Rezensions-Blog 537: Der Zorn des Poseidon

Posted Dezember 2nd, 2025 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

der nach meiner Kenntnis vorerst letzte Roman, den Robin Bur­cell als Coautorin des verstorbenen Autors Clive Cussler hiermit vorlegt, führt uns mal wieder in den Dunstkreis des Abenteurer­duos Sam und Remi Fargo … obwohl das nicht so vollkommen korrekt ist. Denn das bezieht sich auf die Rahmenhandlung, die nicht sehr viel Raum in der Gesamtgeschichte einnimmt. In der Vergangenheitshandlung des Romans – gewissermaßen ein Ro­man im Roman, wenn man so will – wird der Leser in die Vergan­genheit zurückgeschickt, und man lernt Sam Fargo und Remi Longstreet kennen, ehe sie ein Paar wurden … und die abenteu­erlichen Umstände, unter denen sie zusammenkamen.

Auch wenn meine folgenden Worte gelegentlich etwas sehr kri­tisch klingen mögen, schicke ich voran, dass es sich um einen sehr unterhaltsamen und aufschlussreichen Roman handelt. Und ja, natürlich geht es dabei auch um eine Schatzsuche.

Vorhang auf für:

Der Zorn des Poseidon

(OT: Wrath of Poseidon)

Von Clive Cussler & Robin Burcell

Blanvalet 1057; 2023, 12.00 Euro

544 Seiten, TB

Übersetzt von Michael Kubiak

ISBN 978-3-7341-1057-3

Die Geschichte fängt in einer Zeit an, für die ich sehr viel Sym­pathie hege – in der klassischen Antike. Im Jahre 546 vor Chris­tus hat das persische Kaiserreich unter Kyros II. das Reich des Königs Krösus von Lydien in Kleinasien bezwungen, und die le­gendären Schätze des Krösus sind nun Eigentum des persischen Regenten. Ein wesentlicher Teil davon lagert in Sardes. Doch er­weist es sich, dass der dortige persische Satrap Paktyes ge­meinsame Sache mit Piraten von der Insel Samos macht und die Goldmünzen durch Fälschungen mit Bleikernen ausge­tauscht hat. Der Schatz verschwindet in den Nebeln der Zeit und wird nie gefunden.

In der Gegenwart sucht das Schatzsucher-Ehepaar Sam und Remi Fargo in Washington, D.C., einen alten Bekannten der Le­ser auf – den vermögenden, ungemein belesenen und volumi­nösen Historiker und Gourmet St. Julien Perlmutter. Sie benöti­gen seine Hilfe, um eben jenen Schatz ausfindig zu machen, von dem im ersten Absatz die Rede war. Aber damit, erklären sie, haben sie schon zehn Jahre zuvor zu tun gehabt und waren damals erfolglos. Das habe Gründe gehabt, die ziemlich kompli­ziert darzulegen seien.

Perlmutter ermuntert die Fargos, ihm davon zu berichten.

Wie viel Zeit haben Sie?“, fragt Sam Fargo.

Perlmutter lächelte selig. „So viel, wie Sie brauchen. Und lassen Sie bloß nichts aus.“

Tja, und daran hält sich der Roman wirklich äußerst akribisch. Denn von Seite 37 bis Seite 486 (kein Witz!) erstreckt sich nun die Erzählung der Fargos, die uns zehn Handlungsjahre zurück­versetzt. Zurück in eine durchaus abenteuerliche Zeit, in der die beiden Schatzsucher noch nicht als Ehepaar zusammen waren, womit wir zeitlich vor den ersten Roman der Fargo-Reihe, also „Das Gold von Sparta“ zurückversetzt werden.

Sam Fargo ist zu der Zeit noch ein mittelloser ehemaliger DAR­PA-Ingenieur, der an seinem Plan tüftelt, einen revolutionären Argon-Laser zu entwickeln und dafür in Kalifornien bei seinem Studienkollegen Blake Thomas wohnt und seinen Lebensunter­halt davon bestreitet, in einem Supermarkt Regale aufzufüllen und zeitweise zu surfen.

Bei einer Party trifft er eine umwerfende Frau in Begleitung ihrer Freundinnen … und ist hin und weg. Blake meint zwar, sie sei sowieso für ihn unerreichbar und ohnehin eine „Ostküsten-Schnepfe“, die Männer nach Geld einschätzte. Doch wie wir ja schon im Film „TITANIC“ mitbekommen haben, hat das ent­schlossene Männer noch nie davon abgehalten, sich auf roman­tische Abenteuer einzulassen.

Nun, die Frau heißt Remi Longstreet und kommt in der Tat aus der besseren Bostoner Gesellschaft. Obwohl ihre Freundinnen ihr tatsächlich energisch von einer näheren Bekanntschaft mit Sam abraten, springt ein Funke der Sympathie schnell über. Und nachdem er ihr geholfen hat, noch einen Schnellkurs in Wrack­tauchen mit entsprechendem Zertifikat zu machen, bricht sie auf nach Griechenland, um befreundeten Archäologen dort nahe der Insel Fourni bei der Kartierung versunkener Schiffe zu helfen. Sam bleibt in Kalifornien, wo Blake versucht, für sein Projekt Investoren an Land zu ziehen. Für sie ist das Abwechs­lung in ihrem Job als Dolmetscherin, für den sie sich von ihren Eltern gelöst und nach Kalifornien gezogen ist.

Doch dann kommt ein rätselhafter Anruf von Remi aus Grie­chenland … und Sam lässt, wider alle Vernunft, alles stehen und liegen und fliegt ihr nach auf die Insel Fourni. Die Bauchent­scheidung, der sich noch zahlreiche weitere in diesem Roman anschließen werden, ist äußerst notwendig: Denn Remi und ihr Freund Dimitris Papadopoulos sind auf See entführt worden, ohne den Grund dafür zu kennen.

Ohne es zu ahnen, sind sie Augenzeugen eines Verbrechens ge­worden, das sie selbst gar nicht wirklich realisiert haben, und nun sollen sie als mutmaßliche Zeugen beseitigt werden – was Sam Fargo auf abenteuerliche Weise verhindert. Auf diese Weise aber geraten sowohl Fargo wie Remi Longstreet und ihre Freun­de auf der Insel Fourni in die Kreise eines kriminellen Unterneh­mers namens Adrian Kyril, der – wie sich schließlich herausstellt – nach genau demselben Schatz sucht, der rund 2500 Jahre zu­vor verschollen ist. Und dafür geht er über Leichen. Doch leider ist das nur ein kleiner Teil des Problems. Und der legendäre „Dreizack des Poseidon“, erweist sich als ein vertracktes Myste­rium, das zahlreiche Leben zerstört. Dabei erleidet die aufkei­mende Beziehung zwischen Sam und Remi offenbar unheilbaren Schaden …

Es war außerordentlich spannend, diese seltsame Schatzsucher­geschichte zu verfolgen, in der die beiden Hauptpersonen meh­rere hundert Seiten lang überhaupt keine Ahnung von einem Schatz haben, sondern sehr darum bemüht sind, sich und ihre Freunde aus den Machenschaften des Adrian Kyril herauszuhal­ten, mit dessen Schergen sie dennoch immer wieder aneinan­der geraten. Wir bekommen es als Leser mit sehr sturen Grie­chen zu tun, die offenbar immer wieder Schwierigkeiten suchen, und mit einem Verbrechersyndikat, das schon im Klappentext verraten wird. Überhaupt: der Klappentext! Ein Text, der quasi alles bis Seite 500 bereits ausplappert … so etwas gehört im Grunde verboten! Der Schlusssatz davon ist sowieso Quatsch.

Dann der Titel: Der Titelbezug hört munter auf Seite 28 auf, der Rest ist, streng genommen, eine völlig andere Geschichte. Wie schon beim Vorgängerroman „Das Orakel des Königs“, wo das noch krasser der Fall war, hat man hier bei der Lektüre das Ge­fühl, dass der Titel von dritter Seite aufgedrückt wurde und eher eine Verlegenheitslösung darstellte. Robin Burcell versteht es zwar, lebendige Geschichten zu erzählen (auch wenn zahllose Protagonisten hier mal wieder nur mit Vornamen vorkommen und eher flüchtig skizziert werden), aber mit den Fargos hat sie von neuem ernste Darstellungsprobleme. Das bezieht sich bei Sam besonders auf die Schusswaffennutzung.

Nun kann man natürlich sagen: Okay, es ist die Frühzeit, die Be­ziehung ist noch nicht stabilisiert, da verhalten sich die Perso­nen halt anders. Und es sind ja gerade Sams Schusskünste, die dann einen ernsten Keil zwischen die beiden Liebenden treiben. Aber am Schluss in der Gegenwartshandlung wird genauso eis­kalt getötet wie zuvor, und das passt mit dem bisherigen Bild der Fargos nun definitiv nicht zusammen.

Haben wir also einen misslungenen Roman vor uns, mögt ihr euch vielleicht fragen, denn meine skeptischen Worte scheinen das ja anzudeuten … nein, durchaus nicht. Was Burcell sehr schön gelingt, ist das Darstellen der in sich widersprüchlichen frischen Beziehung der Liebenden, auch vermag sie die herzli­che griechische Gastfreundschaft wunderbar warmherzig zu zeichnen. Wenn man sich also mal vom theatralischen und ver­räterischen Klappentext löst und von dem Glauben, es ginge ausschließlich um die Schatzjagd, dann wird man mit einem äu­ßerst lebendigen Romangeschehen belohnt, das besonders Sam und Remis sehr unterschiedliche Temperamente und Fähigkei­ten solide herausarbeitet. Aber gebt euch keinen Illusionen hin – wir haben hier ein Werk vor uns, das in außerordentlich prüden modernen Zeiten geschrieben wurde. Mehr als Küsse tauschen die Liebenden also nicht aus, dabei könnten sie auch wirklich Teenager sein. Irgendwelche Erotik, die in frühen Cussler-Roma­nen durchaus noch manifest vorhanden war, sucht man hier völlig vergebens.

Auch wenn die Autorin mit der ursprünglichen Skizzierung der Fargos erkennbar Probleme hat, würde ich also sagen, der Ver­lag hat damit deutlich mehr Schwierigkeiten. Fans sollten sich den Roman also trotz allem nicht entgehen lassen. Insofern gebe ich gern eine Leseempfehlung dafür ab.

© 2025 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche werden wir dann, in gewisser Weise, wieder bodenständiger, aber zugleich verlieren wir im Bereich der „ungeschehenen Geschichte“ auch den Boden wieder unter den Füßen.

Wie ich das meine? Nun, das erfahrt ihr in der kommenden Wo­che an dieser Stelle.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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