Rezensions-Blog 104: Das Pharao-Komplott

Posted März 22nd, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

dass ich den unten stehenden Roman empfehle, muss wohl nicht überraschen, nicht wahr? Ich meine, wer schon länger meinem Rezensions-Blog folgt, der er­innert sich natürlich an die Blogeinträge 72 „Mythos Ägypten“, 92 „Das Tal“ und 97 „Auf den Spuren unserer Vergangenheit“, und er/sie weiß, dass es gera­dewegs unvermeidlich war, diesen Roman aus meinen Regalen zu ziehen und ihn für den Blog neu zu rezensieren.

Immerhin: Pharaonen stehen schon im Titel. Ein wunderbares ägyptisches Kleinod schmückt die Hardcoverausgabe, die ich vor mehr als 25 Jahren zum vollen Originalpreis erwarb. Und ich bin Ägypten- und Pharaonen-Fan… also bit­te, das ist wirklich ein Must-Have.

Natürlich können die Ahnungslosen unter euch die Stirne runzeln und sich fra­gen: die Pharaonen sind doch lange ausgestorben, wie können die ein Komplott anzetteln…? Aber wer so denkt, überinterpretiert den Titel. Es geht nicht um Wiedergänger-Mumien, definitiv nicht, aber sehr wohl um die ägyptische Ver­gangenheit und einen verborgenen, phantastischen Schatz.

Wer mehr erfahren möchte, der lese weiter.

Das Pharao-Komplott

Von Philipp Vandenberg

Lübbe Hardcover

390 Seiten

Bergisch-Gladbach 1990,

ISBN 3-7857-0589-1

Alles beginnt ganz unscheinbar: im Münchner Hermes-Institut, einer Institution, die mit der routinemäßigen Prüfung der Echtheit von Antiken befasst ist, wird im Jahre 1978 bei der Untersuchung einer kleinen Bastet-Katze in einer Höh­lung der Figur ein Zettel gefunden, der die kryptische Aufschrift „MURDERER No 73“ trägt. Der Zettel wird als Kuriositätenkabinett des Instituts abgelegt, wo man allerlei Fälschungen und Merkwürdigkeiten aufbewahrt. Acht Jahre später stößt Autor Vandenberg, der eine seiner eigenen Antiken hier prüfen lässt, auf diesen rätselhaften Zettel, und er wittert eine interessante Geschichte dahinter. Wie eigenartig sie sich indes entwickelt, man könnte auch sagen: wie tödlich, das vermag er sich in seinen kühnsten Träumen nicht auszumalen.

Zunächst führt die Spur nach Berlin, sodann nach London zum Auktionshaus „Christie’s“ und zu einem rätselhaften Todesfall bei einer Auktion. Adressen, die Vandenberg ausgehändigt bekommt und ihn weiterführen sollen, erweisen sich als fiktiv. Ansprechpartner lassen sich verleugnen. Die Spur verläuft offensicht­lich völlig im Sand… und wird dann noch verwirrender, als er schließlich in Düs­seldorf jenem vermeintlich Toten namens Omar Moussa leibhaftig gegenüber­steht. Aber hier endet die Fährte, das Rätsel bleibt, und Vandenberg steckt für eine Weile auf, für mehr als ein Jahr – bis ihn schließlich ein Manuskript er­reicht, die Lebensbeichte eben jenes Omar Moussa, die ab Seite 23 den eigent­lichen Roman ausmacht.

Moussa ist gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Ägypten geboren, sein genauer Geburtstag ist nicht bekannt, da er als Findelkind an einer Türschwelle abgelegt wurde. So wächst der kleine Omar Moussa in Kairo nahe dem Mena House auf, der Nobelabsteige der reichen Ausländer, und in der Frühzeit geschieht eigent­lich recht wenig… bis Omar die Chance erhält, für den englischen Ägyptologen Professor Shelley und seine Frau als Dienstbote zu arbeiten. Die nächste Station in seinem Leben, als er etwa 14 Jahre alt ist, ist also im Haushalt der Shelleys in Luxor. In Luxor macht Omar die Bekanntschaft der etwas älteren, bildhübschen Halima, die aus dem Dorf Kurna am anderen Nilufer gegenüber von Luxor stammt, und ehe er sich versieht, steckt er in einer gefährlichen Geschichte und wird tagelang in einem finsteren Gefängnis unter der Erde gehalten. Erst später, als er mit viel Glück gefunden wird, kommt ihm zu Bewusstsein, dass irgendje­mand eine schützende Hand über ihn gehalten haben muss – und ebenso muss jemand ihm das Bildnis einer sitzenden Katzenfigur eingebrannt haben. All dies hat noch langfristige Konsequenzen.

Berühmte Leute kreuzen seinen Weg – der Archäologe Howard Carter, der eng­lische Lord Carnavon und diverse andere. Und während der Junge allmählich zum Mann reift, beginnen in Europa finstere Schicksalswolken zu dräuen: so­wohl der Erste Weltkrieg bahnt sich an, als auch Geheimagenten auf die Spur eines uralten Geheimnisses kommen – in verschiedenen Museen Europas fin­den sich die Bruchstücke einer alten schwarzen Steintafel, und offenkundig ist darauf so etwas wie ein Lageplan chiffriert, der den Weg zum Grabmal des le­gendären Pyramidenbaumeisters Imhotep weisen soll.

Im Laufe der folgenden Jahre, während Omar Moussa seinen Kriegsdienst ab­leistet, werden zunehmend weitere Fährten zu dem rätselhaften Grab des Im­hotep sichtbar, doch stets fehlen entscheidende Stücke. Bald sind der französi­sche und der britische Geheimdienst hinter dem Rätsel her, außerdem eine Gruppe von ägyptischen Antikenhehlern, mit denen Omar Moussa schon ein­mal zu tun hatte. Und schlussendlich gibt es dann auch noch eine Gruppe fana­tischer Nationalisten, die das Gold und die Wissensschätze, die im Grab des Im­hotep verborgen sein sollen, dafür nutzen will, das Joch der Briten über Ägyp­ten ebenso abzuschütteln, wie diese es mit der Herrschaft der Türken geschafft haben.

In diesen Strudel an Ereignissen reißt es den jungen Omar Moussa hinein. Hin­ein in ein Wechselbad der Liebesgefühle einerseits, in ein Intrigengespinst an­dererseits, und ständig lauert Gefahr: Zugstrecken explodieren, Menschen fal­len Seuchen zum Opfer, andere werden in Gräbern erschlagen oder zwischen Dünen erschossen… man kann wirklich nicht behaupten, dass Omar Moussas Lebensweg in irgendeiner Weise langweilig ist – und schließlich erreichen die Jäger nach dem Grab des Imhotep tatsächlich die Zielgerade, und das Grab scheint zum Greifen nahe… aber eben auch das entsetzliche Verhängnis, das bisher die Entdeckung so wirkungsvoll verhindert hat…

Vandenbergs Roman liest sich über weite Strecken wie ein akribisch recher­chierter Antikenkrimi, und das ist auch vollkommen intendiert. Da ich durch die zahlreichen Werke zum Thema Altägypten schon hinreichend sensibilisiert war und jüngst natürlich durch die Lektüre der beiden Sachbücher „Das Tal“ und „Auf den Spuren unserer Vergangenheit“, da fiel es mir umso leichter, in die Szenerie wieder einzusteigen… wieso wieder? Weil ich den Roman am 25. Okto­ber 1990 in Gifhorn gekauft und im Dezember desselben Jahres das erste Mal verschlungen hatte. Kann man nicht anders nennen, und auch jetzt endete das Lesevergnügen schon nach fünf bedauernswerten Tagen. Gute Bücher, ich kann das nicht oft genug wiederholen, sind einfach immer zu kurz, egal, wie lang sie letztlich auch sein mögen (ihr kennt diese Klage von meiner Lektüre der Bücher von Diana Gabaldon).

Knapp 26 Jahre hatten aber trotz einer 1991 publizierten ersten Rezension des Romans völlig hingereicht, um fast die gesamte Handlung aus meinem Verstand zu tilgen. Im Gegensatz zu manch anderem Leser habe ich eben kein fotografi­sches Gedächtnis, und das ist ganz gut so. Ich ließ mich also, Fan der ägypti­schen Antike, höchst bereitwillig in die Geschichte hineinsaugen und verfolgte die Schicksals- und auch Herzenswirren des Omar Moussa durch die Jahrzehnte seines Lebens. Eine sehr anrührende, aufregende Lektüre, wie ich finde.

Nun muss man natürlich sagen, dass Vandenberg während seiner Erzählung gründlich aus der Rolle fiel, wenn es um die Wiedergabe von Gesprächen ging, an denen sein Protagonist Omar Moussa nicht beteiligt war. Da merkt man dann sehr deutlich die Grenzen, die Vandenberg durch die Erzähltechnik gesetzt waren und die er einfach im Schreibfluss ignorierte. Das trübt den ansonsten schon sehr soliden Eindruck an zahlreichen Stellen ordentlich. Allerdings nur, wenn man ein sehr kritischer Leser ist. Falls man, wie es wohl vielen Leuten er­gehen wird, die Erzählperspektive nicht realisiert, fallen einem viele Fehler wohl gar nicht auf.

Was ich als sehr wohltuend empfand, war die Tatsache, dass sich Vandenberg WIRKLICH mit Ägyptologie einerseits und mit dem ägyptischen Alltagsleben an­dererseits hervorragend auskennt. Die Zeit selbst, in der der Großteil des Ro­mans spielt, also von der Jahrhundertwende bis etwa 1925, ist für mich als His­toriker besonders reizvoll. Und so komme ich nicht umhin, dem Roman unge­achtet gewisser inhaltlicher und struktureller Schnitzer zu attestieren, dass er ansonsten außerordentlich gelungen ist und einen schönen spannenden Ein­stieg in Vandenbergs historische Romane einerseits und seine mit historischem Faktenbezug geschriebenen Thriller andererseits darstellt.

Doch, „Das Pharao-Komplott“ ist in meinen Augen ein zu Unrecht heute ver­gessener Roman, den sollte man dringend mal wieder entdecken. Ach ja, und warum heißt das Buch eigentlich so, wie es heißt? Imhotep ist bekanntlich Bau­meister gewesen, kein Pharao (ach ja, und vergesst jetzt einfach mal „Die Mu­mie“ und „Die Mumie kehrt zurück“, die Brendan Fraser-Filme gab es damals doch noch gar nicht!). Das stimmt natürlich. Aber dieses Geheimnis wird an die­ser Stelle nicht verraten. Das solltet ihr wirklich selbst aufdecken. Es lohnt sich!

© 2016 by Uwe Lammers

Genug neugierig gemacht? Gut so. Dann sucht den Roman und schmökert ihn durch, ich bin überzeugt, ihr werdet euch nicht langweilen, sondern mitfiebern auf der Suche nach dem verborgenen Schatz. Es ist wirklich eine packende Lek­türe.

Was will ich euch in der nächsten Woche zeigen? Nun, da reisen wir in ein recht exotisches Paralleluniversum – wenngleich wir immer noch ein gutes Stück in der Vergangenheit verweilen. Denn die Parallelabspaltung beginnt in dieser Welt kurz nach dem Jahre 1850, als die Briten im Krimkrieg die erste Nuklear­waffe der Welt einsetzen…

Bizarr? Ich verspreche euch, das ist wirklich erst der Anfang. Mehr in sieben Ta­gen an dieser Stelle.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Leave a Reply

XHTML: You can use these tags: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>