Rezensions-Blog 345: Crossfire 5/E: Vollendung

Posted März 30th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

hier kommen wir dann an das sinnbildliche Ende der Fahnen­stange. Nachdem die bisherige „Trilogie“ dieses Zyklus sich schon in einen voluminösen Vierteiler verwandelte, schließt Sylvia Day mit dem fünften Band endlich ihren Romanzyklus um Eva Tramell und Gideon Cross ab … ich fand den Schluss an manchen Stellen zwar nicht rundum befriedigend (Details wei­ter unten), aber immer noch sehr angenehm lesbar und höchst unterhaltsam.

Sowohl die Erotik wie die Dramatik werden hinreichend bedacht, mit der Konsequenz, dass ein sehr kurzweiliges Lese­vergnügen entstanden ist. Sehr viel mehr Einleitungsworte ma­che möchte ich gar nicht, da die Rezension selbst doch sehr in die Details gegangen ist, die ich vor gut drei Jahren schrieb. Aber seht euch das am besten mal selbst an:

Crossfire 5 – Vollendung

(OT: One with you)

Von Sylvia Day

Heyne 54580

November 2016

544 Seiten, TB, 9.99 Euro

Aus dem Amerikanischen von Nicole Hölsken

ISBN 978-3-453-54580-9

Es ist also amtlich: Eva Tramell und Gideon Cross haben gehei­ratet – heimlich zwar und von den Medien unbemerkt, aber ja, sie sind nun Mann und Frau, und in einer normalen Geschichte könnte man jetzt zur Tagesordnung übergehen. Aber wir sind nicht in einer normalen Geschichte, sonst hätte sich die Autorin diese gut 500 Seiten ja auch sparen können.

Wir befinden uns in einer problematischen Situation mit sehr besonderen Menschen, und naturgemäß sorgt die Enthüllung der heimlichen Hochzeit erst einmal für jede Menge Komplikationen. Eva ist schließlich eine Angestellte der Werbeagentur Waters Field & Leaman, während ihr Mann der Kopf des Konsor­tiums Cross Industries ist, ein viele Millionen Dollar schwerer Magnat mit einer durchaus unschönen Vergangenheit. Sie ha­ben beide eine komplizierte Vergangenheit, um es konkreter zu sagen.

Während Eva jahrelang selbst gegenüber ihrem leiblichen Vater Victor Reyes ein Geheimnis daraus gemacht hat, dass ihr Stief­bruder Nathan Barker sie als Kind vergewaltigte, ist Gideon von seinem Therapeuten Hugh missbraucht worden, ihm wurde aber nie geglaubt – mit der Konsequenz, dass Gideon ein zutiefst ge­störtes Verhältnis zu seiner eigenen Familie hat.

Zwar konnte Gideon den Alptraum seiner Frau beenden, indem er Nathan heimlich tötete und der Mord einem russischen Killer in die Schuhe geschoben wurde, der bald darauf selbst starb. Doch die Schatten der Vergangenheit verfolgen die beiden wei­ter. Insbesondere bei Gideon tauchen rachsüchtige Frauen aus seiner Vergangenheit auf, die auf infame, bisweilen auch ver­zweifelte Weise versuchen, die Liebenden wieder zu trennen.

In dem innigen Wunsch, Eva vor solchen Gefahren zu schützen, überreagiert Gideon. Er ist mit solchen Situationen nicht ver­traut, so abgeschottet, wie er bislang im sozialen Bereich gelebt hat. Menschliche Nähe bereitet ihm qualvolle Probleme, und so fallen denn auch die Besuche bei Evas Familie anfangs aus. Und er neigt dazu, seine Frau so in einen Überwachungskordon ein­zuspinnen, bis sie sich schließlich völlig dagegen sträubt.

Evas Rezept gegen diese Überfürsorglichkeit besteht aus meh­reren Komponenten, die Gideon fast zur Verzweiflung treiben: einmal insistiert sie, dass für die enttäuschten Verwandten nun doch eine richtige Hochzeit stattfinden soll. Hier können sich die beiden immerhin auf einen Termin einigen – den 22. September, Gideons Geburtstag, auch wenn das Evas Mutter Monica Tramell Stanton zum Wahnsinn treibt, da das keine anderthalb Monate mehr entfernt ist und sie meint, in dieser Zeit nie und nimmer eine „standesgerechte“ Heirat organisieren zu können.

Auf der zweiten Schiene entscheidet Eva allerdings, Gideon ei­nen Teil der Lasten abzunehmen und für sich selbst zu kämpfen, um zu beweisen, dass sie nicht hilfloser Spielball des Schicksals ist. So nimmt sie die Auseinandersetzung mit der Psychologin Anne Lucas auf, was sich leider als sehr viel gefährlicher er­weist, als sie in ihren kühnsten Alpträumen denken könnte.

Und zum dritten entschließt sie sich dazu, den Rat ihres ge­meinsamen Therapeuten anzunehmen und die tägliche, heiße sexuelle Dosis auf nahezu null zu reduzieren. Will heißen: „Kein Sex mehr bis zum Hochzeitstermin!“ Ein Alptraum für Gideon Cross, der sonst geradezu zwanghaft mehrmals täglich Sex mit seiner geliebten Eva hat (und den genießt sie nicht minder und kann selbst nicht genug bekommen). Auch wenn es sich dann nur noch um drei Wochen handelt, ist das für beide schier uner­träglich.

Wie kommt sie dennoch auf diesen Gedanken und will ihn durchsetzen?

Nun, sie erkennt, dass ihr Therapeut Recht hat: sie beide benut­zen Sex als Mittel zur Betäubung der Gedanken, zur Lösung von Problemen, die natürlich dennoch weiter bestehen. Auf diese Weise, da ist sie mit dem Arzt einer Meinung, müssen sie sich beide den aus dem kindlichen Missbrauch resultierenden sozio­pathischen Verhaltensweisen stellen. Gideon leidet bekanntlich unter so grässlichen Alpträumen, die bisweilen in gewalttätige somnambule Aktionen umschlagen, dass er seine eigene Frau dabei bedroht. Und sie selbst neigt zu Unselbständigkeit, zu ei­ner ihr selbst unangenehmen Form der automatischen Unter­ordnung, mit der sie nicht klarkommt. Immerhin ist sie nach New York gekommen, um die Kontrolle über ihr Leben zu gewin­nen, sich aus der kontrollierenden Umklammerung ihrer Mutter zu lösen und ein selbstbestimmtes, karrierebewusstes Leben zu führen.

Also ist es an der Zeit, die Kontrolle über die eigenen Handlun­gen zu erlangen. Die Vergangenheit ruhen zu lassen, vorwärts zu blicken. Das schließt auch so etwas wie einen „Junggeselle­nabschied“ ein, und den planen die Freunde von Eva und Gide­on getrennt für beide und, noch schlimmer, für beide an Orten, die Tausende von Kilometern voneinander entfernt liegen. Das ist natürlich eine besonders harte Anfechtung, und es geht auch prompt schief.

Aber das ist nicht das Schlimmste. Es gibt ein Geheimnis, auf das Gideons Rechercheure auf einmal stoßen, das geeignet ist, die Beziehung der beiden Liebenden grundlegend zu zerrütten. Und dann sind da noch ihre Feinde, die schließlich selbst vor Mord nicht zurückschrecken …

Der Schlussband des „Crossfire“-Zyklus (denn um eine Trilogie handelt es sich ja nun längst nicht mehr) ist wieder für die Fans von Eva und Gideon ein süffiges, schönes Abenteuer, das dies­mal mit noch etwas weniger heißblütigem Sex daherkommt als der vierte Band – das ist allerdings eine konstitutive Notwendig­keit.

Warum das? Nun, weil es hier wesentlich um Normalisierung der Familienbande geht, und das bedeutet, es wird relativ viel psy­chologisiert, gestritten, aber eben auch harmonisiert. Gideons Träume tauchen nun viel stärker in der Handlung auf, auch Evas Träume nehmen eine durchweg seltsame Form an. Rätselhafte Bezüge zu manchen Handlungspersonen der vorherigen Bände gewinnen an Plausibilität und Kontur, aber in mancherlei Bezie­hung werden dann Erwartungen des Lesers nicht bestätigt. So hatte ich etwa gehofft, dass aus der Person der Ireland Vidal noch etwas mehr werden würde. Der Nebenhandlungsstrang um Evas Freund Cary Taylor dümpelt eher vor sich hin und ver­landet schließlich etwas unbefriedigend.

Auch einige andere Chancen werden bedauerlicherweise völlig verschenkt, die der Handlung eine andere Wendung gegeben hätten – beispielsweise diese Rede Gideons bei der Crossroads-Stiftung. Das hätte ein wirklich starkes Statement werden kön­nen, aber die Autorin hatte offenkundig andere Pläne. Und so niedlich beispielsweise der Handlungsstrang um den süßen Hund Lucky sein mag … ich glaube, die Autorin hat ihn nicht gründlich durchdacht. Wann sollte Gideon jemals Gelegenheit haben, ihm den täglichen Auslauf zu lassen, den ein Hund nun einmal braucht? Davon ist nie die Rede, so dass ich doch daran zweifeln muss, ob sie selbst Hundehalterin ist – das wäre ihr so­fort aufgefallen.

Natürlich ist es gut, dass sich manche Probleme schließlich auf­klären lassen. Ebenso gefiel es mir, endlich intensiver in Gide­ons bislang doch stiefmütterlich behandelten Freundeskreis ein­dringen zu können. Ob die Turbulenz um Monica Tramell letzten Endes notwendig gewesen wäre, lasse ich mal dahingestellt sein. Ich hätte mir für sie etwas anderes gewünscht, nicht zu­letzt deshalb, weil Richard Stanton, ihr dritter Ehemann und Stiefvater von Eva, bis zum Schluss bedauernswert blass bleibt. Was mir als Romantiker allerdings besonders traurig in Erinne­rung bleibt – auch hierfür gibt es gewisse Hoffnungsmomente in der Geschichte, die die Autorin aber kategorisch nicht erfüllt – , das ist die Erkenntnis, dass sie Eva und Gideon das Kinderglück letztlich verweigert.

Zugegeben, es wäre superkitschig gewesen, die Geschichte mit Evas Schwangerschaft und dem Anblick kleiner Kinder zu voll­enden. Aber ganz im Ernst: darauf haben die Leserinnen und Le­ser sich doch wirklich am intensivsten gefreut, nicht wahr? Einer jungen, schönen und so sexuell gesunden und aktiven Person wie Eva hätte man das am allermeisten gewünscht. So betrach­tet ist also die „Vollendung“ im Titel leider ausgeblieben.

Und ich fand auch, dass der Roman ungeachtet seiner schönen Lesbarkeit und der meist schön gezeichneten Charaktere und der liebevollen Ausgestaltung des Settings einige unübersehba­re Längen aufwies und am Schluss mit einer Spur des Bedau­erns geschlossen wurde. Ausdrücklich aber nicht deshalb – wie es bei sehr guten Romanen der Fall sein sollte – , weil das Lese­abenteuer vorbei ist, sondern weil am Schluss etwas Entschei­dendes gefehlt hat, das die Geschichte abrundete.

Nein, ich denke nicht, dass es einen sechsten Band geben wird. Aber Kinder wären am Schluss schon optimal gewesen … wer weiß, vielleicht gönnt die Autorin ja in anderen ihrer Romane den Protagonisten diese Erfüllung, ich hoffe es sehr.

Abgesehen von diesen Wermutstropfen finde ich jedoch den Ro­man höchst lesbar – und Fans der Autorin oder der beiden Hauptpersonen muss man wohl nicht dazu überreden, ihn zu le­sen. Es ist in jedem Fall gut investierte Lesezeit.

© 2018 by Uwe Lammers

In der kommenden Woche schwenken wir wieder total um, dies­mal ins Genre der Science Fiction … und es geht um eine briti­sche SF-Kultserie, nämlich „Doctor Who“.

Neugierig geworden? Gut so, in der nächsten Woche erhaltet ihr die Details zu der Andeutung.

Bis dann, Freunde, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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