Liebe Freunde des OSM,
vor vier Wochen machten wir den ersten Ausflug in das beschauliche Örtchen Crimson Bay nahe Los Angeles und lernten das Café „Sugar & Spice“ kennen, das dem vierteiligen Romanzyklus seinen Namen gab. Dieses Mal geht es um die Mitinhaberin Siobhan Malloy und die bisweilen unkalkulierbaren Untiefen ihrer Seele und ihres Lebens.
Ich glaube, ich kann mit Fug und Recht sagen, dass es hier definitiv nicht langweilig wird. Wie in der Rezension erwähnt, sind alle beteiligten Personen auf ihre Weise „tiefe Wasser“, und das macht sie ausgesprochen menschlich. Denn mal Hand aufs Herz: glatte Persönlichkeiten, die von Anfang an vollkommen aufrichtig sind, werden doch im Grunde genommen meist recht schnell langweilig. Davon ist hier definitiv keine Rede. Auch Siobhans romantisches Interesse sucht sich nicht einen 08/15-Typen aus, sondern … nun, schaut am besten mal weiter:
Sugar & Spice 2: Wildes Verlangen
(OT: Sugar)
von Seressia Glass
Knaur 52162, Dezember 2017
400 Seiten (eigentlich nur 380), TB
Aus dem Amerikanischen von Christiane Sipeer
ISBN 978-3-426-52162-5
Das Café „Sugar & Spice“ liegt in der kleinen Ortschaft Crimson Bay an der Küste nahe Los Angeles, und hier haben sich Nadia Spiceland und ihre Kollegin Siobhan Malloy als stadtbekannte Bäckerinnen etabliert. Dass beide auf eine traumatische Suchtkarriere zurückblicken können, hat hier anfangs niemanden interessiert. In Wahrheit war Crimson Bay sogar so weitab von Schuss, dass es nicht mal so etwas wie Selbsthilfegruppen für Suchtkranke gab, weshalb die beiden Inhaberinnen kurzerhand selbst eine ins Leben gerufen haben. So lernten sie ihre Freundinnen Audie und Vanessa kennen, die ebenfalls diverse Schwierigkeiten haben. Insgesamt bilden sie eine Art Ersatzfamilie. Abgesehen von Audie, die sich mit ihrer Sexsucht ständig in amouröse Abenteuer stürzt, entbehren die drei Frauen aber aufgrund der Arbeitstaktung ihres Alltags eines wichtigen Faktors zur Vollständigkeit ihres Lebens: Männer.
Das änderte sich vor kurzem für Nadia Spiceland, die für das „Spice“ im Cafénamen zuständig ist. Sie hat inzwischen mit dem dynamischen und erotisch sehr versierten Professor Kane Sullivan den Mann fürs Leben gefunden.
Und dann läuft auch Siobhan jemand über den Weg, der sie nicht kalt lässt: Charlie O’Halloran, ein Jungunternehmer aus der Stadt, der einen Kurierdienst gegründet hat und sich schnell total in Siobhan verguckt. Auf dem Umweg, seine Kurierdienste für das Café anzubieten – was sich rasch für beide Seiten rentiert – , kommt er mit Siobhan zusammen, deren faszinierender Retrolook und deren atemberaubende Kurvigkeit ihn schlichtweg um den Verstand bringt. Seiner Aussage zufolge könnte Siobhan einem PinUp-Kalender der 60er Jahre entstiegen sein.
Das ist nicht so abwegig, wie es scheint, denn sie ist seit ein paar Jahren hobbymäßig als Burlesque-Tänzerin „Sugar Malloy“ unterwegs und hat hier einen breiten Fankreis gewonnen. Tatsächlich funkt es zwischen den beiden dann auch schnell heftig. Als sich Siobhan nach anfänglichem Zögern auf Charlie einlässt, vergisst sie auch relativ bald ihren Kummer wegen ihrer Tochter Colleen, die vor fünf Jahren jeden Kontakt zu ihr abgebrochen hat und ihre undankbaren Eltern, die ihr nach wie vor die einstige Tablettensucht vorhalten.
Es ist rasch deutlich, dass Charlie gern mehr von ihr möchte als nur heiße Nächte … aber warum bleibt er dann niemals über Nacht? Nein, er habe keine Frau und auch keine andere Freundin … aber er rückt mit der Sprache nicht wirklich heraus, wo bei ihm gewissermaßen der Hund begraben liegt.
Erst als Siobhans Freundinnen, allen voran Nadia, ihr vorhalten, sie verheimliche ihm doch auch noch so einiges, beschließen beide, reinen Tisch zu machen. Siobhan erzählt von ihrer Tablettensucht und der zerrütteten Beziehung zu ihrer Tochter. Und Charlie … berichtet davon, dass er eine Familie hat.
Siobhan ist völlig konsterniert, als sie das erfährt. Wie jetzt, eine Familie? Es dauert, bis ihr klar wird, dass die achtzehnjährige Lorelei und die beiden deutlich jüngeren Teenagerjungen nicht seine Kinder sind, sondern seine GESCHWISTER, um die er sich seit dem Unfalltod ihrer Eltern kümmert. Aber leider ist das noch nicht das einzige Geheimnis, das Charlie vor ihr hat. Das andere ist noch heftiger und fährt die aufkeimende Beziehung scheinbar vollends gegen die Wand.
Und dann taucht auch noch ihre leibliche Tochter Colleen im Café „Sugar & Spice“ auf, und das Chaos bricht aus …
Man kann sagen, was man möchte – die Frauen in Seressia Glass´ Vierteiler „Sugar & Spice“-Serie sind tiefe Wasser. Leidenschaftlich, erotisch, sehnsüchtig und innerlich tief zerrissen. Gerade dann, wenn man glaubt, alles würde sich nun einrenken, kommt irgendwie der nächste Nackenschlag und zertrümmert das ohnehin fragile Selbstbewusstsein der Protagonisten und verunsichert sie gründlich. Manchmal ist das echt peinigend.
In diesem Fall fand ich, dass sich Siobhan buchstäblich bis zur vorletzten Seite so was von im Weg stand. Hohe Moral in allen Ehren, Familiensinn auch … aber ja, das hatte schon etwas durchaus Masochistisches an sich, was hier passierte. Interessant war allerdings der Faktor der Kinder, der auf eine wunderschöne Weise die Geschichte belebt und die scheinbar unverrückbaren mentalen Standpunkte aufgeweicht hat. Ich glaube, besonders die kesse Lorelei werdet ihr lieben lernen. Die Volten gegen Schluss des Romans habe ich so nicht wirklich vorhergesehen – und ich fand es mutig, in dem Roman dann auf einmal auch vom Jugendamt zu lesen und von so tief zerklüfteten Familienbeziehungen, dass sie an Wahnsinn grenzten.
Natürlich wissen die Leser, die den ersten Band gelesen haben, dass Seressia Glass den Roman nicht verlassen kann, ohne die Verhältnisse zu kitten. Das ist nicht so ein Roman, sonst würde er sich zweifellos nicht so gut verkaufen. Für Romantiker, die auf nicht ganz so glatt geschmirgelte, emotional durchaus aufwühlende Liebesromane mit heftigen erotischen Szenen stehen, ist dieses Buch unbedingt geeignet.
Von meinem Blickwinkel her: unbedingte Leseempfehlung! Ich bin sehr neugierig auf die nächsten beiden Bände und die Leben von Audie und Vanessa. Demnächst mehr dazu an dieser Stelle.
© 2019 by Uwe Lammers
Etwas viel Achterbahnfahrt auf einmal? Well, dann erde ich euch mal ein wenig in der kommenden Woche … jedenfalls dann, wenn ihr ein ausgesprochenes Faible für Marvel-Superheldenfilme habt, denn dann werdet ihr jede Menge bekannter Charaktere wieder treffen, diesmal zur Abwechslung auf Buchseiten, nicht im Comic oder auf der Leinwand.
Bis dann, Freunde, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.