Rezensions-Blog 329: Crossfire 1 – Versuchung

Posted Dezember 8th, 2021 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

von diesem schlussendlich fünf Bände umfassenden Romanzyklus von Sylvia Day hatte ich schon mehrmals gehört und die Bücher natürlich in der Buchhand­lung liegen gesehen. Aber stets zögerte ich, in eine mir bis dato unbekannte Au­torin zu investieren (schließlich muss ich an die zahllosen ungelesenen Bücher in meinen Regalen denken, die auch irgendwann mal Aufmerksamkeit verlangen … da muss man schon ein wenig wählerisch sein).

Dann aber ergab sich die Gelegenheit, die Bücher nach und nach zu erwerben, und im April 2018 begann ich mit dem Lesen des Zyklus … nun, ich sollte sa­gen: mit dem Inhalieren, denn die gut 400 Seiten des unten vorgestellten Buches konsumierte ich in rasanten zwei Tagen! Ich meine, viel mehr muss man gar nicht dazu sagen, das erstaunliche Lesetempo spricht doch sehr für die mitrei­ßende Geschichte und die Fähigkeit der Übersetzerinnen.

Also werde ich jetzt im Rahmen des Rezensions-Blogs in relativ kurzer Folge die fünf Bände dieses Zyklus vorstellen und lege sie euch als kurzweilige Lektü­re ans Herz, sofern ihr leidenschaftliche Liebesgeschichten und lebendige, kon­fliktträchtige Protagonisten schätzt. Nehmt euch Zeit – wenn die Story euch erst mal gepackt hat, kommt ihr aus den Büchern so rasch nicht mehr raus.

Crossfire 1 – Versuchung

(OT: Bared to you)

Von Sylvia Day

Heyne 54558

Februar 2013

416 Seiten, TB, 9.99 Euro

Aus dem Amerikanischen von Eva Malsch und Nicole Hölsken

ISBN 978-3-453-54558-8

Die aufregende junge Blondine Eva Lauren Tramell hat gerade ihr Studium ab­geschlossen und tritt ihren ersten Job in einer New Yorker Werbeagentur an, um zu beweisen, dass sie durchaus fähig ist, auf eigenen Beinen zu stehen. Dabei hätte die 24jährige das nach der Ansicht ihrer Eltern überhaupt nicht nötig. Im Gegenteil. Ihre Mutter Monica Tramell Barker Mitchell Stanton und ihr dritter Mann Richard Stanton sind wahrhaftig vermögend genug, um ihre einzige Toch­ter in einem von Stantons zahlreichen eigenen Unternehmen unterbringen zu können. Aber Eva hat ihren eigenen Kopf. Und sie hat eine ganze Reihe von Problemen, mit denen der Leser erst nach und nach vertraut gemacht wird.

Doch ehe man das faszinierende Rätsel Eva Tramell richtig kennen lernen kann, geschieht schon das, was ihr Leben völlig aus dem Gleichgewicht wirft: im Foyer des Gebäudes, in dem sie arbeiten will, stolpert sie buchstäblich in die Bahn eines charismatischen Mannes, der sie vollständig in seinen Bann schlägt: Gideon Cross, milliardenschwerer Jungunternehmer, dem nebenbei das Gebäude gehört, in dem sie arbeitet – das Cross Building. Eva ist von der massiven sexu­ellen Attraktion, die er ausstrahlt, wie gelähmt (sie nennt ihn nicht umsonst ins­geheim, ehe sie seinen Namen kennt, „den Sexgott“, das lässt wahrlich tief bli­cken!).

Was ihr erst etwas später klar wird – diese Attraktion ist beiderseitig. Und nun sucht Cross unaufhaltsam weiteren Kontakt mit ihr. Dummerweise hat er es nicht so mit Romantik, und er ist so unverblümt, dass er die stolze Schönheit erst mal vor den Kopf stößt. Um es in seinen Worten zu sagen: „Schlafen Sie mit je­mandem? Ich will das wissen, weil ich Sie ficken will. Deshalb muss ich wissen, wer mir im Weg steht, falls es denn jemanden gibt.“

Diplomatie, man merkt es, ist ebenfalls nicht seine Art. Cross´ soziale Kompe­tenz gegenüber Frauen ist, vorsichtig ausgedrückt, recht eingeschränkt bis nicht vorhanden. Was kein Wunder darstellt – er bekommt wirklich mühelos jede Frau, die er haben will. In dieser Hinsicht ist er einem gewissen Christian Grey durchaus sehr ähnlich (außer, dass er kein Sadist ist).

Eva versucht eine Weile recht erfolglos, dem wahnsinnigen Magnetfeld dieses Mannes auszuweichen, vor allen Dingen aber seinen unverhohlenen Versuchen, sie auszuspähen und zu kontrollieren. Damit hat sie nun weiß Gott genug Erfah­rung, hat sie doch eine zutiefst kontrollsüchtige Mutter, die ihr Handy orten lässt und dann kurzerhand ihren Stiefvater auf sie hetzt, um Eva wieder „unter Kon­trolle“ zu bekommen. Noch so einen Kontrollfreak im Leben braucht sie wirk­lich nicht.

Aber sie kann Gideon Cross nicht auf lange Sicht ausweichen, das geht schon deshalb nicht, weil sie selbst wissen und fühlen will, was er ihr geben kann … und das ist, wie sie schnell entdeckt, verdammt viel. Zu behaupten, dass der ge­meinsame Sex vulkanisch ist, ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Es ist viel­mehr eine Urgewalt. Doch stellt Eva Tramell rasch fest, dass Gideon Cross und ihre gemeinsame Bekanntschaft, die sich rasch vertieft, ganz eigene Probleme mit sich bringt.

Eins davon ist etwa die Tatsache, dass Cross ständig im Rampenlicht steht. Und das ist genau etwas, was sie selbst um jeden Preis vermeiden möchte. In ihrer Vergangenheit gibt es hässliche, traumatisierende dunkle Flecken, die sie nicht bekannt werden lassen will. Etwa dieses Treuhandkonto mit den Millionen Dol­lar, die für sie verwaltet werden.

Auf der anderen Seite beginnt sie, irrationale Anflüge von Eifersucht zu zeigen, was nicht nur auf Eva allein beschränkt ist – auch Gideons aktuelle „Frau an seiner Seite“, eine bezaubernde Model-Schönheit namens Magdalene Perez, die ebenfalls ihren Platz zu behaupten sucht. Und dann taucht auch noch Corinne Giroux auf, mit der Gideon noch viel mehr verbindet … ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Gideon zu panischen nächtlichen Alpträumen und, damit ver­bunden, unbewussten gewalttätigen Ausbrüchen neigt.

Irgendetwas, begreift Eva schnell, stimmt so ganz und gar nicht mit Gideon Cross, und ihre gegenseitige magnetische sexuelle Anziehungskraft wird durch diese Störeinflüsse immer fragiler – was nicht zuletzt auch daran neigt, dass Eva sich selbst nach wunderbarem Sex zu panischen Fluchtreaktionen hinreißen lässt.

Das, was sich anfangs als eine tolle Gelegenheit herausgestellt hat, sich selbst im Berufsleben zu beweisen und zugleich an die Seite eines phantastischen Mannes führte, der ihre wildesten erotischen Sehnsüchte erfüllte, verwandelt sich so in einen Ritt auf der Klinge, der ständig Tränen, Zweifel und Verstörung im Gefol­ge hat …

Es wird gesagt, dass Sylvia Day mit der „Crossfire“-Serie (ursprünglich eine Trilogie, die dann in fünf Bände ausgeweitet wurde) eine Konkurrenz zu E. L. James´ „Fifty Shades of Grey“ darstellt. Da ich diesen Zyklus kenne und derlei vollmundige Ankündigungen schon verschiedentlich hörte (und regelmäßig ent­täuscht wurde), war ich auch hier verständlicherweise anfangs etwas reserviert. Wenn man allerdings 156 Seiten an einem Tag quasi „wegliest“, ist es einiger­maßen schwer, zu sagen, dass der Anspruch völlig zu Unrecht besteht. Im Ge­genteil, ich würde sagen, zumindest der erste Band, den ich bislang binnen zwei Tagen weggeschmökert habe, spielt unbestreitbar in derselben Liga.

Der Anfang ist ein wenig kompliziert, weil man erst mal zusehen muss, Evas nicht unkomplizierten familiären Verhältnisse zu entwirren. Da gibt es ihren leiblichen Vater, einen weit entfernt wohnenden Polizisten, mit dem sie regelmä­ßig telefoniert. Dann ist da ihr Stiefvater, oben erwähnt, der eigentlich Ehemann Nummer 3 für ihre Mutter Monica ist. Ehemann Nummer 2 bleibt namentlich vorerst im Dunkel, und da gibt es zweifellos noch einigen Nachholbedarf. Dann gibt es ihren Mitbewohner Cary Taylor, den sie bei einer gemeinsamen Grup­pentherapie kennen lernte (was natürlich weitere Fragen aufwirft). Er ist offen bisexuell, neigt aber mehr zum eigenen Geschlecht als zu Frauen, die er zwi­schendurch „zur Abwechslung“ auch ganz gern vernascht. Und nein, an Eva hat er definitiv kein Interesse, auch wenn Gideon Cross das durchaus argwöhnt. Cross ist ohnehin sehr Besitz ergreifend. Das lässt natürlich auch tief blicken.

Ach ja, und dann gibt es natürlich noch Evas Vorgesetzten, einen bekennenden Homosexuellen, der mit seinem Lebenspartner zusammenlebt. Von Gideon Cross´ vermutlich ziemlich komplizierter Familie erfährt man erst gegen Ende des Romans Näheres, und auch hier gibt es zweifellos noch Potenzial, das im zweiten und dritten Band auszuloten ist. Ich habe nun zwar schon recht klare Vorstellungen davon, was Gideon Cross in seiner Kindheit zugestoßen ist, aber eine Lösung zeichnet sich aktuell noch nicht ab.

Die Liebesgeschichte zwischen Eva und Gideon ist jedenfalls sowohl stürmisch als auch kompliziert, die ständigen Kräftepole, die einander anziehen und wieder abstoßen, haben etwas von einem sinnlichen, erregenden Tanz an sich. Und es ist faszinierend, mitzuerleben, wie Cross versucht, aus seinem Eispanzer aufzu­tauchen und, Eva zuliebe, so etwas wie soziales Verhalten anzutrainieren, seine Partnerin besser zu verstehen. Ich schätze, das wird im zweiten Band noch sehr viel interessanter.

Wer die Serie noch nicht kennen sollte, aber leidenschaftliche Charaktere und wirklich ausgiebige, heiße Liebesszenen sucht, sollte hier unbedingt zugreifen. Unbedingte Leseempfehlung!

© 2018 by Uwe Lammers

Ihr merkt, die Geschichte, deren Rezension ich direkt im Anschluss an die Lek­türe niederschrieb, hatte mich damals noch ziemlich im Bann – was aber in sol­chen Fällen sehr gut ist. Warum? Nun, erotische Liebesromane wie dieser sind sich strukturell doch relativ ähnlich, und wenn man mehrere dieser Sorte in kurzer Folge liest, kann es durchaus vorkommen, dass man mit den Details als Rezensent in Konflikt kommt, sofern man sie nicht schnell bespricht.

Auch heute mit einer Distanz von gut zwei Jahren Lektürezeit würde ich sagen, der Crossfire-Zyklus zählt zu jenen Werken, die ich beizeiten gewiss noch ein­mal lesen werde. Es gibt solche Bücher, und ein solches Urteil abzugeben, halte ich für ein eindeutiges Qualitätsmerkmal. Ich bin ziemlich sicher, weitere Facet­ten des Romans und der Protagonisten bei der Neulektüre zu entdecken. Es lohnt sich auf alle Fälle, hier mal hineinzuschauen, wie ich eingangs schon sagte.

In der kommenden Woche bleiben wir auf dem Kontinent und befassen uns ein wenig belletristisch mit der deutschen Vergangenheit … was das bedeutet? Na, da lasst euch mal überraschen.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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