Rezensions-Blog 185: S.E.C.R.E.T. (2) – Geteiltes Geheimnis

Posted Oktober 10th, 2018 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

da sind wir also wieder in New Orleans gelandet, zum zweiten Mal in kurzer Zeit (vgl. zum ersten Mal den Rezensions-Blog 181 vom 12. September 2018). Cassie Robichaud und die geheime Organisation S.E.C.R.E.T. haben sich seit dem ersten Band weiter entwickelt, und eine neue Aspirantin wird von der Organisation ins Visier genommen und erotischen Abenteuern zugeführt. Das ist eine durchweg aufregende Sache, die sich dank der geschmeidigen Übersetzung von Nicole Hölsken (die ich später noch als Übersetzerin anderer guter erotischer Romane näher kennen lernen durfte) außerordentlich geschwind liest.

Ich habe den Roman als gute Unterhaltung mit lebendigen Charakteren und einfallsreichen Settings in Erinnerung behalten, und wie zahlreiche andere ero­tische Romane hat dieser Zyklus einen dauerhaften Stellplatz in meinem Regal bekommen.

Wenn ihr also das erste Abenteuer schon mit Genuss durchgeschmökert habt und euch fragtet, wie es wohl mit Cassie Robichaud und ihrem Liebesglück wei­tergehen würde – hier folgt die Antwort.

Einfach weiterlesen:

S.E.C.R.E.T. 2 – Geteiltes Geheimnis

(OT: S.E.C.R.E.T. Shared)

von L. Marie Adeline

Heyne 54566

334 Seiten, TB

9.99 Euro, März 2014

Aus dem Englischen von Nicole Hölsken

Es scheint eine Art von Naturgesetz zu sein, dass Frauen sich häufig kaum zu­frieden im Spiegel anschauen können. Die einen finden sich zu dick, die nächs­ten zu mager, die einen wünschen sich glänzenderes Haar, krauseres vielleicht, die nächsten hadern damit, dass sie im Sonnenlicht nicht gescheit bräunen kön­nen, sondern sich einen Sonnenbrand holen… und noch viel schlimmer ist es, wenn sie sich Gedanken darüber machen, wie sie wohl auf Männer wirken. In der Regel untergräbt solch eine Grübelei die eigene Selbstsicherheit, mitunter mit verheerenden Resultaten.

Dauphine Mason, eine üppige und echte Rothaarige mit infolgedessen gene­tisch bedingter sehr heller Haut, hat mit solchen Problemen zu kämpfen. Nach­dem sie mit ihrem letzten festen Freund Luke ein echtes Beziehungsdesaster er­lebt hat und er sie sogar in einem stark autobiografisch gefärbten Roman übel durch den Kakao gezogen hat, ist ihr Selbstbewusstsein ziemlich zerstört. Sie vergräbt sich deshalb als Eigentümerin eines kleinen Vintage-Ladens in New Or­leans in ihrer kontrollierten Umgebung, hortet messie-like alle möglichen Dinge, die sie, vielleicht, irgendwann einmal, wieder verkaufen könnte, und geht tun­lichst allen Männergeschichten aus dem Weg.

Das heißt allerdings nicht, dass sie nicht noch Träume und Sehnsüchte hätte, ganz im Gegenteil. Und mit einem davon wird sie stürmisch konfrontiert, als sie in einem Café einen von ihr aus der Ferne angehimmelten Musiker von Nahem sieht. Sie getraut sich aber nicht, Mark Drury von den „Careless Ones“ anzu­sprechen. Wie gesagt – ihr Selbstbewusstsein ist übel angeschlagen… und dann sieht sie, völlig frustriert, wie er sich an den Tisch zu einer hübschen Brünetten setzt und mit ihr sogar Telefonnummern austauscht.

Verdammt… schon wieder zu kurz gekommen! Sie ist völlig am Boden zerstört.

Doch die ihr unbekannte Frau steht wenig später bei ihr im Laden, zusammen mit einer älteren Dame, und sie beabsichtigen nichts Geringeres, als Dauphines Leben zu verändern. Sowohl Cassie Robichaud (die Brünette) als auch Matilda Greene stammen von S.E.C.R.E.T., einer geheimen, wohltätigen Organisation, die sich der Wiedererweckung der Weiblichkeit einsamer Frauen gewidmet ha­ben. Dies tun sie, indem sie erotische Phantasien in atemberaubenden Szenari­en realisieren und so in zehn Schritten die Frauen aus ihrer Sicherheitsumge­bung herauslocken und zu mehr Engagement und, ja, sexueller Selbstbestim­mung führen.

Cassie Robichaud weiß nur zu gut, wie das geht, denn sie hat das im ersten Band der Trilogie am eigenen Leib erfahren. Jetzt ist sie einen Schritt weiter in ihrer Entwicklung und arbeitet als Begleiterin für S.E.C.R.E.T. Das bedeutet, sie betreut einen Schützling und ist als Ansprechpartnerin da, wenn die vom Komi­tee der Gesellschaft entworfenen Szenarien stattfinden und Fragen oder Nervo­sität bei der Aspirantin auslösen. Für die anderen beiden Stufen der Hierarchie von S.E.C.R.E.T. fühlt sie sich noch nicht erfahren genug – dort müsste sie ent­weder als Anwerberin neuer Mitarbeiter für die Phantasien wirken, was große Menschenkenntnis erfordert, oder selbst die Szenarien entwickeln und organi­sieren. Das traut sie sich bislang nicht zu.

Nach dem Erlebnis im Café mit Mark Drury (den sie vorher überhaupt nicht kannte) schlägt Cassie nun die sichtlich deprimiert wirkende Dauphine als Aspi­rantin vor, und nach einigem heftigem Zögern gibt die kontrollsüchtige Dauphi­ne nach. Die Kontrolle abgeben? Zur Hölle, alles, bloß das nicht! Sie meint, sie könne ohne permanente Kontrolle nicht leben, und die Gründe dafür liegen tief in ihrem Lebenslauf vergraben… doch dann, als sie den Fragebogen von S.E.C.R.E.T. ausgefüllt hat und ihre Phantasien notieren soll, wird Dauphine un­erwartet wagemutig. Vielleicht ist es ja doch endlich an der Zeit, mal etwas völ­lig Unkontrolliertes zu machen.

Listen ausfüllen und geplante Szenarien durchleben? Verdammt, nein, ihr ge­samtes Leben ist doch schon durchgeplant. Sie fühlt zwar kalten Schrecken bei der Vorstellung, die Kontrolle abzugeben… dennoch zeigt sie sich nun mutig und meint nur: „Überrascht mich!“

Und das tun Matilda Greene und ihre Kolleginnen.

Dummerweise heißt es aber auch in den Statuten der Gesellschaft: „Kein Urteil. Keine Grenzen. Keine Scham.“ Besonders der Punkt mit den Grenzen kommt bei Dauphine zur Anwendung. No-Gos sind nicht vorgesehen, ganz bestimmt nicht bei einer Frau, die bislang alles kontrolliert hat. Natürlich soll sie nichts tun, was sie nicht tun will, und sie kann auch auf gar keinen Fall in Gefahr gebracht wer­den… aber das heißt durchaus nicht, dass erregende Angst und Grenzüber­schreitungen tabu sind. Angst vor Wasser? Pech für Dauphine, dass Wasser im Zentrum der ersten Phantasie steht. Noch nie in einem Flugzeug gesessen? Dann schicken wir sie zu einer Flugreise nach Argentinien!

Panik ist in Dauphines anfänglichen Szenarien durchaus vorhanden und ständi­ger Gefährte… aber auch eine prickelnde Herausforderung, die überwunden werden will. Doch im fernen Argentinien, wo sie die Auktion eines Gemäldes für die Gesellschaft überwachen soll, geht dann auf einmal alles schief – denn es taucht jemand auf, der offenbar nicht von S.E.C.R.E.T. stammt, sich aber so gut mit den Regeln auskennt, dass Dauphine wirklich in Bedrängnis gerät… und dummerweise ist das alles erst der Anfang…

Im Gegensatz zu dem ersten Roman weist der zweite nun zwei Handlungsschie­nen auf, was die Attraktivität des Settings ebenso steigert wie die Lesbarkeit des Buches an sich. Wir verfolgen einmal die Weiterentwicklung der komplizierten Cassie Robichaud aus dem ersten Band und ihrer lockeren Beziehung zu ihrem Chef Will Foret. Und dann haben wir andererseits mit dem Einblick in das Da­sein der kontrollsüchtigen, latent messiehaften Dauphine Mason eine Art Ge­genfolie. Die Kapitel sind zudem ein wenig gegeneinander verschoben, da der Roman mit der ersten Phantasie von Dauphine beginnt, während sich erst da­nach die Vorgeschichte entwickelt: wer Dauphine ist, wie ihr Leben verlief und wie dann S.E.C.R.E.T. auf sie aufmerksam wurde. Ich schätze, das wurde mit pu­rer Absicht gewählt, um einen erregenden Einstieg zu haben – eine Masche, die funktioniert.

Dauphine ist, wie die meisten Charaktere in den ersten beiden Romanen, zu­tiefst sympathisch. Großartige Überraschungen finden allerdings zumeist nur in den erotischen Szenarien statt, da die Rahmenstrukturen vergleichsweise durchsichtig sind. Die große Schocküberraschung am Ende dieses Buches bei­spielsweise wurde von mir schon sehr früh geahnt. Was dann daraus wird, bzw. wie es zum Ende des Buches dann zu der notwendigen Katastrophe kommt, die in den dritten Band mündet… nun, das war nicht so ganz vorhersehbar.

Einerlei – man lernt hier eine Menge weiterer Personen kennen, die dann für den dritten Band aufgebaut werden, und Cassies Leben bleibt kompliziert, da sie wie schon im ersten nun zwischen zwei Männern steht. Zwischen Will, den sie liebt und begehrt, aber offensichtlich nicht haben kann, und zwischen Jesse, der Teil einer ihrer Phantasien war, aber eben S.E.C.R.E.T.-Partner ist und des­halb ebenso nicht zu haben… es sei denn, Cassie sorgt für Ersatz. Und selbst dann ist ihr nicht klar, ob Jesse wirklich der Richtige ist. Kann man Herz und Sex so klar voneinander trennen? Dies ist halt eine Frage, die schon Anaïs Nin umtrieb: Kann man zwei Männer lieben?

Der zweite S.E.C.R.E.T.-Band bringt und und Cassie der Lösung etwas näher, und zudem durchlebt man mit Dauphine ergänzend eine Menge aufregender eroti­scher Phantasien. Ja, es mag durchaus sein, dass an der Klappentext-Empfeh­lung „Dieses Buch könnte Ihr Leben verändern! Lassen Sie sich überraschen…“ etwas dran ist. Für sexuell unerfüllte Frauen liefern diese Bände zweifellos eine ganze Reihe interessanter Vorschläge, die ihr Liebesleben gründlich aufpeppen können.

Dass ich es in rauschhaften zwei Tagen verschlang und gleich mit dem dritten Band weitermachen musste, weil ich gern wissen wollte, wie es weitergeht, spricht jedenfalls sehr dafür, dass das Rezept optimal umgesetzt wurde. Kleine­re Übersetzungsfehler sollte man stillschweigend übergehen. Es bleibt ein sehr lesbarer, sympathischer Roman, der an manchen Stellen wirklich prickelnd-auf­regend wird (und vergesst den zweiten Klappentext-Slogan, der hier stumpfsin­nig wiederholt wird, der mit dem „Roman ohne Fesseln“ – hier kommen Fesseln definitiv vor).

Also: eine klare Leseempfehlung – und die Rezension des dritten Teils folgt als­bald, versprochen!

© 2017 by Uwe Lammers

Es gibt einfach Romane, in denen kann man ganz und gar versinken und die Zeit vollkommen vergessen – der obige ist einer von der Sorte. Auf eine aufregende Weise völlig anders ist das Buch, das ich nächste Woche vorstellen will. Ja, eins von Clive Cussler, aber definitiv kein NUMA-Buch. Stattdessen landen wir im Jahre 1906! Warum? Wartet die nächste Woche ab, Freunde!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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