Liebe Freunde des OSM,
im Gefolge des Hypes um E. L. James‘ Romane der Trilogie „Fifty Shades of Grey“ schwammen erstaunlich viele AutorInnen auf dieser Welle mit und schufen in der Regel recht durchschnittliche Kopien dieser BDSM-Romantik. Der heute vorgestellte Roman, den ich vor ein paar Jahren neugierig las, fällt da ein bisschen aus dem Rahmen, wie ich finde. Er variiert das Sujet auf eine ungewöhnliche Weise, die ich damals durchaus als Abwechslung begrüßt habe.
Wer weiß, vielleicht möchte der eine oder andere Blogleser, welchen Geschlechts auch immer, nach der Rezension die Lektüre mit dem Werk selbst fortsetzen? Schaut euch das einfach mal selbst genauer an:
Rausch der Unterwerfung
Von Cornelia Eden
Plaisir d’Amour
196 Seiten, TB (2013)
ISBN 978-3-86495-037-7
Anne ist Speditionskauffrau, 32 Jahre alt, ungebunden, und sie hat vor nicht allzu langer Zeit ihrem letzten Beziehungspartner Julian, der ihr unverhohlen einen romantischen Heiratsantrag machte, den Laufpass gegeben – was sie selbst nicht wirklich verstehen konnte und sie völlig aus der Bahn warf. Irgendwie, sie weiß selbst nicht recht zu sagen, wie, hat sie gespürt, dass das nicht das Wahre gewesen wäre, wiewohl Julian sie wirklich auf Händen getragen hat und alle in ihrem Umfeld diese Heirat absolut passend gefunden hätten.
Alle bis auf Anne selbst.
Es dauert, bis sie auf dem Umweg über einen Roman zu begreifen beginnt, dass das, was sie erregt und sexuell zu berauschenden Höhepunkten treibt, anderswo zu finden ist. Als sie in einem Roman eine derbe Szene liest, in der eine Frau unterworfen, misshandelt und dann sexuell benutzt wird, facht das ihre Leidenschaft unbeschreiblich an. Künftig versucht Anne, sich im Internet kundig zu machen über die dunkle Seite der Erotik und gibt schließlich etwas zaghaft eine eigene Suchannonce auf: „Unerfahrene Sub sucht einfühlsamen, dominanten Mann mit Vorlieben für Online-Erziehung, Bondage, Spanking und mehr.“
So gerät sie an Miguel, einen rätselhaften Mann, der in ausführlichen Chats ihre Interessen auslotet und sich als sehr kenntnisreicher Dom zu erkennen gibt. Aber rasch stellt sie fest, dass er mit „Online-Erziehung“ nicht zufrieden ist. Er ist der Ansicht, dass nichts über eine physische Erziehung geht. Und nach einigen Wochen hat er Anne soweit, dass sie selbst neugierig darauf ist, wie das wohl konkret aussehen wird.
Womit sie nicht rechnet, ist Miguels nächster Schritt. Er verlangt, dass sie ihm drei Tage uneingeschränkt als Sklavin zur Verfügung steht, um sich erziehen zu lassen … und er schickt ihr ein Flugticket, das sie direkt nach Spanien bringen wird, in ein Land, wo sie niemanden kennt und wo ihre Sprachkenntnisse schnell an ihre Grenzen geraten.
Miguel erweist sich als aufregende, maskuline Person, die Anne sehr animiert. Aber entgegen ihrer Vorstellung hat er ganz andere Pläne mit ihr, als sie denkt. Es geht ihm offensichtlich nicht um Sex, wiewohl er ihr rasch weitgehende Nacktheit auferlegt. Stattdessen verwandelt er Anne bei jeder sich bietenden Gelegenheit in eine lebende Bondage-Figur und beweist damit atemberaubenden Einfallsreichtum, mit dem er sie immer wieder über die Grenzen ihrer Furcht hinaustreibt und zu neuen Abenteuern animiert.
Doch wonach sucht er, wenn er nicht eine willige, auch sexuell fügsame Sub wünscht? Warum weigert er sich, mit ihr zu schlafen? Bis Anne zu begreifen beginnt, dass Miguel einem Traum nachjagt, dem Traum von „Weiß“, dauert es lange. Und dann beginnt Anne zu ahnen, dass eine Rückkehr ins normale Leben nach diesen drei exzessiven Tagen auf der dunklen Seite der Erotik kaum mehr möglich sein wird …
Der Titel des Romans trifft tatsächlich den Nerv der Geschichte, denn es geht nicht ausschließlich um Unterwerfung und Auslotung von Annes sexuellen Wünschen und Sehnsüchten, sondern sehr viel mehr darum, dass sie schnell zu berauschen beginnt, was mit ihr geschieht. Wie viel Spaß es ihr macht, sich hinzugeben, auszuliefern und beherrschen zu lassen. Und auch die Gegenseite, den besessenen Bondage-Künstler Miguel, lernt man glaubwürdig kennen.
Die akribisch beschriebenen Fesselungsfiguren, die einfallsreichen Situationen und die für Anne wie den Leser gleichermaßen rasche, grundlegende Verwandlung des Naturells der weiblichen Hauptperson – die gleichwohl nicht völlig unrealistisch wirkt – beeindrucken nachhaltig. An vielen Stellen ist tatsächlich detailgenaues, akribisches Gespür für Anne vonnöten, um zu erahnen, was ihr „Herr“ Miguel nun als nächstes für ein Verhalten von ihr erwartet. Und die Ansprüche und Herausforderungen werden immer heftiger.
Ich meine, Kerzenwachs trifft man ja schon häufiger in BDSM-Romanen an, auch Bondage in verschiedenster Form … aber Feuer-Bondage? Also wirklich, da lief es mir dann doch schon kalt den Rücken herunter. Was das ist, Feuer-Bondage? Also, das muss man selbst lesen. Aber ich würde sagen, es lohnt sich durchaus. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Romanen dieses Genres ist dies eines, das ohne exzessive Prügelszenen auskommt, der prickelnde Nervenkitzel der Geschichte wird auf andere Weise und gründlich wie dort erreicht. Eine faszinierende Erfahrung.
Empfehlenswerte Lektüre für diejenigen, die derlei Romane schätzen.
© 2017 by Uwe Lammers
In der kommenden Woche kommen wir einmal mehr in den Geschichtenkosmos des vor einiger Zeit verstorbenen Thrillerautors Clive Cussler zu sprechen, dessen Abenteuerromane dank der Übernahme seines Sohnes Dirk und der Fortführung der Abenteuer der NUMA-Spezialisten, der Fargos und des Detektivs Isaac Bell bis auf weiteres nicht abreißen werden.
Welches der Werke in der kommenden Woche an der Reihe sein wird? Na, da lasst euch mal überraschen.
Bis dann, mit
Oki Stanwers Gruß,
euer Uwe.