Rezensions-Blog 530: Sugar & Spice 4/E: Gefährliche Versuchung

Posted Oktober 14th, 2025 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es ist ein bisschen wie in der Mode oder der Kosmetik, muss ich rückblickend zu diesem Roman sagen, den ich 2019 recht zügig gelesen habe: Es kommt nicht primär auf die Optik an, die häu­fig zu blenden versteht, sondern auf die inneren Werte. Und wenn man schon genötigt ist, nach außen Hochglanz zu präsen­tieren, kann ein Blick hinter die Kulissen manchmal erschreckende Hohlheit offenbaren.

So war das hier beim Schlussband des Zyklus „Sugar & Spice“, der recht originell angefangen hat und hier dann auf ziemlich traurige Weise eine Bauchlandung erlebte und den ganzen auf­gebauten Glanz wie eine Silvesterrakete mit einem Knall ver­puffen ließ.

Es geht, gewissermaßen der Vollständigkeit halber, wie man das inzwischen von zahlreichen romantisch-erotischen Familien- und Freundeskreis-Serien kennt (spontan fallen mir da beispielswei­se die Milliardärs-Bände von Jessica Clare oder die Diamanten-Serie von Layla Hagen ein – ich komme beizeiten noch dazu, diese Rezensionen in den Rezensions-Blog zu transferieren, ver­sprochen), in diesem Roman darum, die letzte der Freundinnen dieser Serie erfolgreich unter die Haube zu bringen.

Und nein, das ist kein unangemessener Spoiler, da ich die De­tails hier auslasse. Tendenziell sind sie interessant, das will ich nicht leugnen, aber in den zentralen Aspekten so dermaßen vor­hersagbar (und eben gerade nicht: gefährlich! Das deutet ja auch der OT schon überdeutlich an), dass ich am Ende doch ziemlich ernüchtert war. Um nicht zu sagen: enttäuscht.

Wer dennoch gern erfahren möchte, wie sich Vanessa Longfel­lows Liebesleben erfüllt, der lese einfach der Vollständigkeit hal­ber weiter:

Sugar & Spice 4/E: Gefährliche Versuchung

(OT: Nice)

von Seressia Glass

Knaur 52185, Juli 2018

320 Seiten (eigentlich nur 283), TB

Aus dem Amerikanischen von Nicole Hölsken und Christiane

Sipeer

ISBN 978-3-426-52185-4

Um die Runde zu komplettieren, kümmert sich die Autorin Seressia Glass zum Schluss in dem Romanvierteiler „Sugar & Spice“ noch um die verbliebene Person in der Freundinnenrunde, die sich im Café „Sugar & Spice“ in der kleinen Universitäts­stadt Crimson Bay seit Jahren jeden Dienstag zu ihrem zärtlich „Bitch Talk“ genannten gemeinsamen Beratungsgespräch tref­fen, in dem inzwischen nicht nur die Fortschritte im Kampf ge­gen die diversen Süchte thematisiert werden, sondern sehr viel mehr auch noch die jeweiligen Liebesfortschritte.

Der dritte Band endete damit, dass eine der Inhaberinnen des Cafés, Nadia Spiceland, ihren geliebten Lebensgefährten Kana­me Sullivan zum Altar führen durfte (vgl. Rezensions-Blog 526, 17. September 2025). Der Brautstrauß flog sodann ihrer Freun­din und Geschäftspartnerin Siobhan Malloy zu, die auch schon recht zielstrebig in Richtung Ehehafen steuerte und nur noch ei­nen letzten Schubs brauchte. Ebenfalls auf dieser Hochzeit und damit am Ende des vergangenen Bandes vervollständigte die Beziehung zwischen Audrina McNamara und ihren beiden ge­liebten Männern.

Also ist da nun nur noch eine im Bunde übrig, die buchstäblich „übrig geblieben“ scheint – Vanessa Longfellow, Astrophysik-Do­zentin an der in Crimson Bay angesiedelten Herscher University. Ihr Ursprungsproblem: Alkoholismus, das klang schon kurz im ersten Band der Reihe durch, ging danach aber wieder komplett unter. Vanessa scheint ihr Leben voll unter Kontrolle zu ha­ben: sie organisiert Veranstaltungen, hält Seminare, veröffent­licht in renommierten Wissenschaftszeitschriften und hält sich sonst komplett vom Alkohol fern, der sie im fernen Detroit fast zerstört hätte.

Dass Vanessa ein tiefes Wasser ist, das selbst die Freundinnen all die Jahre nicht durchschaut haben, bekommt Audie McNama­ra als erste mit – als sie sich nach einem desaströsen One Night Stand, der sie statt ins Bett ins Krankenhaus beförderte, mit der stillen Vanessa zusammentut und sie nun auf Empfehlung ihrer Therapeutin Sex in einer kontrollierten Umgebung ausüben. Da­für wählen sie den BDSM-Club „Onyx“ aus, wo Audie anfängt, eine intensive submissive Rolle auszuleben … und ihr Rückhalt ist Vanessa, die hier die Rolle von „Mistress Vivienne“ einnimmt, einer Domse (wie die Dominas hier durchgängig genannt wer­den).

Vanessa erweist sich dabei zu Audies Erstaunen als Naturtalent, und selbst die Leiter des Clubs, die sie rasch in ihrer neuen Rolle anlernen, registrieren das mit großem Wohlwollen. Während aber Audie hier ihren einen künftigen Lebenspartner trifft, Nolan Reid, hat es ganz den Anschein, als ob Vanessa auch hier nur in eine neue Rolle schlüpft und ihr wahres Ich weiterhin verleug­net.

Allerdings lernt sie hier in den Monaten ihres Wochenend-Domi­na-Daseins einen männlichen Sub kennen, der sich stets maski­ert, ihr aber zunehmend treu ergeben ist. Er nennt sich Sam, und es ist offensichtlich, dass er gerne weiter in ihrer Dom-Sub-Beziehung gehen würde.

Auf Nadias Hochzeit trifft sie ihn dann unerwartet wieder, und das ist dann ein richtiger Schocker für Vanessa: es handelt sich um niemand Geringeren als den Cop Sergey Spiceland – Nadias Bruder! Das macht die Lage sowohl innerhalb wie außerhalb des Clubs … schwierig. Und wie üblich ist es natürlich die Frau, die sich da den Kopf primär zergrübelt.

Was um alles in der Welt mag Nadia von ihr denken, wenn sie mit ihrem Bruder anbandelt? Schlimmer noch: was wird sie wohl sagen, wenn sie ihr irgendwann mal (ob absichtlich oder zufäl­lig) erzählt, dass sie Sergey dominiert und er das gern mit sich machen lässt?

Interessanterweise ist das gar nicht das entscheidende Problem, da die Chemie zwischen ihnen allen hervorragend passt. Die Tü­cke liegt in einem anderen entscheidenden Detail – in Vanessas mangelnder Selbstachtung, die wiederum mit ihrer tyranni­schen Familie zu tun hat, die sie aus gutem Grund auf Abstand hält.

Aber dann kommt Thanksgiving und damit der 40. Hochzeitstag ihrer Eltern. Und ihre geliebte Großmutter Nana Belle bittet sie, nach Detroit zu kommen. Es wird, wie befürchtet, ein Trip in die Hölle …

Ich hasse es, wenn Autorinnen die Puste ausgeht, und das war hier so unübersehbar, dass es schon wehtat. Zwar gibt sich die Verfasserin erhebliche Mühe, die letzte der vier Freundinnen als ernstzunehmende Forscherin und Dozentin zu profilieren, aber sonst bietet insbesondere dieser familiäre Knatsch recht wenig Überraschungspotenzial. Arg überstürzt endet die Geschichte außerdem, so dass man das Gefühl bekommt, dass die Verfas­serin keine Lust mehr hatte, eine detaillierte und einigermaßen interessante Storyline zu entwickeln. Ein verflossener Brief­freund hätte an dieser Stelle sicherlich grimmig gelästert: „Standardhandlungen!!!“, und das würde tatsächlich stimmen.

Aus dem Zyklus ist die Luft heraus, und der vorliegende Band ist, wiewohl er interessanter Stellen insbesondere in der ersten Hälfte nicht entbehrt, doch im Kern der schwächste der gesam­ten Reihe. Dass der Verlag, um den diesmal deutlich überteuer­ten Preis zu halten, fast 40 Seiten „alte“ Romanseiten des ers­ten und zweiten Zyklusbandes abdruckte, ist eine Unverschämt­heit. Auch dass diesmal beide Übersetzerinnen antreten muss­ten, um diesen vergleichsweise schmalen Band zu übersetzen, ist nicht wirklich ein Ruhmesblatt. Vielleicht war der Wechsel zwischendrin durch vorrangigere (und lohnendere) Projekte er­zwungen, möglicherweise musste auch die eine Übersetzerin die Textfassung der anderen aufpolieren … keine Ahnung, was davon stimmt.

Faktum ist, dass ich am Ende doch etwas enttäuscht war. Dem theatralischen deutschen Titel wurde dieser Roman nun wirklich überhaupt nicht gerecht, das ist reine Schaumschlägerei gewe­sen, wie auch bei manchen der vorherigen Bände auch. Aber hier fällt es ganz besonders auf. Gefährlich ist hier rein gar nichts, leider. Wer Gefahr sucht, sollte sie beispielsweise bei Au­drey Carlans „Trinity“-Zyklus suchen, da kräuseln sich wirklich die Nackenhaare, oder bei Lauren Rowes „The Club“. Das hier ist nur ein seichtes Kräuseln der Harmoniewellen in der Bucht von Crimson Bay, mehr nicht, gewissermaßen kurz vor dem Ver­landen.

Nur zu empfehlen für Leserinnen und Leser, die den Zyklus un­bedingt vollständig lesen möchten. Beim nächsten Zyklus emp­fehle ich der Autorin mehr Puste für einen erfüllenden, vollstän­digen Zyklusbogen. Das hier hat nicht wirklich funktioniert.

Schade.

© 2019 by Uwe Lammers

Wohin die Lesereise in der kommenden Woche geht, mag ich hier noch nicht verraten … ich würde sagen, da lasst euch ein­fach mal überraschen.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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