Liebe Freunde des OSM,

ich nehme an, ihr kennt das Phänomen alle irgendwie: Man hat etwas liebgewonnen und möchte nicht, dass es endet. Das gibt es in den verschiedensten Variationen und Lebenssituationen – ob es sich um Beziehungen handelt und man den Partner oder die Partnerin nicht gehen lassen möchte, ob es sich um eine Serie handelt, die man sich anschaut und die am liebsten bis in alle Ewigkeit weiterlaufen sollte … ob es Bücher sind, an denen man sich festgelesen und die Nächte um die Ohren damit ge­schlagen hat, nur um dann mit Bedauern feststellen zu müssen, dass sie eben doch eine letzte Seite haben … ob es sich um Ur­laube handelt, die man nicht beenden will, weil es euch da so gut gefällt …

Ja, ich schätze mal, diese Erfahrungen habt ihr alle auf die eine oder andere Weise schon mal gemacht.

Heute möchte ich mal ein Wagnis beginnen und von einer Varia­tion dieses Themas erzählen, die mich selbst betrifft. In schlich­te Worte gefasst, könnte man es so beginnen:

Als Phantast und Schreiber bin ich jemand, der Geschichten schreibt und sie üblicherweise veröffentlicht – ob auf Webseiten, in Fanzines oder in Form von E-Books, das Muster ist stets gleich, und es setzt natürlich eins klar voraus: Geschichten, die in sich möglichst abgeschlossen sind (Serien wie die KONFLIKTE des Oki Stanwer Mythos (OSM) lasse ich hier mal außen vor, weil sie ein Spezialfall sind; wer meinem Blog seit Jahren folgt, der weiß, dass sich die Arbeit daran mitunter über Jahrzehnte hinziehen kann).

Jetzt könnte man mich fragen, ob ich die nämliche oben er­wähnte Erfahrung auch schon gemacht habe. Ja, habe ich, und zwar seit Jahrzehnten wieder und immer wieder. Daraus resul­tieren bei mir üblicherweise „Baustellen“, wie ich das intern für mich nenne. Das sind Geschichten, die in meinen monatlichen „Work in Progress“-Blogs stets in Klammern () auftauchen. Viele davon sind kommentierte Episodenabschriften, und die meisten von ihnen kann ich dann in der Tat binnen weniger Monate ab­schließen … aber dann gibt es eben Titel, die mit einer nachge­rade penetranten Aufdringlichkeit immer wieder erscheinen. Ein, zwei, drei Jahre nacheinander.

Baustellen, die irgendwie nicht enden wollen. Oder sollen … das ist manchmal sehr schwer zu entscheiden. Üblicherweise the­matisiere ich solche Werke nicht sehr intensiv oder nur so kur­sorisch mit Bemerkungen wie „Habe daran weitergeschrieben … aber nicht sehr intensiv“ oder „…ist aber immer noch nicht fer­tig“ usw.

Das sind Langzeitbaustellen oder Langzeitprojekte.

Langzeitprojekte haben üblicherweise drei Charakteristika, die sie bei aller heterogenen Inhaltsform gemeinsam haben. Ers­tens: Sie sind zumeist ziemlich alt. Zweitens: Ich greife diese Texte immer wieder auf, feile daran herum, ergänze Dialoge, kürze dies oder jenes heraus, korrigiere die Grammatik, perfek­tioniere den Plot … aber sie werden einfach nicht fertig. Drittens ist ihnen – meist – eigen, dass sie recht seitenstark sind. Das ist üblicherweise ein Charakteristikum einer Geschichte, die kurz vor der Vollendung steht.

Aber das täuscht in diesen Fällen in der Regel. Da können die Fragmente auch über 600 Textseiten erreichen, und sie sind gleichwohl immer noch nicht fertig, manchmal noch nicht ein­mal auf der Zielgeraden.

Woran liegt das?

Es gibt verschiedene Ursachen dafür. Eine liegt im Versiegen des inneren Bilderflusses, der mich dazu bringt, eine Geschichte überhaupt erst niederzuschreiben. Das Phänomen kenne ich auch von Kurzgeschichten und Novellen, das ist also kein No­vum. Die meisten der solcherart stockenden Geschichten wer­den dennoch relativ zügig vollendet … das ist natürlich abhän­gig davon, ob sich dann die passende, sagen wir zündende Schreibstimmung einstellt. Das kann schon ein paar Jahre dau­ern.

Dann gibt es, zweitens, jene Geschichten, die ich zwar rasch und schnell starte und die ein gewisses Volumen erreichen … und dann stockt die Handlungsführung. Das ist etwas ganz an­deres als ein stockender Bilderfluss. Denn wenn so etwas ge­schieht, ist auf einmal der Zielfokus der Geschichte verschwun­den oder erweist sich als nicht umsetzbar.

Das ist eine üble Sache, die schlimmer wird, je älter das diesbe­zügliche Fragment ist. Es kann im Zweifelsfall dazu führen, dass das Fragment komplett abstirbt und gar nicht mehr vollendet wird. Ich schätze, in weiteren Folgen dieser losen Artikelreihe werde ich zu einigen davon mehr sagen, dann könnt ihr das ver­mutlich besser nachvollziehen.

Und der dritte und meist entscheidende Grund für die dauerhaf­ten Baustellen, die ich z.T. über reale Jahrzehnte mitschleppe, besteht in etwas eigentlich sehr Sympathischem: Ich kann mich von den Protagonisten nicht lösen.

Wo das Problem dann ist? Das ist doch toll – so soll es bei Schriftstellern doch in der Regel sein … ja, im Grunde schon. Aber wir kennen das auch von arrivierten Schriftstellern, die ihre Protagonisten nicht ziehen lassen möchten. Das führt zu seltsa­men Resultaten.

Erinnert euch, beispielsweise, an Autorinnen wie Sylvia Day, die aus ihrer „Crossfire“-Trilogie unvermittelt einen Fünfteiler mach­te. Denkt meinethalben an Robert Ludlum und Eric van Lustba­der, die aus der „Bourne-Trilogie“ letzten Endes mehr als ein Dutzend Romane entwickelten. Denkt an Julie Kenner, die ihren Kosmos um Damien Stark und seine Gefährtin Nikki nicht ver­lassen wollte und Geschichte um Geschichte um Geschichte an­fügte, bis aus diesem Familienkosmos eine so unüberschaubare Vielfalt an Neuzyklen und Unterzyklen, E-Book-Novellen usw. ge­worden war, bis man meinte, sogar die Mahlzeiten erzählt zu bekommen oder die Blähungen der Kinder …

Das sind Symptome, wo die fiktiven Figuren, die die Autoren entwickeln, gewissermaßen Teil der Familie und des täglichen Ablaufs werden. So ähnliche Fälle kommen bei mir eher selten vor … aber es gibt schon seltsame Auswüchse, wenn ich mich von Protagonisten nicht trennen kann oder möchte, weil ich es einfach so genieße, in ihrer Nähe zu sein, ihnen und ihrem Le­ben über die Schulter zu schauen.

In drei Schreibsphären, in denen ich unterwegs bin, im Archipel, dem Erotic Empire und dem Oki Stanwer Mythos, kommen der­lei Auswüchse vor, und zwar schon seit über 20 Jahren. Zwar gibt es auch jenseits davon solche Langzeitprojekte, aber ich möchte mich hierauf beschränken. In den Listen, die ich hierfür anlegte, sind jetzt schon mehr als 30 Werke zu finden, Stoff für Jahre des Berichtens.

Gewissermaßen ist diese Artikelreihe als Kompensation für die sonst eher stiefmütterliche Behandlung dieser Geschichten in meinen regulären Blogartikeln zu verstehen. In loser Folge wer­de ich jeweils eine solche Geschichte vorstellen. Worum es geht, wie lange ich daran schon arbeite, in welcher Welt sie handelt und wie voluminös sie inzwischen geworden ist. Viel­leicht kann ich an dem einen oder anderen Punkt sogar schon Lösungsvorschläge oder Zeithorizonte andeuten für die Fertig­stellung … aber naturgemäß möchte ich mich da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Meistens gehen solche Versprechun­gen schief, ihr wisst das aus meinen Ankündigungen in den „Sil­vesterblogs“.

Also fange ich heute mal mit einem Romanfragment aus der Welt des Archipels an.

Reden wir über „Beim Fahrenden Volk / Die Suyenka“.

Technisch gesehen handelt es sich dabei um eine Proto-Version und eine vergleichsweise solide ausgearbeitete Romanfassung. Warum hat sie zwei Titel? Weil es im Grunde genommen zwei Geschichten sind. Inhaltlich sind sie identisch, aber die erste Fassung stammt vom 26. November 1998 und fußt auf einer handschriftlichen Version in meinen Kreativkladden … und sie war notwendig sehr unvollständig und grob schematisch. So et­was wie Dialoge fehlten beispielsweise fast vollständig – dabei sind gerade sie in dieser Geschichte sehr wichtig.

In der Zeit zwischen dem 9. September 2005 und dem 5. Sep­tember 2019 arbeitete ich dann unter dem neuen Titel „Die Suyenka“ die Rohversion mächtig aus. Gegenwärtig besitzt sie 142 einzeilige Textseiten … was üblicherweise massig für einen ausgewachsenen Roman reichen würde. Auch ist die Storyline im Grunde genommen bis zum Schluss hin entwickelt.

Aber dazwischen fehlt nach wie vor sehr viel an Details. Und da­mit meine ich primär erotische Details.

Worum geht es in der Geschichte?

Die tropische Archipelwelt ist, grob schematisiert, in den nörd­lich gelegenen tropischen Archipel aufgeteilt, der sich ein wenig schematisch vorstellen lässt wie wenn man seine geöffneten Hände an den Gelenken gegeneinander legt – die Verbindungs­stelle der Handgelenke wird von der horizontal liegenden Insel Coorin-Yaan eingenommen, die hochgereckten, nach außen ge­krümmten Finger stellen weit gestreckte Inselketten dar, eben die Tausende von Archipel-Inseln. Südlich davon liegt der Süd­kontinent, dessen Größe bislang von mir nicht genau erforscht worden ist. Das ist der Handlungsraum des vorliegenden Ro­manfragments.

Im Süden des Südkontinents breiten sich alte Adelskulturen aus, die weithin agrarisch basiert sind. Im 7. Jahrhundert Archipel-Zeitrechnung (also lange vor der Geburt des Mädchens Rhonda, auf das ich in dieser Artikelreihe notwendig auch noch eingehen werde) kommt es hier in einem ländlichen Landstrich zu einem Erbproblem auf einem Landsitz. Die dort lebende Familie hat zwei erwachsene Söhne und drei Töchter, aparte und hübsch gewachsene Drillinge.

Als die Eltern tot sind, erben die Brüder Elgared und Haron den Hof … und für die Schwestern Julie, Saskia und Sandra stellt sich die Frage, was nun wohl mit ihnen geschehen soll. Die tra­ditionelle Antwort ihrer Eltern hätte darin bestanden, sie nutz­bringend mit anderen Sprösslingen von Nachbarbesitztümern zu verheiraten. Aber ehe es dazu kommen konnte – und auch, weil sie von der Erbfolge sonst ausgeschlossen sind – sind die Eltern tot … und die Brüder haben andere Pläne mit ihnen.

Sie könnten alle drei auf dem Besitz weiter leben … wenn sie sich dafür bereit erklärten, mit den Brüdern die Betten zu teilen. Womit die Schwestern nicht viel mehr wären als äußerst preis­werte Huren.

Die charakterstärkste der Schwestern, Julie, ist damit überhaupt nicht einverstanden – und sie hat einen anderen Plan gefasst, der ein unkalkulierbares Wagnis darstellt. Sie hat von Wander­händlern gelegentlich gehört, dass es ein Nomadenvolk gibt, das durch die steppenhaften Weiten im Zentrum des Südkontin­ents reist. Und die Frauen bei ihnen seien frei und ungebunden, gewissermaßen ihre eigenen „Herren“. Das klingt doch sehr viel besser, als sich in den Betten ihrer Herren Brüder wiederzufin­den!

Also verschwinden die drei Schwestern in Nacht und Nebel vom Besitz und wandern, zunehmend unsicherer werdend, durch die immer unkultivierter werdenden Landstriche. Denn natürlich wissen sie nicht, wo sie das „Fahrende Volk“ finden sollen.

Der Zufall kommt ihnen schließlich zu Hilfe, als sie sich in einem verschwiegenen Waldsee erfrischen. Denn hier werden sie von drei verwegen wirkenden Männern beobachtet und schließlich auch angesprochen.

Die Männer sind die jungen Söhne des Patriarchen Zhalgoor, Thronaar, Rhondar und Alnaay … und eigentlich waren sie auf der Jagd. Erfolglos indes – bis sie auf die Schwestern treffen. Denn als ihnen klar wird, dass sie Kontakt zum Fahrenden Volk suchen und besonders, als zutage tritt, dass die drei Männer dazu gehören, da insistieren die drei Schwestern, mit ihnen kommen zu wollen.

Und die Brüder sind höchst bereit dazu (aus sehr egoistischen Gründen, sollte ich vielleicht andeuten) … allerdings machen sie den Drillingen auch klar, dass es … schwierig werde, in dem Clan aufgenommen zu werden. Das gehe nur, wenn sie sich den Regeln des Clans unterwerfen und als so genannte „Suyenka“ mit ins Lager kommen.

Ihnen wird dabei suggeriert, dass „Suyenka“ dabei der normale Terminus für Nomadenfrauen sei – was sich als völlig falsch erweist. Aber ehe die Mädchen das erfahren, geht für sie eigentlich alles schief, was nur schief gehen kann.

So kommt es schließlich, dass die drei Schwestern in bildschö­ner Nacktheit vor dem Patriarchen Thronaar knien, sich in seine Hand befehlen und dem Sippengesetz unterwerfen … und die­ser behält ihre Kleidung ein und befiehlt seinen drei Söhnen, sich als Verantwortliche der Mädchen anzunehmen.

Die drei jungfräulichen Mädchen ahnen noch nicht, dass die Suyenka traditionell Sklavinnen des Fahrenden Volkes sind und dieser Tross diesbezüglich Mangel leidet. Und nun bitten diese drei jungen Schönheiten darum, im Namen der Sippe versklavt zu werden …? Na, wer das wohl ablehnen würde …

Auf eine durchaus pikante Weise finden die drei Schwestern hier die Liebe ihres Lebens – aber zugleich müssen sie entdecken, dass dies keine exklusive und an einen Mann gebundene Liebe ist, sondern sie vielmehr Eigentum der Sippe geworden sind. Und da niemand weiß, wohin sie verschwunden sind und die No­maden natürlich weiterziehen, werden sie völlig entwurzelt und müssen ihr Leben vollkommen fremdbestimmt neu organisieren …

Wie eigentlich alle Archipel-Geschichten wuchs auch diese aus einer schlichten Liebesgeschichte, aber sie dehnte sich auf durchaus soziologisch-historische Weise aus. Ich lernte während des Schreibens daran eine Menge über den Südkontinent des 7. Jahrhunderts, über die Nomadengesellschaft und die bisweilen wirklich dreisten Tricks, die sie den Mädchen beibringen … und die Drillinge entdeckten ihre feurige, leidenschaftliche Sexuali­tät und völlig fremde Züge an sich.

Wie oben angedeutet: Der Handlungsbogen dieser Geschichte ist formal fertig, ich weiß grob, welche Stationen sie besitzt und wo und wann sie etwa endet. Aber im Mittelteil fehlt halt noch sehr viel.

Und eigentlich möchte ich die drei leidenschaftlichen Suyenka so schnell gar nicht verlassen. Sie haben noch so viel zu lernen und zu erleben während ihres Zuges zum Hochland und zum Treffen der Nomaden-Clans … deshalb ist zu erwarten, dass ich zweifellos alsbald dorthin zurückkehren werde, um mich wieder um die Mädchen zu kümmern.

Aber man sieht auf der anderen Seite auch schon, dass ich hieran nun schon 17 Jahre schreibe … es kann noch dauern, bis dieses Werk als neuer Archipel-Roman in die Zielgerade ein­biegt.

Soviel fürs erste zum ersten Projekt dieser Art, von dem ich be­richten möchte. Mal sehen, wohin es mich im nächsten Teil ver­schlägt. Lasst euch da auch mal überraschen!

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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