Blogartikel 546: Das Autoren-Nachlassarchiv-Projekt – Teil 7

Posted Januar 21st, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

auch an dieser Stelle möchte ich euch willkommen im neuen Jahr 2024 heißen. Denn es kann ja sein, dass ihr Connaisseurs seid oder Leckermäulchen, die nicht regelmäßig meinem Blog folgen. Möglicherweise pickt ihr euch auch die Rosinen heraus nach den Vorabinfos in der ESPost, um nur punktuell meinem Blog zu folgen … es spielt letztlich keine Rolle, entscheidend ist, dass diese Zeilen gelesen werden und die darin kommunizierten Gedanken auf fruchtbaren Boden fallen.

So verfahre ich auch traditionell bei Gesprächen mit Freunden und neuen Bekannten. Denn wenngleich ich dieses Projekt der­zeit aus beruflicher Beanspruchung heraus auf Sparflamme be­treibe, heißt es keineswegs, dass sich hier nichts tut. Oder dass ich irgendwie einroste.

Der Gedanke des Autoren-Nachlassarchiv-Projekts ist, wie ich jüngst meinem Arbeitskollegen Özgür entwickelte, einer von der Art, die nicht einfach von der Agenda verschwinden kann, wenn man nur wenig Zeit hat, sich darum zu widmen. Er hat sehr viel mehr von einer immer wieder aufbrechenden Wunde an sich … man weiß, dafür ist jetzt wirklich kein geeigneter Zeitpunkt, dennoch muss man sich darum einfach kümmern.

Und Impulse für solche wieder aufflammenden Gedanken gibt es, zumal zum Jahresbeginn, leider reichlich. Ich gebe dazu nur mal zwei kurze aktuelle Inputs:

Ich habe den digitalen Newsletter des Börsenblatts des deut­schen Buchhandels abonniert, der in der Regel zweimal täglich eintrifft (Wochenenden ausgenommen). Und obgleich ich da im­mer mit der Lektüre hinterherhinke, gibt es doch Meldungen, die mich so elektrisieren, dass ich da gleich weiterlesen muss.

Eine solche Meldung war jüngst der Nekrolog, der in Kurzform alle die Leute auflistete, die die Buchbranche im vergangenen Jahr verloren hat, kalendarisch von Januar bis Dezember aufge­reiht … ich dachte, diese Auflistung von Autoren, Übersetzern, Verlegern, Buchhändlern, Influencern usw. hört gar nicht mehr auf, es waren Aberdutzende!

Und das war lediglich ein einziges Jahr, das Jahr 2023.

Ich mag mir gar nicht vorstellen, was speziell die Autoren darin – durchaus so prominent, dass ihrer an dieser Stelle erinnert wurde, also wohl keine potenziellen Aspiranten für mein Projekt – , noch an angefangenen, nicht vollendeten Projekten „auf Hal­de“ liegen hatten. Was für Werke wegen ihres Ablebens nicht mehr realisiert werden konnten. Und was davon vielleicht für immer dem Vergessen anheimfallen wird, weil sich niemand be­rufen fühlt, diese Texte für die Nachwelt zu bewahren und für je­nen Zeitpunkt zu erhalten, wo sie vielleicht das Licht der Öffent­lichkeit erblicken können.

Zu sagen, dass ich schockiert war, wäre eigentlich Tiefstapelei. Ich merkte hieran jedenfalls unmissverständlich, wie aktuell und drängend das Thema ist, um das ich mich im Projekt zu küm­mern gedenke. Wie ich Özgür sagte: „Das Thema verschwindet nicht von der Agenda, und es wird auch nicht unwichtiger, son­dern immer größer und drängender.“

Das ist meine Überzeugung, die sich leicht auch durch meinen zweiten Punkt bestärken lässt.

Ich scanne quasi routinemäßig wöchentlich den Nekrolog der WIKIPEDIA. Man mag von WIKIPEDIA halten, was man mag … in diesem Punkt ist die Seite durchaus aktuell und hat in der Regel traurige Nachrichten parat. Dabei fokussiere ich favorisiert auf Autoren, wie man sich denken kann. Hier tauchen viele Perso­nen auf, die ich entweder nicht auf dem Schirm habe oder die außerhalb der WIKIPEDIA-Community keine hohen Wellen schla­gen. Gerade die Autoren der SF-Community, die hier vermeldet werden, erzeugen in der Regel kaum Widerhall. Das gilt umso mehr, wenn es sich um Verfasser handelt, deren Werke a) phan­tastischen Inhalts sind und die b) selten bis gar nicht ins Deut­sche übersetzt worden sind. Ich habe auf diese Weise in den letzten Monaten schon mehrere angloamerikanische Autoren mit einer durchaus beeindruckenden Backlist gesehen, die jüngst hoch betagt verstarben und die ich noch nie zur Kenntnis genommen hatte.

Gestorben wird immer, das ist eine Binsenweisheit … aber in diesem Fall demonstriert mir das genau das, was ich oben an­deutete: Das Problem des Wegsterbens der – in diesem Fall: phantastischen – Autoren (prüft das ruhig in der WIKIPEDIA mal für 2023 nach) wird nicht kleiner, es wird größer. Denn immer mehr von ihnen kommen, und da bin ich natürlich auch keine Ausnahme, in ein Alter, in dem sinnbildlich „die Einschläge nä­her kommen“.

Was im Zweifelsfall bedeutet: Die Frage, was mit den Hinterlas­senschaften dieser kreativen Geister geschieht, stellt sich von Jahr zu Jahr mit größerer Dringlichkeit. Es wäre albern, dies in Abrede zu stellen.

Natürlich bedeutet das auch im Jahr 2024 nicht, dass es einfa­cher geworden wäre, die zentralen Schwierigkeiten bei der Rea­lisierung des Projekts zu managen. Sie sind dieselben wie von Anfang an. Um nur ein paar davon zu verbalisieren: Wie finan­ziert man so ein Projekt? Wie soll es physisch aussehen? Sam­meln wir analog oder digital oder (wenigstens im Anfang) auf beiden Schienen? Wie regelt man die rechtlichen Fragen im Kon­text mit dem Urheberrecht, mit den Tantiemen, den Verlagen? Was für eine juristische Form soll das Archiv letztlich haben? Wie sieht es mit dem kontrollierten Zugang zu den gesammel­ten Materialien aus?

Als ich jüngst mit Özgür diesen für ihn völlig fremdartigen Ge­danken entwickelte, merkte er schon nach sehr kurzer Zeit, wie hochkomplex das Thema ist. Das stellte ich auch nicht in Abre­de.

Natürlich, gab ich bereitwillig zu, sei die Realisierung dieses Pro­jekts ein „Bohren dicker Bretter“, weil manch einer, dem ich davon berichtete, ängstlich-nervös ob der Größe der Aufgabe zurückschreckte. Andere waren von einem entnervenden Prag­matismus erfüllt: „Was ich schreibe, veröffentliche ich. Was ich nicht zu veröffentlichen schaffe, tja, das ist eben perdu.“ Eine in meinen Augen nicht eben praktikable oder der Problematik an­gemessene Individuallösung, die wohl nur den wenigsten helfen wird, die sich beizeiten wegen dieses Themas an mich wenden werden.

Unnötig zu betonen, dass beide Haltung nicht eben konstruktiv sind, was den Projektgedanken angeht. Es sind klare Ausweich­strategien, die getroffen werden, um an dem Thema selbst bes­ser nicht zu rühren, für das man keine Lösung sieht. Der Tod ist eben immer noch ein Tabuthema, das schimmert hier deutlich durch.

Ist nicht meine Herangehensweise.

Ihr merkt vielleicht an den obigen Zeilen: Ich bin nach wie vor am Thema dran und lote derzeit Möglichkeiten aus, die gerade den Punkt der Finanzierung vielleicht klären helfen … aber dazu kann ich im Augenblick noch nichts weiter sagen. In diesem Jahr stehen noch mehrere dieser Artikel auf meiner Agenda, und da werde ich euch zum einen mehr über meine 2022 begonnenen Aktivitäten erzählen können, zum anderen auf aktuelle Ereignis­se wie oben eingehen. Und dann gibt es da einige Fragen, die mir in diesem Zusammenhang schon lange auf der Seele liegen. Eine davon thematisiere ich im nächsten Beitrag dieser Artikel­reihe.

Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit und schließe für den Moment diesen Beitrag. In der kommenden Woche stelle ich vor, was ich im Mai 2023 kreativ „gebacken“ bekommen habe.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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