwingend am Schreibstil (das Lektorat hätte sich an manchen Stellen freilich mehr Mühe geben können, da finden sich kuriose Fehler), der war recht ansprechend und anregend. Dasselbe galt für das Setting. Nein, was ich problematisch fand, war die als roter Faden im Hintergrund mitlaufende Mordgeschichte.
Wenn man auf Seite 60 den Täter bereits kennt, kann einen das Finale 200 Seiten später nicht wirklich überraschen, sondern erfüllt allein das, was man sich als Leser die ganze Zeit schon denkt. Intellektuell fordert der Roman den halbwegs mitdenkenden Leser also überhaupt nicht. Der Grund dafür liegt auf der Hand: das Personentableau ist zu eingeschränkt. Es kreist im Kern um maximal fünf Personen, von denen einer als Hauptverdächtiger, einer als Ermittler und eine als potenzielles Opfer aufgebaut wird … da bleibt nicht mehr viel Spielraum für Interpretationen, ganz ehrlich.
Wie schön wäre es gewesen, ein paar sinistre Gäste, undurchsichtige Hausangestellte oder eifersüchtige Sklavinnen einzufügen, um mit dem Leser neckische Verwirrspiele zu spielen. Aber dafür ist der Roman dann wieder zu knapp gehalten, weist zu wenige Kapitel auf, und an vielen Stellen sogar ausgesprochene Längen.
Die Konsequenz sieht so aus, dass wir es hier leider mit einer eher schlicht gestrickten Standardkost zu tun haben, die man deutlich raffinierter hätte aufbauen können. Wer anspruchslose BDSM-Kost lesen möchte, kommt natürlich spätestens ab Seite 47 auf seine Kosten. Wer es gerne etwas komplexer haben möchte, um mitzugrübeln und lange echt im Dunkeln zu tappen, dem rate ich dann doch eher zu Geschichten von Julie Kenner, namentlich zu ihrem Zykluserstling um Damien Stark und Nikki Fairchild.
Nun, es gibt noch ein paar Romane der Autorin, die ich in meinen Regalen stehen habe – vielleicht sind die geschickter organisiert. Ich lasse es euch wissen, sobald ich sie geschmökert habe.
© 2018 by Uwe Lammers
In der kommenden Woche blenden wir einmal mehr um in den Romankosmos des Detektivs Isaac Bell, der es dieses Mal mit einem echten Monster zu tun bekommt, dessen Namen ich an dieser Stelle noch nicht verraten möchte.
Schaut einfach in der kommenden Woche wieder herein.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.