Rezensions-Blog 309: Calendar Girl 1: Verführt

Posted Februar 24th, 2021 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

Audrey Carlan gehört zu der neuen Schar von Shooting-Stars der Vielschreiber im Bereich der romantisch-erotischen Romanserien. Ich habe jüngst schon ihren dritten Romanzyklus verschlungen (kann man echt nicht anders sagen), und in­zwischen mag ich die Frau wirklich als Autorin sehr gern. Ihr werdet also zwei­fellos in den nächsten Monaten und Jahren noch mehr Rezensionen zu ihren Werken vorfinden.

Mit diesem Band hier machte ich also ihre Bekanntschaft und wurde recht schnell von der in die Ecke gedrängten Mia Saunders mitgerissen, die genötigt wird, um die von ihrem (inzwischen im Koma liegenden) Vater erpresste Million Dollar aufzutreiben. Dass die Handlung sehr schnell schon in diesem ersten von vier Bänden auf äußerst unterhaltsame Weise aus dem Ruder läuft, stand nicht wirklich von vornherein fest. Und so werfe ich euch einfach mal ohne lange Vorrede einfach mal hinein in das Las Vegas der jüngsten Vergangenheit.

Schaut euch mal in Mias Leben um und erlebt mit, wie ihr der neue Job dasselbe grundlegend umkrempelt:

Calendar Girl 1: Verführt

(OT: The Calendar Girl – January/February/March

von Audrey Carlan

Ullstein 28884

368 Seiten, TB

Juni 2016, 12.99 Euro

Aus dem Amerikanischen von Friederike Ails (Januar), Graziella Stern

(Februar) und Christiane Sipeer (März)

ISBN 978-3-548-28884-0

Mia Saunders will das alles nicht. Sie sträubt sich mit Händen und Füßen gegen das offenkundig Unvermeidliche – einfach deswegen, weil sie die Aussichten grässlich findet. Aber sie muss sich zugleich den Realitäten stellen, und die sind einfach scheußlich.

Die 24jährige vormalige Kellnerin mit eher bescheidener Bildung (abgebroche­ner Highschool-Abschluss) und zerrüttetem familiärem Background (Mutter ist abgehauen, als sie zehn war und hat sie und ihre fünf Jahre jüngere Schwester Maddy beim spielsüchtigen Vater in Las Vegas zurückgelassen, der zudem gern dem Alkohol zusprach) sitzt echt in der Patsche. Das heißt … eigentlich ist es ihr Dad, der in der Patsche sitzt. Oder besser liegt. Er liegt im Koma, brutal zu­sammengeprügelt und völlig außerstande, auf seine beiden Mädchen aufzupas­sen. Und Mia wurde die Pistole auf die Brust gesetzt. Der Kredithai Blaine Pin­tero, bei dem Mias Vater horrende Spielschulden hat, schickte seine brutalen Schläger vorbei und besteht nun darauf, dass Mia die Schulden begleicht – eine Million Dollar!

Verdammter Mist, wie um alles in der Welt soll sie das nur machen, wo sie doch selbst kaum was auf dem Konto hat? Der einzige Weg scheint ihre Tante Millie zu sein („Mrs. Milan, wenn ich bitten darf!“), die einen exklusiven Escort-Ser­vice leitet und Mädchen als Begleitung für reiche Leute vermittelt. Ihr Angebot an Mia: sie wird zwölf Monate lang von ihr als „Calendar Girl“ vermittelt und verdient auf diese Weise mit zwölf Kunden jeden Monat hunderttausend Dollar. Wenn die Kunden Sex wollen, müssen sie noch extra dafür bezahlen.

Mia bleibt keine Wahl, sie muss in den sauren Apfel beißen und ist ab sofort nicht mehr Herrin über ihr Schicksal, sondern wird komplett fremdgesteuert. Und anfangs hasst sie es.

Der erste Auftrag führt nach Malibu. Während ihre kleine Schwester zu studie­ren begonnen hat und Mia sich unablässig Sorgen um sie macht, trifft sie Kunde Nr. 1 … und er haut sie geradewegs um. Weston Channing der Dritte ist Dreh­buchschreiber mit einem echten Traumkörper, Surfer noch dazu, und schnell er­weist sich, dass eine geradezu magnetische Anziehungskraft sie zueinander hin­zieht. Mia, die mit ihren bisherigen Lovern immer nur ausgesprochene Nieten gezogen hat, fühlt sich auf einmal wie in himmlische Gefilde versetzt und ist einfach fassungslos – und wird in einer Weise sexuell zufrieden gestellt, wie sie das nie für möglich hielt.

Problem Nummer 1: Wes, wie sie ihn nennen darf, ist nicht so der Beziehungs­typ, sondern ein ausgesprochener Workaholic. Problem Nummer 2: Sie haben nur 24 gemeinsame Tage. Dann endet ihr „Arrangement“, und sie muss weiter. Beide wollen nicht wirklich voneinander lassen. Aber wiewohl Wes genug Geld besitzt, um ihre Sorgen mit Blaine zu beenden, möchte sie sich nicht in solche Abhängigkeit begeben … und macht weiter, wenn auch mit wundem Herzen.

Kunde Nummer 2 ist Alec Dubois, ein recht exzentrischer französischer Künst­ler in Seattle, und er bucht sie ausdrücklich für einen Monat als „seine Muse“. Der Start misslingt allerdings gründlich, als sich Mia in seinem Studio gleich am ersten Tag den Fuß verstaucht und anschließend eher auf Krücken durchs Leben humpelt. Und dann schockiert der Franzose sie auch noch mit seiner Forderung, sie möge sich doch bitte in ihn verlieben.

Liebe ist ein absolutes No-Go! Zumal sie noch unter der Trennung von Wes lei­det. Aber was Alec unter „Liebe“ versteht, ist etwas recht Eigenwilliges. Und dummerweise ist auch er ein echtes Sahneschnittchen vor dem Herrn.

Offensichtlich hat ihre Tante ein extrem gutes Händchen für die Leute, von de­nen Mia gebucht wird. Und jeder ist gründlich verschieden, bei jedem entdeckt die junge Schönheit aus Vegas Facetten, die ihr bei der Erforschung ihrer eige­nen Persönlichkeit und Sexualität helfen. Auf einmal beginnt sie diese Escort-Tätigkeit nicht als Fluch oder verdeckte Form der Prostitution zu begreifen, son­dern es ist etwas völlig anderes und sehr viel Angenehmeres …

Und dann landet sie im März im windigen Chicago bei Kunde Nr. 3: dem Ex-Boxer Anthony Fasano, der innerhalb seiner großen italienischen Familie beson­derem Druck ausgesetzt ist und unbedingt eine Vorzeige-Freundin braucht, weil insbesondere die dominante Mutter Druck macht – sie will schnellstmöglich En­kelkinder haben. Und sie überrumpelt die völlig verdatterte Mia damit, dass sie als „Verlobte“ ihres Lieblingssohnes doch am besten diesen Monat (!) heiraten soll, damit sie mit der Nachkommenplanung beginnen.

Äh … da ist jetzt guter Rat teuer, und nicht nur deswegen. Denn Tony ist stock­schwul und völlig verschossen in seinen Freund Hector – der prompt eifersüch­tig auf Mia wird. Aber Tony wagt es nicht, sich zu outen und seine Familie zu brüskieren …

Ich gestehe, ich war ein wenig skeptisch, als ich mit diesem Romanzyklus an­fing. Er reizte mich zwar schon geraume Zeit, aber es dauerte, bis ich ihn dann anno 2017 antiquarisch zusammenbekam. Sollte wohl, überlegte ich mir, diese Geschichte darauf hinauslaufen, dass das Kamasutra an Liebesstellungen durch die Jahreszeiten dekliniert werden würde? Ich wurde auf faszinierende Weise überrascht, denn dem war durchaus nicht so, wenigstens nicht im ersten Band.

Mia Saunders ist eine humorvolle Person, die durchaus ihren eigenen Kopf und recht eigensinnige Ideen hat. Es gibt zwar vorgeschriebene Regeln im Escort-Geschäft, aber darauf pfeift sie relativ schnell, und das tut der Geschichte gut. Man merkt schnell, dass der Zusatzpassus – dass Sex also nicht ausdrücklich in­begriffen sei – angesichts der äußerst attraktiven Kerle, an die sie vermittelt wird, schnell klarer Bestandteil der Geschichte wird (Tony Fasano ausgenom­men, da gibt es dann andere Komplikationen). Das wird äußerst variantenreich und stürmisch beschrieben, und es macht Spaß, Mia durch die luxuriösen Ge­bäude, Clubs und Familienheime zu folgen (von den Betten ganz zu schweigen, wenn sie es denn bis dorthin schaffen).

Zugleich spürt man zunehmend, wie Mia langsam reift und durchsetzungsfähi­ger wird. Ich hatte zwar so meine Zweifel angesichts von Mias referiertem Bil­dungshintergrund, aber da musste die Autorin natürlich nach und nach eine ge­wisse Gleichwertigkeit herzustellen suchen. Üblicherweise sollen ja Escort-Mädchen sehr gebildet und eloquent sein. Das wird hier bei Mias Leben ange­deutet, weil sie angeblich auf eine Schauspielkarriere abzielt. Da gibt es schon gewisse Logikdefizite, muss man eingestehen.

Auch witzig, und zweifellos mit voller Absicht in Szene gesetzt, ist die Idee, die einzelnen „Monate“ von drei unterschiedlichen Übersetzerinnen ins Deutsche übertragen zu lassen. Auf diese Weise erhält man zwar nicht einen Roman „aus einem Guss“, aber die Übersetzungsfähigkeiten der drei Frauen fangen schön die charakterlichen Unterschiede der „Kunden“ Mias ein. Der Gedanke hat was und funktioniert gut. Soweit ich das sehen kann, wird diese Struktur im nächsten Band beibehalten.

Drei weitere Romane liegen also noch vor uns, und sicherlich kann man davon ausgehen, dass es eine Reihe von Komplikationen im weiteren Verlauf der Handlung geben wird, die sich bestimmt stärker als bislang ineinander verzahnt. Da ist beispielsweise einmal der Kredithai Blaine, der weiterhin seine Krallen nach Mia ausstreckt und von ihr schamlos Monat für Monat abkassiert (da kommt zweifellos noch Übles nach). Dann dürfte auch ihre bislang verschwun­dene Mutter sicherlich irgendwann eine Rolle spielen. Und die Distanz-Bezie­hung zu ihrem Kunden Nr. 1, Wes, ist sicherlich ebenfalls langfristig von Be­lang. Dasselbe gilt für die zahlreichen Freundschaften, die sie während ihrer Tä­tigkeit als Escort-Mädchen schließt.

Doch, es bleibt interessant. Und dass ich den Roman binnen drei Tagen auslas, spricht auch definitiv für sich. Audrey Carlan ist ausgesprochen lesbar. Der nächste Band liegt hier schon zur Lektüre bereit und wird alsbald ebenfalls ge­schmökert werden.

Für diesen hier gilt: sehr unterhaltsame Lektüre mit äußerst sympathischen und leidenschaftlichen Personen. Eine eindeutige Leseempfehlung von mir.

© 2018 by Uwe Lammers

In vier Wochen geht es mit Mias nächsten drei Abenteuern weiter. Da lasse ich euch mal – wie immer mit mehrteiligen Romanzyklen – ein wenig zappeln. Aber zwischendrin besuchen wir noch Sherlock Holmes.

Bis nächste Woche, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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