Rezensions-Blog 313: Calendar Girl 2: Berührt

Posted März 25th, 2021 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wie versprochen wird es heuer nach den hochdramatischen Er­eignissen um die OREGON-Crew in der vergangenen Woche wie­der ein wenig ruhiger, verträumter und in gewisser Weise bo­denständiger.

Wir erinnern uns – im ersten Teil von Audrey Carlans „Calendar Girl“-Vierteilers wurde uns die Notlage des in Las Vegas leben­den Mädchens Mia Saunders vor Augen geführt, das durch Spielschulden des Vaters binnen relativ kurzer Zeit eine Million Dollar an den Kredithai Blaine Pintero abzuliefern hat. Die einzi­ge Chance, die ihr blieb, war die, auf das Angebot ihrer Tante Millie einzugehen und für 12 Monate zu einem hoch bezahlten Escort-Girl zu werden.

Drei dieser Monate sind schon verstrichen, jetzt folgen die nächsten drei Engagements, die sie von Boston über Hawaii nach Washington, D.C. reisen lassen. Dabei lernt sie wieder neue, faszinierende und zum Teil auch ziemlich beunruhigende Typen kennen und findet sich in bisweilen eigenartigen Settings wieder.

Langweilig wird das jedenfalls nie, auch wenn man hier schon deutlich merkt, wie der romantisierende Weichzeichner arbeitet. Wie das im Detail ausschaut? Nun, das seht euch am besten mal selbst an:

Calendar Girl 2: Berührt

(OT: The Calendar Girl – April/May/June)

von Audrey Carlan

Ullstein 28885

418 Seiten, TB

August 2016, 12.99 Euro

Aus dem Amerikanischen von Graziella Stern (April), Friederike Ails (Mai) und Christiane Sipeer (Juni)

ISBN 978-3-548-28885-7

Vielleicht ist es doch gar nicht so übel, ein Escort-Girl zu sein, wenn auch zwangsweise. Das ist Mia Saunders´ Fazit nach den ersten drei Monaten, in denen sie sowohl ihre stagnierende Schauspielerkarriere in Kalifornien auf Eis legen muss als auch ihre kleine unvollständige Familie in ihrer Heimat Las Vegas im Stich zu lassen gezwungen ist.

Gott weiß, dass sie lieber an der Seite ihres Dads wäre. Er ist der Grund, warum sie das alles macht und für ihre Tante Millie („Mrs. Milan, wenn ich bitten darf!“) und ihre Agentur Exquisite Escorts arbeitet. Obwohl … wenn man es genau bedenkt, ist das doch im Kern ihre Schuld: schließlich war sie so dämlich, sich in den Kredithai Blaine Pintero zu vergucken, der sich als ausgesprochener Mistkerl entpuppte. Blaine hat ihren spielsüch­tigen Vater finanziert und ihn, als dieser seine horrenden Spiel­schulden nicht bezahlen konnte, krankenhausreif geschlagen. Seither soll Mia nun eine Million Dollar auftreiben, und allein ihre Tante bot ihr einen Ausweg: für den Satz von 100.000 Dol­lar pro Monat zwölf Monate als Escort-Girl zu arbeiten. Sex ex­klusive (der kostet die Kunden extra). Am Anfang empfand Mia das als eine Mischung aus Sklaverei und Prostitution.

Gut, sie kam in den Staaten sagenhaft weit herum. Sie kostete von der verführerischen Droge Luxus und wurde mit einer Pracht konfrontiert, die sie selbst kaum jemals geschmeckt hat­te. Und sie lernte, das war vielleicht das Unglaublichste, phan­tastische Männer und unfassbar heißen Sex kennen.

Und verlor ihr Herz.

Damit begann das Drama.

Denn schon ihr erster Kunde, Weston Charles Channing der Dritte schlich sich in ihr Herz, wie es sonst niemand ihrer kata­strophalen Liebsten schaffte. Er hätte auch bereitwillig ihre Schulden übernommen, aber in diese Form neuer Abhängigkeit wollte sich Mia nicht begeben. Darum machte sie weiter. Aber Wes folgt ihrem Herzen wie ein beständiger Schatten.

Im April wird sie nach Boston delegiert, und zwar an die Seite des Baseball-Jungstars Mason „Mace“ Murphy, der sich von An­fang an – wie üblich – falsche Vorstellungen von einem Escort-Girl macht und sich denkt, dass sie „natürlich“ sein Bett wär­men werde. Das nimmt er generell von jedem Mädel an, das ihm über den Weg läuft, und die meisten landen tatsächlich in seinem Bett.

Tja, da hat er sich aber geschnitten. Mia macht unmissverständ­lich klar, so knackig der Auftraggeber diesmal auch wieder sein mag, dass er für derlei Dienstleistungen erstens ihre Zustim­mung braucht und zweitens locker 20.000 Dollar extra zu zah­len habe. Das ernüchtert Mace dann doch und verhagelt ihm erst mal die Laune. Und in der Folge gibt es noch einige Kompli­kationen, die unter anderem in Masons Managerin Rachel beste­hen und seinen Imageproblemen Suff, Sexgelage und Prügelei­en – um diese wirkungsvoll durch das Darstellen einer dauern­den Freundin zu vereiteln, ist Mia überhaupt erst angestellt wor­den, und zwar von Rachel. Aber ihr scheint das sehr schnell eine sehr üble Idee zu sein, die zu tränenreichen Problemen führt …

Noch mehr setzt Mia in diesem Monat der selbst auferlegte Sexentzug zu. Denn in ihrem Herzen brennt nach wie vor die Sehnsucht nach Wes, und selbst wenn sich der burschikose und rüpelhafte Mace sich sehr bald gentlemanlike verhält, genügt Mia doch ihr Vibrator schon lange nicht mehr. Und dann ergibt sich die Chance, einen Zwischenstopp in Seattle einzulegen – und sie kann der Versuchung nicht widerstehen, sich mit einem Ex-Kunden zu treffen.

Im Monat Mai wird sie von ihrer Tante nach Hawaii ins Paradies geschickt, um hier für einen Fotografen in einem Modelshooting zu arbeiten. Doch zu ihrer Verblüffung ist es überhaupt nicht der Fotograf, der ihre Libido entflammt, sondern ihr Modelpartner, der Samoaner Tai Niko, ein tätowierter Hüne, der sie sofort emo­tional versengt (warum musste ich dabei nur an Dwayne John­son denken … no idea … lach!). Zu dumm allerdings, dass er mehr sucht als nur eine kurzweilige Bettgefährtin für einige Wo­chen – er will eigentlich „seine Unendlichkeit“ suchen, die Frau, mit der er den Rest des Lebens verbringen kann. Glücklicher­weise entspricht sie, von seiner medial veranlagten Mutter vor­ausgesagt, so gar nicht Mias Äußerem, sondern soll eine blasse Blondine vom Festland sein.

Aber Mia hat ihre kleine Schwester Maddy und die beste Freun­din Ginelle zum Urlaub auf Hawaii eingeladen, und beides sind Blondinen … und Maddy hat bei der Wiederbegegnung einen Schocker ganz heftiger Art für ihre ältere Schwester parat, der Mia völlig aus der Bahn wirft.

Um sich von dieser Schocksalve ein wenig zu erholen – auch Blaine Pintero hat erneut seine gierigen Krallen nach ihr ausge­streckt und würde sie zu gern wieder als seine Bettwärmerin se­hen – ist es fast schon erholsam, als Mia dann im Juni ihren nächsten Termin wahrnimmt.

Diesmal reist sie in die inzwischen klimatisch schwülheiße Hauptstadt Washington, D.C., und hier soll sie die Galabeglei­tung eines älteren Unternehmers namens Warren Shipley sein. Shipley stammt wirklich aus altem Geldadel und residiert in ei­ner unfassbar feudalen Villa, verwaltet von seiner Haushälterin Katherine – und dummerweise hat er mit dem unverschämt at­traktiven Senator Aaron Shipley, den Mia aus den Nachrichten kennt, auch einen smarten Sohn, der sehr rasch ein Auge auf sie geworfen hat.

Ähnlich wie in Boston knistert es – durchaus krisenhaft – zwi­schen Shipley senior und seiner Haushälterin, und Mia ist inzwi­schen so versiert, derlei Signale zu entschlüsseln, dass ihr das sofort auffällt. Was sie jedoch krass unterschätzt, ist das Inter­esse Aaron Shipleys. Und das führt dann zur Katastrophe …

Auch der zweite Band um das Calendar Girl Mia Saunders ver­steht es, den Leser in drei höchst interessante Szenarien zu ver­setzen. Mason Murphy, Tai Niko und Warren Shipley könnten verschiedener kaum sein, auch die Settings, in denen Audrey Carlan ihre Protagonistin versetzt, sind deutlich differenziert, so dass man nicht das Gefühl hat, irgendwie in einer Wiederho­lungsschleife zu landen. Die sexuelle Glut des ersten Romans wird durch die Settings, die derlei zum Teil nicht zulassen, deut­lich abgemildert, aber das tut der Lesbarkeit des Romans abso­lut keinen Abbruch.

Dafür wird massiv der Humor ausgebaut, der manchmal beim Lesen zu prustenden Ausbrüchen reizt, ganz ehrlich. Mia ist so­wieso, das merkt man hier noch deutlicher als im ersten Roman, eine durchaus humorvolle Person. Das merkt man schon daran, dass sie ihre beste Freundin Ginelle unter „Hurenschlampe“ als Kontakt gespeichert hat. Ginelle nennt sie selbst im Gegenzug freundschaftlich „Miststück“. Und der SMS-Verkehr der beiden liest sich annähernd so vergnüglich wie der Mailverkehr zwi­schen Christian Grey und Anastasia Steele in „Fifty Shades of Grey“, woran sich die Autorin zweifellos ein Vorbild genommen hat.

Indes … man merkt schon durchaus, dass sie eine starke Nei­gung zu Happy Ends hat. Das war bereits im ersten Band zu entdecken, als es um Anthony Fasano ging. Hier spielt sie eine analoge Rolle im Fall Mason Murphy, Tai Niko und Warren Shipley – das war dann doch ein wenig zu viel des Guten. Ebenfalls sympathisch ist es, dass sie sich überall Freunde macht und so ihre „Familie“ vergrößert. Das klingt nicht wirklich realistisch.

Warum nicht?

Weil sie, beispielsweise, aus ihrer vermeintlichen kalifornischen Lebensheimat so überhaupt keine Kontakte besitzt, und das als jemand, der dort Schauspielerfahrungen gemacht haben möch­te. Das hört sich doch ziemlich irreal an. Außerhalb ihrer „Kern­familie“, also ihrem komatösen Dad, dem widerwärtigen Blaine Pintero, ihrer besten Freundin Ginelle, ihrer jüngeren Schwester Maddy und ihrer Tante Millie gibt es überhaupt keine Kontakte. Die Kalifornien-Schiene wirkt also nur sehr fern und aufgesetzt. Und dass sie durch sonderlich bereitwillige Kontaktfreudigkeit aufgefallen wäre, kann man auch nicht sagen. Da hätte man doch erwarten sollen, dass ihr das im Escort-Job noch deutlich schwerer fällt. Aber das hätte sie auf der anderen Seite natür­lich auch ein wenig soziopathisch erscheinen lassen und nicht eben für die Hauptrolle qualifiziert. Audrey Carlan musste hier also gewisse Abstriche machen.

Irritiert hat mich auch im April-Kapitel, dass Tai Niko und seine Familie durchweg als „Samoaner“ bezeichnet werden. Ich mei­ne, Samoa liegt deutlich weiter weg im Pazifik, und eigentlich hätte sie wohl sinnvollerweise von „Hawaiianer“ reden müssen. Aber das ist vielleicht auf die Übersetzerin zurückzuführen. Ge­schwinde Leser, die sich von Tais Liebeskunst mitreißen lassen, werden diese Irritation vermutlich gar nicht spüren.

Bei der Freundschaftsanbahnung leistet die Autorin dann freilich ganze Arbeit, und dass sie Hilfe von Seiten ihrer einstigen Kun­den braucht, wird schon im Juni-Kapitel unübersehbar. Ich glau­be, das wird sich noch verstärken. Denn, mal ganz ehrlich, wie­so sollte der Kredithai Blaine sie in Ruhe lassen, wenn Mia sich zwölf Monate lang als schöne Geldkuh entpuppt? Warum sollte ihre Tante sie in Frieden lassen, wenn sie ihr bestes Pferdchen im Stall ist?

Auch das wäre nicht plausibel. Und dann ist da noch die Frage mit ihrem Herzen und Wes, der sich zwischenzeitlich – zu ihrer Pein – mit einer Schauspielerin eingelassen hat und dem Ver­nehmen nach „dasselbe tut“, was sie auch macht. Während Mia sich im Rahmen ihres zwölfmonatigen Dienstes mit fremden Männern amüsiert, könne sie ja wohl nicht erwarten, dass er enthaltsam in die Ferne schmachtet. Tja, wohl nicht. Aber kann sie damit leben? Und ist das tatsächlich Liebe, die sie für „ihren Wes“ empfindet?

Ihr merkt schon – es gibt fortdauerndes Krisenpotenzial für die beiden weiteren Bände der Serie. Ich bin schon an der Lektüre und am fortwährenden Kichern. Ihr werdet davon Näheres hö­ren, bald.

Auch der zweite Band ist jedenfalls unbedingt empfehlenswert.

© 2018 by Uwe Lammers

Man merkt, ich mag die Autorin – das kann nicht verblüffen, würde ich sagen, immerhin hatte ich sie bereits nach dem ers­ten Roman ziemlich ins Herz geschlossen … inzwischen, wo ich diesen Zyklus gelesen habe, den Folgezyklus „Trinity“ (auch schon rezensiert) und ebenfalls „Dream Maker“ (gleichfalls be­reits rezensiert), hat sich diese Emotion noch deutlich verstärkt. Zurzeit sammle ich ihren neuesten Zyklus „Lotus House“ und freue mich darauf, ihn beizeiten lesen zu können.

Vorerst gibt es aber genügend anderen Lesestoff, und das be­deutet dann natürlich auch reichlich Abwechslung für euch im Rahmen meines Rezensions-Blogs. In der nächsten Woche merkt ihr das mal wieder, da schwenke ich gänzlich von der Bel­letristik weg und stelle euch ein faszinierendes Sachbuch vor über eine Zeit, wo Naturwissenschaft, Religion und Aberglauben noch verwirrende Schnittstellen besaßen. Da hört ihr dann von Melksteinen, Blitzsteinen und dergleichen.

Never heard before? Na, das wird sich ändern, Freunde. Einfach neugierig bleiben. Nächste Woche seid ihr schlauer!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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