Rezensions-Blog 391: Die Abenteuer der Liebesgöttin

Posted Februar 15th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

manchmal – recht selten – neige ich dazu, Sammelrezensionen von Kurzzyklen zu verfassen. Das geschieht definitiv nicht allzu häufig, aber in dem vorliegenden Fall fühlte ich mich anno 2017 dazu inspiriert.

Wir machen in diesen Romanen im Kern eine Reise nach Tene­riffa und verfolgen die erotischen und teilweise mysteriösen erotischen Eskapaden einer dort ansässigen Künstlerin sowie ei­nes umtriebigen Journalisten. Dass ich schlussendlich eher ein etwas ernüchterndes Fazit zog, sollte niemanden grundsätzlich von dieser Trilogie fernhalten, der gern mit amouröser seichter Unterhaltung seinen Urlaub ein wenig abwechslungsreicher ge­stalten möchte und nichts als ruhige Abschaltlektüre sucht.

Wer aber schon mal auf diese Titel gestoßen sein sollte, aber nicht exakt weiß, worum es dabei genau geht und vielleicht sin­niert, ob sich eine antiquarische Anschaffung lohnt, der wird hier möglicherweise auf Kurs gebracht werden.

Hopp oder Topp – ihr entscheidet. Lest einfach mal weiter:

Die Abenteuer der Liebesgöttin

Eine Sammelrezension von Uwe Lammers zu den folgenden Romanen:

Die Liebesgöttin

von Chloé Césàr

Blanvalet 36513

256 Seiten, TB

Juni 2006

ISBN 3-442-36513-9

sowie

Die Liebesgöttin erwacht

von Chloé Césàr

Blanvalet 36585

256 Seiten, TB

Dezember 2006

ISBN 3-442-36585-6

und

Die Liebesgöttin in Höchstform

von Chloé Césàr

Blanvalet Avenue 36586

256 Seiten, TB

Juni 2007

ISBN 3-442-36586-9

Ich habe das schon eine ganze Weile nicht mehr gemacht – so eine Sammelrezension. In den weitaus meisten Fällen bietet sich das auch nicht an, weil die autonomen Romane von Mehr­teilern genügend Stoff hergeben für eine Einzelrezension. Im vorliegenden Fall wich ich davon allerdings ab, wie ursprünglich gedacht drei Einzelrezensionen zu schreiben. Das liegt darin be­gründet, wie der Stoff vermittelt wurde, um den es geht, und vor allen Dingen auch in der inneren zeitlichen Dimensionierung des Geschehens sowie meinem äußerst geschwinden Lesetem­po. Es ist eine pure Darstellung der Wahrheit, wenn ich sage, dass ich für jeden der Romane nur jeweils zwei Lesetage brauchte. Das ist ungewöhnlich, selbst für meine Verhältnisse, auch, dass ich sie alle sehr zügig hintereinander „weglas“, wie ich das nennen möchte. Es deutet auf zwei Tatsachen hin, und beide stimmen: Zum einen ist der Lesestoff durchaus mitrei­ßend. Zum zweiten aber enthalten die Bücher einfach wenig Text.

Das hört sich auf den ersten Blick rätselhaft an, ist aber reine Wahrheit. Der erste Roman hat noch seine vollen 256 Seiten, der zweite dann aber wegen der Leseprobe am Schluss nur noch 244, der Abschlussband seine 245 Seiten. Da hat jemand geschwächelt? Ja, das würde ich ganz genauso sehen. Aber fan­gen wir mal von vorne an …

Der deutsche Journalist Karel Kortmann ist im Auftrag des neuen Fotomagazins „Leander“ auf der Suche nach Geschichten und Protagonisten für seine Artikelreihe, die „Sex around the world“ genannt werden soll. Dabei bleibt Kortmann im ersten Ansatz schon auf Teneriffa stecken und schließt hier Bekanntschaft mit dem Piloten Peter Torstedt, mit dem er rasch vertrauter wird. Der erzählt ihm eine atemberaubende Geschichte – nämlich die Story davon wie er in Kontakt mit der rothaarigen, grünäugigen und freiberuflichen Bildhauerin Amanda kam, die auf einer Finca in den Bergen von Teneriffa ihrem Handwerk nachgeht und da­bei überaus erotische Skulpturen anfertigt. Eine unglaublich lei­denschaftliche Frau und sehr erfahren im Sex, wie er versichert – für sich nennt er Amanda insgeheim „seine Liebesgöttin“ und würde zu gern wieder mit ihr in hautengen Kontakt kommen. Als Kortmann ein Foto der rassigen Amanda sieht, zusammen mit einer sich auf ihrem hüllenlosen Leib ringelnden Schlange, da ist ihm sofort klar: Das ist eine Frau, die er kennen lernen muss und deren erotische Erlebnisse er in der Artikelserie herausstel­len will.

Das erweist sich allerdings als gar nicht so leicht, aus verschie­denen Gründen. Amanda ist erst kurz zuvor von ihrer „großen Liebe“, dem Musiker Adrian, verlassen worden. Sie ist immer noch hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, er möge doch zurückkehren und der Hoffnung, er möge für immer aus ihrem Leben verschwinden – denn dummerweise hat er sie in der Lie­be beherrscht, und sie ist lieber selbst Herrin ihres Schicksals. Deshalb hat sie es auch Peter Torstedt so schwer gemacht, an sie heranzukommen – sie navigierte ihn über die Insel und ließ ihn erotische Erfahrungen der unterschiedlichsten Art machen, und der Pilot stellt nun für Kortmann diese Tour nach. Denn kur­ze Gelegenheitsliebschaften sind Amanda durchaus willkommen – aber etwas Ernstes, also eine „große Liebe“, möchte sie ei­gentlich vorerst noch nicht wieder erleben.

Es dauert also ziemlich lange, bis sich Kortmann und die Künst­lerin erstmals sehen. Zwischendurch geschieht allerdings noch eine ganze Menge mehr, was u. a. mit einem Barkeeper und ei­ner blonden Stewardess zu tun hat. Langeweile kommt beim Le­ser also nicht auf.

Amanda hat noch indes ein weiteres Problem: Seit geraumer Zeit plagen sie rätselhafte Alpträume, die sie verunsichern. In den Träumen findet sie sich in einem archaischen Setting wie­der, und die Männer um sie herumtragen Peters und Adrians Gesichter, und schlussendlich enden die Visionen in einem er­zwungenen Suizid durch einen Sprung von einer Klippe. Aman­das spiritueller Freund Ricardo, ein zurückgezogener, alter Ein­siedler auf Teneriffa, interpretiert ihre Träume so, dass sie einst­mals in einem früheren Leben eine Guanchen-Prinzessin und auch dort schon eine Künstlerin gewesen sei, die aber ihrem Schicksal, jungfräulich in den Tod zu gehen, durch Entjungfe­rung entging und schließlich zum Tode verurteilt wurde.

Aber ob diese Reinkarnationsgeschichte stimmt? Amanda ist nicht davon überzeugt. Und was ist dann mit diesem anderen Traum, in dem sie von einem jungen, geschmeidigen Musketier träumt, der sie leidenschaftlich verführt? Ist das vielleicht noch ein weiteres verflossenes Leben, vielleicht eine Wunschmanifes­tation ihres erotischen Unterbewusstseins? Und wer ruft sie ständig an, weigert sich aber, auf ihren Anrufbeantworter zu sprechen? Versucht ihr verflossener Galan Adrian, den sie manchmal auch einen „schwarzen Magier“ nennt, aus der Ferne Einfluss auf sie zu nehmen …?

Im zweiten Band hat Amanda angebissen: sie hat sich bereit er­klärt, „Sex around the world“ zu unterstützen. Karel Kortmann, Peter Torstedt und die französische Fotografin Dominique, die Karel mit ins Boot geholt hat, schalten sich verstärkt in Aman­das Leben ein. Gleichzeitig wird die Beziehungsgeschichte zwi­schen den Protagonisten und dazu stoßenden Dritten und Vier­ten zunehmend komplizierter: Während Amanda mit der im Grunde genommen lesbischen Dominique anbandelt und von ihr nun angehimmelt wird, sehnt sich Kortmann seit langem schon danach, bei Dominique landen zu können. Doch hat er offensichtlich keine Chance dafür. Die bietet sich erst, als das Trio sich nach Rio de Janeiro aufmacht und hier für die Reporta­gereihe recherchiert … und das auf durchweg denkwürdige Wei­se.

Gleichzeitig hat sich Amanda auf den Weg nach Paris gemacht, um dort ihre Skulpturen auszustellen. Der Kunsthändler Didier Costes versucht bei der Gelegenheit, bei Amanda zu landen und erlebt eine ziemlich harsche Abfuhr. Dafür kommt sie in Kontakt mit Sandy und Larry und erlebt zudem mit dem äußerst feuri­gen Callboy Manuel eine aufregende Zeit – für Manuel ist der heiße Kontakt mit der „Liebesgöttin“ gar so aufregend, dass er Amanda zuliebe sogar seinen Job an den Nagel hängen möchte.

Fürwahr, die Liebesgöttin, wie Amanda auch genannt wird, bringt die Männer reihenweise um den Verstand. Allerdings nicht nur sie, wie sich zeigt, und darin diversifiziert sich der Ro­man sehr geschwind – auch Dominique versteht es meisterlich, Männer um den kleinen Finger zu wickeln und sogar Frauen zu becircen, von der blonden Sirene Sandy mal ganz zu schweigen …

Im dritten Teil der Reihe, die zeitlich alle sehr eng hintereinan­der spielen – allein zwischen Band 1 und 2 muss mehr Zeit lie­gen, weil Amanda eine Skulptur von sich und Dominique anfer­tigt, das geht nicht im Handumdrehen – ist Amanda einer Folge­einladung nach Rom gefolgt. Hier trifft sie wieder auf den nach­tragenden Didier Costes, der seine eigenen Pläne mit ihr ver­folgt. Zugleich wirbt Peter Torstedt verstärkt um die Gunst sei­ner „Liebesgöttin“, die sich noch nicht entscheiden mag, ob er tatsächlich nur eine „kleine Liebe“ oder ein vollwertiger Ersatz für ihren verflossenen Adrian ist.

Und dann taucht auf einmal noch der römische Künstler Adriano Como im Spiel auf, der sich ebenfalls für Amanda interessiert und ihr nun, um ihren Alpträumen und seinen Ursachen auf die Spur zu kommen, eine hypnotische Rückführung in ihr altes Le­ben offeriert. Die „Liebesgöttin“ kann dabei nicht wissen, dass die Begegnung mit Adriano Como kein Zufall ist, sondern auf raffinierte Weise arrangiert. Und ehe sich Amanda versieht, sitzt sie in der Falle …

Die Bände lassen sich gut und geschwind lesen, die Personen sind mehrheitlich sympathisch, und man wird über weite Strecken neugierig gehalten, wie sich der Handlungsstrom wohl entwickeln mag. Das ist ein eindeutiges Plus der Romane. Spä­testens ab dem zweiten Band ist aber schon relativ klar sicht­bar, wohin sich die Beziehungen orientieren werden, fast vor­hersagbar wie die Ausrichtung von Eisenspänen in einem Magnetfeld. Das trübt dann etwas den Leseappetit, wie ich fand. Ich kam mir bei der weiteren Entwicklung sehr vor wie in einem Heftroman der Bastei-Serie „Shadows of Love“ – vordergründi­ge, relativ seichte Beziehungskomplikationen, die sich schluss­endlich recht schlicht in einer Art von Friede, Freude und Eierku­chen-Romantik auflösen.

Das war besonders im dritten Roman äußerst problematisch, ging es dort doch definitiv um verbrecherische Aktivitäten, die man nicht einfach so unter den Teppich kehren sollte. Aber ge­nau das geschah letzten Endes. Für mich ein deutliches Zei­chen, dass mit den finalen Konflikten nicht in realistischer Weise verfahren wurde. Nicht so toll. Das hat doch meine Neigung zu der Autorin sehr getrübt.

Ich argwöhne sowieso nach wie vor – schon seit der Mitte des ersten Bandes, dass es sich eher um ein weibliches Pseudonym eines männlichen Autors handelt. Woran man das merkt? An der durchaus recht starken Mann-Fixierung der Handlung. Da werden Gespräche unter Männern auf Seiten ausgewalzt und in einer Art und Weise dargestellt, als wären sie gewissermaßen hormongesteuerte Halbstarke … so etwas findet man in eroti­schen Romanen von Autorinnen in dieser Form eigentlich nicht.

Sehr schade und ein weiteres Indiz für diese These war dann die Entdeckung, dass die Frauen durchweg vergleichsweise stark „von außen“ betrachtet wurden, wiewohl es hier schon gewisse Ansätze zur Psychologisierung gab. Aber intensive Innenreflexionen waren die sehr seltene Ausnahme, fand ich. Dass zudem gerade die Hauptperson Amanda weder einen Nachnamen noch einen familiären Background besitzt, und zwar durch alle drei Romane hindurch, war doch äußerst negativ auffallend. Dass die Titel des zweiten und dritten Bandes etwas reißerisch daherkamen, ist vermutlich dem Verlag anzulasten. Bezogen auf die Handlung sind die Titel doch recht überzogen und wecken Erwartungen, die nicht wirklich eingelöst wurden.

Das übernatürliche Element in der Geschichte brachte eine ge­wisse phantastische Würze hinein – allerdings ist hier zu konsta­tieren, dass das wesentliche „Pulver“ schon in Band 1 verschos­sen worden war. Und als dann in Teil 3 tatsächlich eine Rückfüh­rungsblende erfolgt, bleiben die Protagonisten komplett namen­los … da hat die Phantasie die Verfasserin ebenso komplett im Stich gelassen. Was dann den nachteiligen Eindruck bestärkte, Teil 3 sei recht hastig „heruntergeschrieben“ worden. Schade, denn daraus hätte man sehr wohl noch einiges mehr machen können. Beispielsweise wartete ich die ganze Zeit darauf, dass die ständig mal wieder erwähnten alten Skulpturen der archai­schen „Liebesgöttin“ irgendwo ausfindig gemacht wurden. Lei­der ganz vergebens.

Ich kann also schlussendlich nur konstatieren, dass die Romane ganz nett zu lesen, aber strukturell eher auf gehobenem Heftro­manniveau anzusiedeln sind. Wer beispielsweise ein Leser der genannten Heftromanserie „Shadows of Love“ sein sollte, ist hier vermutlich am richtigen Ort. Wer etwas ausgefeiltere Cha­raktere, mehr Inhaltstiefe und auch differenziertere und explizi­tere Liebesspiele erhofft, sollte sich wohl mit anderen Büchern befassen.

© 2017 by Uwe Lammers

In der nächsten Woche machen wir dann zur kompletten Ab­wechslung einen der seltenen Abstecher ins Fantasy-Genre zu einem Altmeister, von dem ich schon verschiedentlich Werke besprach … ja, genau, die Rede ist von Robert E. Howard. Es gibt tatsächlich noch einige Bände von seinen Erzählungen, die ich bislang nicht gelesen und folgerichtig auch nicht rezensiert habe. Ich erwähnte wohl mal beiläufig, dass das sinnvoll ist bei Autoren, bei denen kein textlicher „Nachwuchs“ mehr zu erwar­ten ist. Die muss man sich gut portionieren und dann in kleinen Dosen genießen.

Warum das wichtig ist, erfahrt ihr möglicherweise in der Rezen­sion der nächsten Woche.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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