Liebe Freunde des OSM,
moderne AutorInnen neigen zunehmend dazu, erotisch-dramatische Romantikgeschichten in Form von Trilogien zu verarbeiten, was vermutlich auch dem Kalkül der Verlage immer mehr entgegenkommt. Dabei werden dann auch unlautere Mittel – meiner Ansicht nach – eingesetzt, um den Absatz zu verstärken.
Dazu zählt beispielsweise eine dramatisierende Titelwahl, die in vielen Fällen zwar zu netten Alliterationen führt, aber zumeist am eigentlichen Inhalt der Geschichte gründlich vorbeigeht und zudem mit dem ursprünglichen Originaltitel nur noch wenig gemein hat. Das merkt man hier wieder.
Kitty French hat sich mit dieser Trilogie des beliebten Beziehungsthemas angenommen, das im Grunde nur dadurch aus dem Beliebigkeitsraster etwas heraussticht, als es sehr gefällig übersetzt ist. Werft einfach mal einen näheren Blick auf den ersten der drei Bände:
Verbotene Versuchung
(OT: Knight & Play)
Von Kitty French
Lyx (keine Verlagsnummer!), 2014
320 Seiten, TB
ISBN 978-3-8025-9423-6
Aus dem Englischen von Charlotte Seydel
Sophie Black ist seit vielen Jahren mit ihrem Ehemann Daniel verheiratet, bislang kinderlos, und sie bildet sich ein, eine Art von entspannter Bilderbuchehe in England zu führen. Sie haben einen eigenen Hausstand, ihr Mann ist als erfolgreicher Geschäftsmann immerzu auf Reisen, und sie selbst arbeitet als Assistentin in einer Firma, in der ihr der übergriffige, aufgedunsene Chef immer wieder unschön auffällt. Außerdem merkt sie in letzter Zeit (nun, seit mehr als einem Jahr, um genau zu sein), dass Dan sich innerlich offenbar immer mehr von ihr entfernt. Anfangs scheint ihr das ganz normal zu sein, die stürmische Hitze der frühen Ehe kühlt sich halt ab – aber bald hat hat Sophie das unschöne Gefühl, dass ihr Mann sich eine Geliebte hält und sich deshalb von ihr zunehmend entfremdet.
Ihre beste Freundin, Kara, die im Gegensatz zu ihr ein ausgesprochenes Modegeschick besitzt, rät ihr auch in Anbetracht von Sophies übergriffigem Chef dazu, doch einen neuen Job zu suchen. Als Dan zu einer Dienstreise aufbricht, lässt sie sich von Kara bei der „Optimierung“ ihrer Bewerbungsunterlagen helfen und begeht in einem Anflug von Leichtsinn den Fehler, sozusagen um dem Glück ein wenig abergläubisch auf die Sprünge zu helfen, den Briefumschlag mit der Bewerbung zu küssen.
So fällt diese Bewerbung dem charismatischen Firmenchef Lucien Knight auf, dessen Vorstellungen einer guten Sekretärin sich – absurderweise – an der Fähigkeit entscheiden, ob sie gut Kaffee kochen kann. Doch dann lädt er Sophie Black zum Vorstellungsgespräch, das sich auf ziemlich abenteuerliche Weise entwickelt.
Knights Firma, die er als Alleininhaber führt, ist führend auf dem Marktsegment der Entwicklung von Liebesspielzeug, und er unterhält eine Vielzahl von Clubs („Sexclubs? Echt jetzt?“) in ganz Europa. Und vom ersten Moment an prickelt es zwischen Sophie und ihm mächtig. Während sie überhaupt nicht glaubt, dieser Stelle als seine Assistentin gewachsen zu sein, weil sein wikingerhafter Sex-Appeal sie völlig aus der Bahn wirft und sie ständig erotischen Anfechtungen aussetzt, mit denen sie nie gerechnet hat, beginnt er kurzerhand damit, umfassende biografische Nachforschungen über die auf ihn unglücklich wirkende junge Frau anzustellen. Dabei entdeckt er auch Sophies definitiv untreuen Ehemann, der sich nicht, wie sie annimmt, auf einer Geschäftsreise befindet, sondern in einem Urlaub am Mittelmeer, zusammen mit seiner Geliebten, die er schon seit drei Jahren aushält.
Wenn Lucien Knight etwas nicht ausstehen kann, ist es Untreue – das hat tief verwurzelte biografische Gründe, über die er sich konsequent ausschweigt. Und so entschließt er sich, schäumend vor schwelendem Zorn, seiner wunderbaren und attraktiven Assistentin eine sinnliche Alternative zu bieten: sich selbst. Denn er kommt zunehmend zu der Überzeugung, dass ihr dämlicher Kerl von Ehemann überhaupt nicht weiß, was für einen Schatz er da in seinem eigenen Bett hat. Und Sophie Black zieht Lucien auf eine Weise zudem an, die selbst für ihn und seinen extravaganten und leichtlebigen Lebensstil singulär ist.
Als er sie schließlich selbst eine Woche in die Ferne nach Norwegen entführt, um ihr sinnliche Dimensionen zu zeigen, die Sophie bei all ihre Schüchternheit und Gehemmtheit nicht für möglich hält, da explodiert ihre temporäre Beziehung auf nachgerade atemberaubende Weise. Aber es ist eben nur eine paradiesische, lustvolle Woche, und danach muss Sophie wieder zurück nach Hause und ihren untreuen Gatten und sich selbst mit der Realität konfrontieren. Oder …?
Es war ein Zufallsfund, als ich die dreibändige Erotik-Trilogie, die unter normalen Umständen 30 Euro gekostet hätte, für 7.50 Euro antiquarisch komplett entdeckte. Aber ich war selbst überrascht, wie stürmisch schnell sich der Band las – fast hätte ich ihn an einem einzigen Tag ausgelesen, was selbst für meine Verhältnisse sehr flink ist. Grund dafür sind insbesondere der flüssige Schreibstil und die geschmeidige Übersetzung, die auch bei stürmischen und sehr expliziten Liebesszenen nicht ins Schleudern kommt oder hölzern wird. Die Übersetzerin war spürbar mit Leidenschaft bei der Sache, und die Autorin beim Schreiben desgleichen.
Die Geschichte an sich ist natürlich vergleichsweise spannungsarm und erinnert durchaus ein wenig an „Fifty Shades of Grey“ (ohne SM-Zutaten). Wir haben es hier mit der klassischen Viereck-Geschichte zu tun, die im Kern durch die Untreue-Geschichte und die moralischen Reserven gestaltet wird. Sie ist eindeutig auf Geschwindigkeit geschrieben, weswegen der erste Roman der Trilogie auch nicht sehr viel mehr als ein paar Wochen Handlungszeit enthält. Ähnlich wie bei E. L. James wird die subjektive Innenzeit der Geschichte durch die ausführliche soziale Interaktion der Protagonisten gedehnt. Wer also komplexe Geschichten erwartet oder hochdramatische Action, der ist hier vollständig fehl am Platze. Wer sich aber beispielsweise bei Samantha Young („Edinburgh Love Stories“) gut unterhalten fühlte und nur meint, es hätte dort ein wenig mehr explizite erotische Aktion geben können, der ist in dieser Geschichte gut aufgehoben.
Wie gesagt, sie liest sich sehr geschwind und geht am Ende nahtlos in den zweiten Band über, den ich mir auch tatsächlich gleich aus dem Regal zog, um ihn anzufangen (aktuell bin ich schon auf Seite 82, die Lesegeschwindigkeit dort entspricht also sehr der des ersten Romans). Ein wenig lästig fand ich, dass am Schluss 20 (!) Seiten Vorschau auf andere Werke folgten.
So nett die Lyx-Bände also auch gemacht sind, so unschön fällt das hier auf – etwa auch schon bei den analogen Trilogie-Bänden von Lara Adrian, die ich im vergangenen Jahr las. Auch den fehlenden Bandnummern auf dem Buchrücken sieht man leider deutlich an, dass Lyx in gewisser Weise (zumindest für meinen Geschmack) ein Billiglabel ist, das optisch deutliche qualitative Abstriche gegenüber etablierten Marken wie Heyne/Random House, Bastei, Blanvalet oder etwa Goldmann zeigt.
Aber wen das nicht weiter interessiert, sondern wem nur an locker-leicht lesbarem Lesestoff gelegen ist, der ist hier durchaus goldrichtig.
© 2019 by Uwe Lammers
In der nächsten Woche reisen wir dann wirklich weit zurück in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts, als eine originelle Storysammlung aus dem Sektor der Science Fiction antiquarisch den Weg zu mir fand.
Ich erzähle euch nächstes Mal Näheres dazu.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.