Rezensions-Blog 288: Die Kuba-Verschwörung

Posted September 30th, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

gerade ist der Autor des vorliegenden Buches im Frühjahr 2020 verstorben, hoch betagt mit 88 Jahren. Aber ich nehme deshalb nicht an, dass wir in absehbarer Zeit auf seine Werke verzichten müssen – ähnlich wie beispielsweise im Krimimilieu bei Autoren wie Robert Ludlum oder Tom Clancy kann man sicher sein, dass Coautoren und spätere Epigonen sicherlich seine Welt und seine Protagonisten am Leben halten werden. Allein jetzt schon weiß ich von einem runden Dutzend Romanen, die noch ins Deutsche übersetzt werden müssen, der Himmel mag wissen, wie viele weitere in Arbeit sind oder in Planung.

Also, Clive Cussler bleibt uns erhalten, wiewohl er verstorben ist. Aber möglicherweise ist sein Tod auch nicht das tragische Unglück, für das Fans es halten. Immerhin war doch in den zu­rückliegenden Jahren immer wieder zu erkennen, dass er gele­gentlich kein gutes Händchen in der Auswahl der Coautoren be­wies (dies sieht man leider insbesondere bei den Fargo-Aben­teuern, wo die Coautoren ständig im Wechsel tätig sind und die Resultate in den seltensten Fällen wirklich überzeugen können).

Auch die von ihm und seinem Sohn Dirk verfassten Dirk Pitt-Abenteuer fielen doch merklich im Vergleich zu früheren ab. Und das beziehe ich jetzt nicht auf die amouröse Schiene (wie­wohl es da besonders auffallend ist, wie asexuell Cusslers Hel­den geworden sind). Ich male mir besser nicht aus, wie die Cussler-Romane seiner Nachfolger ausfallen werden, wenn die moderne amerikanische Prüderie-Einstellung auf die „#MeToo“-Konsequenzen in der Literatur stoßen wird. Das stelle ich mir besonders unerfreulich und zudem äußerst realitätsfremd vor. Aber lassen wir uns davon überraschen.

Im vorliegenden Roman begeben wir uns jedenfalls in das Span­nungsfeld USA-Kuba-Mexiko, und selbst wenn ich attestieren muss, dass der Roman eher zur Durchschnittskost gehört und klar auf Geschwindigkeit geschrieben (und leider auch nur durchschnittlich und standardmäßig als Übersetzung herunter­gekurbelt) wurde, gibt es definitiv ödere Werke des Autorendu­os. Ein wenig bekommt man das Gefühl, dass Cussler & Co. die Schatzsuchergeschichten ausgehen, wenn er schon wieder die Azteken bemühen muss … aber was das im Detail bedeutet, schaut euch besser mal selbst an und bildet euch ein eigenes Urteil:

Die Kuba-Verschwörung

(OT: Havana Storm)

Von Clive Cussler & Dirk Cussler

Blanvalet 0474

480 Seiten, TB, 2017

ISBN 978-3-0474-9

Aus dem Amerikanischen von Michael Kubiak

Man schreibt das Jahr 1898, als Dr. Ellsworth Boyd von der Yale University unvermittelt im Hafen von Havanna auftaucht und mitsamt einer rätselhaften Kiste Zuflucht auf dem amerikani­schen Kriegsschiff „Maine“ sucht, das hier vor Anker liegt. Die Zeiten sind unsicher. Die Spannungen zwischen den jungen USA und der spanischen Regierung, die noch die koloniale Oberherr­schaft über Kuba ausübt, sind enorm, und das Schiff ist hier, um für die Sicherheit der amerikanischen Staatsbürger auf der Insel zu sorgen.

Dummerweise ist sie stattdessen der tragische Anlass für den kurzen spanisch-amerikanischen Krieg, der Kuba nach kurzem Konflikt zwischen den US-Streitkräften und den spanischen Trup­pen in die Freiheit entlässt. Doch dafür müssen Dr. Boyd und die meisten Besatzungsmitglieder der „Maine“ kurz nach seinem Auftauchen an Bord sterben. Der Grund, warum Dr. Boyd ster­ben musste, versinkt indes im Dunkel der Vergangenheit.

In der Gegenwart des Jahres 2016 wird die NUMA, die amerika­nische Meeresbehörde, mit der Tatsache konfrontiert, dass nach dem desaströsen Unglück der „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko nun auch noch eine Verseuchung mit Quecksilber droht. Das kann mit Ölbohrungen vor der kubanischen Küste zu tun haben, aber irgendwie scheint das nicht die ganze Wahrheit zu sein – das entdeckt Direktor Dirk Pitt, als er sich persönlich um die Angelegenheit kümmert und gerade recht kommt, um ein untergehendes Ölsuchschiff anzutreffen, die Überlebenden zu bergen und die auf Grund in einer Taucherglocke festsitzenden Männer zu retten. Bei diesem Tauchversuch entdecken Pitt & Co. überraschenderweise Raupenkettenspuren auf dem Meeres­grund, die bei einer Ölbohrung nichts zu suchen haben.

Als sie der Angelegenheit weiter nachgehen, wird wenig später das NUMA-Schiff „Sargasso Sea“ von kubanischen Soldaten ge­kapert und in kubanische Gewässer entführt. Dirk Pitt und seine Tochter Summer geraten in Gefangenschaft.

Pitts Sohn Dirk und Summer hielten sich ebenfalls in der Ge­gend auf, allerdings eher an der mexikanischen Küste, wo sie Archäologen bei der Erkundung eines Cenote halfen – und hier entdeckten sie Hinweise auf ein Artefakt der Azteken, das eine Aufhellung der letzten Tage des Aztekenreiches bieten könnte. Es ist ein Hinweis auf eine bearbeitete Steinscheibe, die in zwei Teile gespalten wurde. Und es gibt offenkundig Personen, die dafür bereit sind, über Leichen zu gehen. Beinahe sind es die von Dirk und Summer Pitt – aber sie können den Gegnern, die offenbar kubanischer Herkunft sind, entrinnen und entdecken während ihrer Suche ein Tagebuch eines amerikanischen Histo­rikers namens Dr. Ellsworth Boyd (!), der eine Hälfte der Stein­scheibe gefunden hat. Sie ist jedoch mit der „Maine“ unter­gegangen, darauf scheint alles hinzudeuten.

Doch warum interessieren sich kubanische Kreise so sehr für diese fünfhundert Jahre alte Steinscheibe? Was für ein Geheim­nis wird enthüllt, wenn man beide Teile zusammenfügt? Handelt es sich tatsächlich, wie Juan Díaz glaubt, der eine der Finsterlin­ge in der Geschichte, um einen sagenumwobenen Schatz der Azteken? Oder geht es um etwas völlig anderes?

Und was ist mit den politischen Krisen, die sich auf Kuba nun nach Fidel Castros Tod abzeichnen? Ganz zu schweigen von den rätselhaften Quecksilberverseuchungen vor der Küste? Wie hängt das alles zusammen? Rasch entdecken die NUMA-Mitar­beiter, dass die Dinge noch sehr viel schlimmer stehen, als sie befürchtet haben – und der amerikanischen Regierung sind die Hände gebunden, zumal dann, als durch ein Attentat der US-freundliche nachfolgende Regierungspräsident Rául Castro ebenfalls umkommt und sich auf Kuba ein Regierungsumsturz ankündigt. Und der neue starke Mann dort hat sogar schon ei­nen idealen Attentäter gefunden, den er der Öffentlichkeit als Mörder präsentieren will, um den amerikafreundlichen Kurs ein für allemal zu beenden: einen Mann namens Dirk Pitt senior von der NUMA …

Zugegeben, nach dem letzten Roman um Dirk Pitt war ich durchaus schon sehr skeptisch geworden, was die Qualität des Nachfolgebandes angeht. Und anfangs fand ich definitiv, dass diese Sorge berechtigt war. Der Roman war klar auf Geschwin­digkeit geschrieben, eher eine Verkettung hastiger Actionsze­nen und Verfolgungsjagden und Stunts, die Charaktere schienen eher grob und holzschnittartig gearbeitet zu sein.

Hinzu kamen dann noch diese seltsamen und bizarren Überset­zerfehler: Admiral Sandecker wird auf einmal zu „General Sandecker“, was völliger Schwachsinn ist, wenn man die Roma­ne von früher kennt. Und warum um alles in der Welt die „Cay­man Islands“ durchgängig und penetrant als „Kaimann-Inseln“ (sic!!!) übersetzt werden müssen, erschließt sich mir absolut nicht. Da hat wohl jemand den Google-Übersetzer wortwörtlich übertragen lassen. Das ist so, als würde man „dead end of the street“ als „totes Ende der Straße“ übersetzen statt mit „Sack­gasse“. Manche Eigennamen müssen einfach nicht übersetzt werden (ich male mir gar nicht aus, was in diesem Fall etwa aus „Montevideo“ gemacht worden wäre! Kommt im Roman glückli­cherweise nicht vor). Keine Ahnung, ob Michael Kubiak nur kei­nen Bock hatte, gescheit und akkurat zu übersetzen oder ob das Lektorat diese eigenartigen Dinge gemacht hat. Übersehen wurde das von Verlagsseite auf alle Fälle, und ich konnte da echt nur den Kopf schütteln.

Allerdings wird es in der zweiten Hälfte des Romans etwas bes­ser – vielleicht, weil ich mich daran beim geschwinden Lesen gewöhnt hatte. Witzig ist natürlich, hier eine (verschwörungs­theoretisch) interessante neue These für den spanisch-amerika­nischen Konflikt 1898 zu finden. Leider bleibt vollkommen im Dunkeln, wie wohl Díaz von dem Schatz erfahren haben mag. Grundsätzlich ist sein Verhalten bestenfalls irrational zu nennen, und wer sich schlimme Vorstellungen macht, was der armen Summer Pitt wohl in der kubanischen Gefangenschaft zustößt, den kann ich sogleich beruhigen. Da passiert außer einem Krat­zer an der Wange rein gar nichts. Alle Kubaner werden durch die Bank zwar als ziemlich gewalttätig beschrieben, aber sexuell sind sie etwa so potent wie ein Eunuch, nämlich gar nicht.

Erotik braucht man in dem Roman also nicht zu suchen – da ist Cussler auf so geradezu absurde Weise bieder und harmlos ge­worden, das könnte man (bezogen auf diesen Aspekt) auch Kleinkindern zu lesen geben. Da ist von seiner früheren Libido so gar nichts mehr übrig, und Summer ist quasi nur schmücken­des Beiwerk … wie Frauen in frühen Hollywood-Filmen, in denen ihnen die Rolle der entführten Schönheit zugedacht wurde, die eigen­ständig (oder gar sexuell) gar kein Profil bekommen durften. Da kann man als heutiger Leser über die Züchtigkeit der neuen amerikanischen Prüderie nur seufzen, der Cussler & Co. in ihren Romanen vollständig entsprechen.

Auch naturwissenschaftlich und meeresarchäologisch ist die Ge­schichte an manchen Stellen halbseiden, schätze ich. Ob es bei­spielsweise in der Karibik tatsächlich hydrothermale Schlote am Meeresgrund gibt, zumal in Tiefen bis 500 Meter, kann man mit Fug und Recht bezweifeln. Ob die Sprengung derselben die Aus­wirkungen hat, wie es beschrieben wird, dito. Und ob auf dem Grund der Karibik ein hölzernes Kanu nach 500 Jahren immer noch vorhanden ist, dass man es optisch überhaupt erkennen kann, das möchte ich doch im warmen Karibikwasser sehr in Zweifel ziehen. Im hohen Norden: okay, da kommt so etwas vor. Aber im relativ warmen karibischen Gewässer sollte man davon wohl eher nicht ausgehen.

Ebenso führt das Titelbild natürlich mal wieder dramatisch in die Irre – sucht nicht nach einem Wasserflugzeug, das explodiert. Ihr werdet es nicht finden. Sie hätten vielleicht besser einen ab­stürzenden Hubschrauber bringen sollen. Der kommt definitiv vor!

Der Schluss der Geschichte hingegen kommt dann durchaus witzig herüber, wenn auch recht lieblos im Vergleich zu früheren Romanenden (man schaue sich mal als Gegenbeispiel etwa den Schluss von „Das Alexandria-Komplott“ an!). Als Fazit ist darum zu sagen: Der Roman ist eher Durchschnittskost, und wer viele frühere Cussler-Romane kennt, wird reichlich Versatzstücke wie­dererkennen. Wer sich mit Cussler noch nicht so auskennt, fin­det einen ganz netten Abenteuerroman vor und sieht vielleicht auch über die schematische Charakterisierung der Personen hinweg. Kann man also lesen. Es hätte deutlich schlimmer sein können.

Schauen wir mal, wie der nächste Band ausfallen wird.

© 2020 by Uwe Lammers

In der nächsten Woche geht es dann zurück zur Science Fiction und zu einem wirklich guten Autor & Roman! Das solltet ihr euch nicht entgehen lassen.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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