Rezensions-Blog 280: Die Rose von Byzanz

Posted August 5th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

das Feld des historischen Romans ist für mich noch nicht son­derlich weit bereist, wie ich gern zugebe. Da ich aber auf der anderen Seite als Historiker über eine gewisse Breitenbildung in puncto Weltgeschichte verfüge und seit rund zwanzig Jahren auch vermehrt Interesse an erotischen Liebesromanen zeige, die in steigender Zahl gelesen worden sind, war der Fund dieses Romans gewissermaßen eine Win-Win-Situation. Die mir unbe­kannte Autorin stellte dann eine unkalkulierbare Größe darin dar, das stimmt … aber ich wurde angenehm überrascht.

Überhaupt scheint die Mira-Romanreihe noch einige bemerkens­werte Überraschungen parat zu haben. Dieser Ausflug ins antike Byzanz machte jedenfalls durchaus Laune, auf diesem Gebiet weiter vorzudringen.

Ich habe den Roman als angenehme Unterhaltung jenseits der gängigen Klischees eingeordnet, und das dürfte vielleicht für den einen oder anderen von euch Anlass sein, sich ihn selbst mal näher anzuschauen.

Hierum geht es diesmal:

Die Rose von Byzanz

Von Julie Gordon

Mira 35031

304 Seiten, TB (2010)

ISBN 978-3-89941-728-9

Byzanz zur Zeit seiner Blüte ist ein Traum von Reichtum und Pracht, von unbeschreiblichem Luxus und schwelgerischer Schönheit … gesetzt den Fall, man ist ein Freier, und ebenfalls gesetzt den Fall, man besitzt über die Mittel, um diese Pracht auch zu genießen. Beides ist den Hauptpersonen des vorliegen­den Romans nicht gegeben.

Man schreibt das Jahr das Jahr 985 nach Christus, als die junge Fränkin Johanna, ein schönes und quasi noch jungfräuliches Mädchen mit Feuerhaar und lodernden grünen Augen, aus ihrem Heimatdorf durch Nordmänner geraubt und in Haithabu schließlich an den griechischen Sklavenhändler Kallistos ver­schachert wird. Er nimmt sie eigentlich nur als „Beifang“ der blonden, nymphenhaften Ise und hat sie dann am Hals. Kallistos hat einerseits Angst vor der „Feuerhexe“, die er als schwer ver­käuflich einstuft, auch weil sie stolz und widerborstig ist. Ande­rerseits ist er ihr Herr und kann sie misshandeln, wie es ihm ge­fällt. So gerät die unglückliche, traumatisierte Johanna auf den Sklavenmarkt von Byzanz und soll hier versteigert werden. Hier ist es auch, dass sie ihrem Schicksal begegnet.

Eirik Hallgrimsson ist Waräger, wie man die Nordmänner, die im Dienst der byzantinischen Adelsschicht stehen, nennt. Aus dem hohen Norden über die Händlerroute und Kiew hinab ans Mittel­meer gelangt, war es Abenteuerlust und der Wunsch, mehr zu sein als nur Erbe des elterlichen Hofes, der ihn schließlich zum Offizier der Warägergarde des Kaiserbruders Konstantin aufstei­gen ließ. In seinem Auftrag ist er nun hier auf dem Sklaven­markt, um für Sklavinnennachschub zu sorgen – eine Aufgabe, die ihm verhasst ist, weil er die Sklaverei grundsätzlich verab­scheut. Doch in Byzanz ist sie ein notwendiges Übel …

Und dann erblickt er dieses Mädchen, eine ungebrochene Schönheit wie aus einem Traum, mit milchweißer Haut, glutro­tem Haar und Augen wie Smaragdsplitter – eben die Fränkin Johanna … und ungeachtet seines Auftrags regt sich in seinem Herzen der Wunsch, sie vom Sklavenmarkt zu erretten. Sie hin­gegen fühlt aus begreiflichen Gründen Furcht vor ihm und sehnt sich sehr danach, wenn es denn schon unvermeidbar ist, dann jemand anderem zu gehören.

Eiriks erster Versuch, Johanna vom Sklavenmarkt zu erretten, schlägt fehl. Zwar kann er sie an seinen Herrn Konstantin ver­mitteln, der sie jedoch ablehnt und zum Sklavenmarkt zurück­gehen lässt. In diesem Moment sind die beiden im Grunde ge­nommen schon verloren – denn wiewohl Johanna sich vor dem Nordmann fürchtet, dessen Volksgenossen ihren Verlobten einst vor ihren Augen umbrachten und sie in die Sklaverei ver­schleppten, so sehr haben ihr doch auch seine Hilfsbereitschaft und seine Berührungen gefallen. Ihr Körper war, unglaublicher­weise, entzückt darüber, was sie ganz verunsichert.

Doch das alles ist erst der Anfang.

Eirik hat eine heimliche Geliebte, nämlich die Adelige Irene. Von ihr borgt er sich nun Geld, um Johanna zu ersteigern … mit dem ausdrücklichen Wunsch, sie nicht als Bettgefährtin zu gewinnen, auch wenn er sich über seine sonstigen Gefühle für sie durch­aus nicht im Klaren ist. Aber er will sie nicht auf dem Sklaven­markt der Willkür der gierigen Kerle ausgeliefert wissen.

Aber das Schicksal will es anders.

Irenes Bruder Andronikos, dem Eirik Hallgrimsson seit zwei Jah­ren gründlich verhasst ist, wiewohl Eirik ihm einst das Leben rettete, erfährt von seiner Sehnsucht nach Johanna und erstei­gert sie seinerseits. Sie ist darüber anfangs erfreut, sieht Andro­nikos doch freundlich und sanftmütig aus, nicht so kantig und finster wie der Nordmann. Doch der Anschein trügt auf schreck­liche Weise.

Andronikos ist in Wahrheit ein Mann mit verderbten, finsteren Leidenschaften. Er begehrt inzestuös seine eigene Schwester, liebt es, sadistisch Frauen zu demütigen, und er kauft Sklavin­nen, um ihnen absichtlich schreckliche Qualen anzutun und sich an ihrer Pein zu weiden. Und nun ist Johanna in seiner Hand, eine Frau, die offensichtlich makellos ist … und nicht allein, um Eirik zu demütigen, sondern um seine perverse Lust an zugefüg­ter Qual zu befriedigen, beschließt er, auch sie grausamen Fol­tern zu unterziehen und zu verstümmeln.

Aber da sind dann noch Eirik und sein Herz – doch die Frage ist, ob dies allein ausreichen wird, Johanna vor dem ihr zugedach­ten grässlichen Schicksal zu bewahren …

Dieses erste Werk, das ich von Julie Gordon las, ist strukturell ein klassischer historischer Roman, der zudem ein romantischer, leicht erotischer Liebesroman ist, wie man ihn aus der Bastei-Erotik-Reihe in vielerlei Variation kennt. Es war jedoch der erste mir bekannte, der im antiken Byzanz spielte und er­weiterte so dezent meinen historischen Kenntnisstand und wusste durchaus zu gefallen.

Natürlich nimmt recht schnell jenseits der historischen Kulisse die etwas verwickelte Liebesgeschichte ihren Lauf, was dann Personen wie den Sklavenhändler Kallistos oder auch den Kai­sersohn Konstantin zu völlig blassen Randfiguren werden lässt. Die zentralen Personen sind und bleiben eben Eirik und Johanna auf der einen Seite und Irene und Andronikos auf der anderen. Und während die Handlung innerhalb von Byzanz relativ durch­sichtig und verfolgbar ist, ändert sich die Fahrtrichtung dann doch in der zweiten Hälfte, erst auf Andronikos´ Landsitz (der ein wenig gekünstelt, wie ich fand, über ausgiebige Geheimgän­ge verfügt, die man dort eigentlich nicht erwartet), und dann besonders in Kiew. Denn das letzte Drittel bringt neue Schwie­rigkeiten zutage … und deren Auflösung ist wirklich verblüffend und völlig anders, als sich der Leser das vorstellt.

Also: zu überraschen versteht die Autorin einwandfrei, es han­delt sich darum nicht um einen nach 08/15-Schema geformten Roman, was ich als schöne Überraschung werte. Alles in allem eine locker lesbare, interessante Geschichte für Freunde der leichten Unterhaltung, ein wenig gewürzt mit historischen De­tails und erotischen Experimenten.

Klare Leseempfehlung meinerseits.

© 2017 by Uwe Lammers

Wie ich oben andeutete, ist der Roman durchaus eine Entde­ckung wert. Das Schöne an älteren Werken ist ja, dass sie auf­grund des Internets und zahlloser Antiquariate heute zumeist preiswert zu beschaffen sind und wir uns da nicht auf die Ver­fügbarkeit in den aktuellen Buchhandlungen verlassen müssen.

In der kommenden Woche bleiben wir in der geografischen Re­gion – das ist aber reiner Zufall – , werden aber ein paar Jahr­hunderte näher an die Gegenwart rücken. Mehr sei jetzt noch nicht verraten.

Bis nächste Woche, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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