Liebe Freunde des OSM,
ich denke, es ist kein Geheimnis, dass ich Schatzsuchergeschichten liebe. Und wenn sie mit dem alten Ägypten zu tun haben, sind sie mir umso lieber. Auf die Spitze getrieben wird meine Leseneugierde zudem, wenn es sich bei dem entsprechenden Buch, das zur Lektüre ansteht, um ein Werk aus der Autorenschmiede des verstorbenen Clive Cussler handelt.
Damit landen wir beim Buch dieser Woche, das ich heute nach nur drei Schmökertagen auslas und bei dem ich gegen Ende wegen einer abenteuerlichen Volte des Schicksals herzhaft lachen musste.
Es geht um verschollene Pharaonenschätze, die über tausend Jahre vor der Zeitenwende in Sicherheit gebracht wurden. Aber eben nicht ausschließlich. In gewisser Weise ist das eine Art von bizarrer Rahmenhandlung, sozusagen das, was man traditionell erwartet. Was dann aber tatsächlich geschieht bei dem mörderischen Geschehen, das viele Leute gewaltsam ins Jenseits befördert, das ist so kurios, dass ich es in der Rezension nicht verraten durfte.
Aber ich glaube, das, was ich schon enthüllen darf, macht neugierig genug. Darum Vorhang auf für:
Geheimfracht Pharao
(OT: Journey of the Pharaohs)
Von Clive Cussler & Graham Brown
Blanvalet 1055
Januar 2022,11.00 Euro
512 Seiten, TB
Übersetzt von Michael Kubiak
ISBN 978-3-7341-1055-9
Im Jahre 1074 vor Christus befindet sich das alte Ägypten in einem krisenhaften Zeitabschnitt, der unter Archäologen heute die „Dritte Zwischenzeit“ genannt wird. Es ist eine problematische Epoche, in der mindestens zwei Pharaonen gleichzeitig in Ägypten regieren, einmal Ramses XI., dann aber auch ein Regent, der scheinbar aus dem Nichts auftauchte und zunächst Hohepriester war, ein Mann namens Herihor (manchmal auch Hrihor genannt). Er ist es, der hier anordnet, die Gräber der alten Pharaonen im Tal der Könige zu räumen und die Schätze abtransportieren lässt – ein Faktum, das historisch durchaus belegt ist, wenn auch nicht unbedingt an diese Person geknüpft.
Dieser Raubzug wird aber beobachtet, und ein kleiner Diebesjunge namens Qsn verfolgt die vermeintlichen Plünderer bis zu einer Flotte von großen Schiffen, auf denen er sich als blinder Passagier einschleicht. Die Schiffe verlassen Ägypten und werden nie wieder gesehen.
1927 ist ein spannendes Jahr für die globale Luftfahrtgeschichte. Es ist ein Preis ausgelobt worden für die erste Nonstop-Atlantiküberquerung. Ein Preis, der schließlich von Charles Lindbergh gewonnen wird und ihm Weltruhm beschert. Aber er hat einen Konkurrenten, der vorher startet und dasselbe Ziel verfolgt – einen Meisterpiloten des Ersten Weltkriegs namens Jake Melbourne … doch er kommt nie in Paris an und gilt als über dem Ozean abgestürzt und tot. Was ihm wirklich widerfuhr, ist um einiges bizarrer, aber es dauert Jahrzehnte, ehe das ans Tageslicht gelangt.
In der Gegenwart beobachten die NUMA-Männer Kurt Austin und Joe Zavala, die sich eigentlich zu Urlaubszwecken in Schottland aufhalten, wie ein Kutter während eines immer heftiger werdenden Sturmes unmittelbar vor ihrem Strandhotel auf Grund läuft und auseinander zu brechen droht. Es gelingt ihnen in einem waghalsigen Manöver, die Crew zu retten … aber nicht den Passagier, der im Innern des Schiffes ertrinkt, weil er noch etwas von dort bergen wollte.
Wenig später taucht erst eine temperamentvolle Journalistin namens Morgan Manning auf, und wenig später auch eine Gangstertruppe, die den geretteten Kapitän entführt. Spätestens da wird dem Leser klar – und den beiden Freunden auch – , dass sie mitten in ein ziemlich bleihaltiges neues Abenteuer gestolpert sind.
Während sich die vermeintliche Journalistin sich als Agentin des MI-5 entpuppt und Kurt Austin das Leben rettet, wird ihnen zunehmend klar, dass sie dringend die Fracht von dem Schiff bergen müssen, ehe es auf den Klippen zerschmettert wird. Unter dramatischen Umständen gelingt es, eine schwere Metallkiste an Land zu bringen und einen weiteren Angriff der Gegner abzuwehren. Laut Morgan gehören diese Leute einem Waffenhändlersyndikat an, der Bloodstone Group. Doch als der Koffer geöffnet wird, offenbart er … Steinplattenfragmente mit Hieroglyphen? Und offensichtlich das Logbuch eines Piloten. Alles in allem äußerst verwirrend.
Bald wird deutlicher, als sie den Ägyptologen Professor Henry Cross in London hinzuziehen, dass es sich bei den Tafelfragmenten mit ägyptischen Schriftzeichen um Teile eines größeren Textes handelt, in dem davon berichtet wird, wie der Pharao Herihor vor rund dreitausend Jahren einen unermesslichen Schatz außerhalb Ägyptens verborgen hat, der heute Hunderte von Millionen oder sogar Milliarden von Dollar wert sein muss. Die Bloodstone Group hat augenscheinlich vor, den Schatz zu bergen und ihn anschließend sukzessive auf dem internationalen Antiquitäten-Schwarzmarkt zu verkaufen, um damit ihren weltweiten Waffenhandel zu finanzieren. Leider können sich Kurt Austin und Morgan Manning ihres kurzfristigen Erfolges nicht lange erfreuen, denn die Gangster knöpfen ihnen wichtiges Fundmaterial bald wieder ab und liegen dann bei der Jagd nach dem Schatz klar in Führung.
Nun kommt es für das MI-5 und die NUMA-Mitarbeiter darauf an, unbedingt schnellstmöglich herauszufinden, woher diese Steinplatten stammten und wo, das vor allen Dingen, der dazu gehörige Schatz verborgen ist. Doch damit ist sogar der NUMA-Computer in den USA überfordert.
Um die allgemeine Verwirrung noch zu vergrößern, führt die Spur nach Spanien, an deren Grenze der nächste Zusammenstoß mit den Gangstern erfolgt. Und damit wird die Sache noch eigenartiger. Denn von einer Pyramide oder einem Grabmal ist weit und breit nichts zu finden. Doch in dem Wrack von Jake Melbournes Flugzeug finden die Söldner der Bloodstone Group die restlichen Trümmer der Steininschrift und fügen sie mit Computerhilfe zusammen.
Als klar wird, wo der Schatz sich offenkundig befinden muss, so unfasslich das auch klingen mag, setzt ein hastiger, dramatischer Wettlauf ein, und die Gangster sind absolut keine Vollidioten, sondern recht skrupellose Profis. Und die NUMA-Leute stehen dafür im Weg und sollen durch angeworbene Elite-Killer endlich liquidiert werden …
Eigentlich wollte ich mir mit der Lektüre dieses Buches etwas Zeit lassen, schließlich hatte ich ja erst kürzlich einen Cussler-Roman buchstäblich verschlungen … aber bei Graham Brown ist es tatsächlich unmöglich, langsam zu lesen – gerade wenn es dann auch noch um Schatzsuche und die Pharaonen geht, hört die Lesezeit bei mir einfach auf, limitiert zu sein und geht immerzu weiter. So kam es, dass ich auch diesen Roman binnen von drei Tagen verschlang.
Und ja, gegen Ende gab es einen Moment, wo ich herzhaft gelacht habe, weil die Wendung, die darin vorkommt, so unglaublich witzig ist, dass man sie eigentlich nicht erwartet. Ich meine, ich könnte dazu jetzt Näheres ausführen, aber ich darf weder den hier genannten Namen hinschreiben noch eine räumliche Lokalisierung vornehmen, das wäre eindeutig des Spoilers zu viel. Was im Grunde genommen schade ist, aber so notwendig die Spannung aufrechterhält. Ich deute nur mal an, dass man am Schluss die Story völlig anders lesen wird, als es sowohl Kurt Austin und Co. als auch die Gangster tun.
Eins sagen kann ich dagegen durchaus: Das Cover ist mal wieder in weiten Teilen frei erfunden, da – abgesehen vom antiken Prolog – nichts davon in Ägypten spielt und die Pyramiden da deshalb gar nicht hin gehören. Doch machen wir nichts vor – das sind wir als Leser von Clive Cussler-Romanen schon längst gewöhnt. Alles in allem haben wir sonst ein aufregendes, durchaus an vielen Stellen überraschendes Buch vor uns, das uns Kapitel für Kapitel auf der Suche nach den verschlungenen Pfaden des historischen Rätsels voranpeitscht.
Und ich für meinen Teil kann auf alle Fälle konstatieren, dass die Lektüre enormen Spaß macht. Langeweile kommt hier überhaupt nicht auf, ganz gleich, ob man ein südfranzösisches Chateau verteidigen und einen Speiseaufzug benutzen muss, ob man sich in einem Canyon einen Schusswechsel mit Plünderern liefert, einen Helikopterkampf durchzustehen hat oder sich abenteuerliche Verfolgungsjagden liefert … Brown versteht es definitiv nach wie vor, packend zu erzählen. Und wer einmal in der Geschichte drinsteckt, so meine Einschätzung, der kommt so rasch nicht wieder zum Vorschein.
Gelungene Lektüre – klare Leseempfehlung.
© 2025 by Uwe Lammers
In der nächsten Woche kehren wir auf ein sehr viel beschaulicheres Terrain ohne Feuergefechte zurück – in den privaten Beziehungskosmos des Cafés „Sugar & Spice“ …
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.