Rezensions-Blog 541: Mission Dragonfly

Posted Dezember 29th, 2025 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ja, da war dann schon wieder ein Clive Cussler-Roman … zwar geht mir allmählich der Nachschub aus, aber die Schreibfabrik des verstorbenen Amerikaners ist nach wie vor rege. Es gibt zahlreiche Werke, die für 2026 und 2027 bereits angekündigt sind und es noch nicht als Übersetzung auf den deutschen Markt geschafft haben. Bedauerlicherweise ist das hier anders als im Fall von Jodi Taylor, deren Maxwell-Serie mit Band 8 brüsk abgewürgt wurde … im angelsächsischen Bereich erscheinen weiter munter Werke der Serie, aber der Verlag scheint das In­teresse an den humorvollen, turbulenten Zeitreiseabenteuern leider verloren zu haben. Beizeiten werdet ihr die von mir ver­fassten Rezensionen hierzu auch im Rezensions-Blog finden, versprochen.

Mit dem vorliegenden Roman tauchen wir ein in den tibetisch-chinesischen Kulturraum. Tatsächlich ist der regionale Fokus vergleichsweise eng, aber das merkt man erst mit etwas Di­stanz zur Lektüre. Die Abenteuer konzentrieren sich wesentlich auf den Seeraum um Taiwan und um Hinterindien und den Hi­malaya.

Bedeutet das, dass es langweilig ist? Weiß Gott nicht. Dass es ein schematisches Abenteuer ist? Würde ich so nicht sagen. Man kann natürlich mäkeln, dass die Chinesen sicherlich einem eigenen Projekt keinen amerikanischen Namen geben würden (abgesehen davon: Wer würde eine Hyperschallrakete schon Li­belle nennen?). Und man mag auch kritteln, dass die nahezu durchgängige Schreibweise „Dalai-Lama“ ziemlich sicher falsch ist … aber das sind Kleinigkeiten.

Ich bin überzeugt davon, dass der Rest der Geschichte euch ein­fach mitreißt, wenn ihr ein gewisses Faible für das NUMA-Team um Dirk Pitt habt. Und man kann auch sagen, dass dieses Aben­teuer gerade die Pitt-Kinder schön in Szene setzt.

Also, Vorhang auf, ab in den Winter des Jahres 1959. Schau­platz: Lhasa …

Mission Dragonfly

(OT: The Devil’s Sea)

Von Dirk Cussler

Blanvalet

484 Seiten, 2023

ISBN 978-3-7645-0812-8

Aus dem Amerikanischen von Michael Kubiak

Kann man vor Spannung einfach nicht aus der Hand legen – der 26. Dirk-Pitt-Roman erstmals auf Deutsch!“, so heißt es auf dem Umschlag dieses Buches. Wer mich kennt und meinen Re­zensionen schon länger gefolgt ist, der weiß, dass mich solche theatralischen Ankündigungen regelmäßig misstrauisch ma­chen. Auf der einen Seite ist das oftmals sehr angebracht. Aber vertraut mir – in diesem Fall ist das tatsächlich die Wahrheit. Ich musste echt sehr an mich halten, dieses Buch nicht binnen von zwei Tagen geradewegs zu verschlingen. So wurden, sagen wir, 2,3 Tage daraus.

Worum geht es in diesem Roman, auf dem nur pro forma noch der Name des im Jahre 2020 gestorbenen Clive Cussler steht? Der Verfasser ist ausschließlich sein Sohn Dirk, der schon or­dentlich gelernt hat, sich von den unbeholfenen Anfangstagen zu emanzipieren und die gealterten Helden Dirk Pitt senior und seinen treuen Adlatus Albert Giordino sowie Pitts Kinder Dirk Pitt junior und Summer Pitt in nervenaufreibende neue Abenteuer zu schicken.

Anfangs machen wir eine Zeitreise in den Winter des Jahres 1959: Die Chinesen haben Tibet überfallen und besetzt, und nun droht die Gefahr, dass der Dalai Lama entführt und als Ma­rionette instrumentalisiert werden soll. In diesem Jahr wird dar­um von den Tibetern seine Flucht inszeniert. Außerdem landet aber ein US-Flugzeug in Lhasa, das außerdem das so genannte Nechung-Orakel und religiöse Schätze in Sicherheit bringen soll. Zwar gelingt der erste Teil des Planes, aber als das Flugzeug wieder abhebt, ist es schwer beschädigt und verschwindet spur­los im Himalaya.

In der Gegenwart – im Oktober 2022 – erproben chinesische In­genieure einen neuen Marschflugkörper auf der Insel Hainan, der kurzfristig spektakuläre Mach 25 erreicht und damit einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufstellt. Allerdings ist der Tri­umph von kurzer Dauer, denn die erreichte Geschwindigkeit überfordert wegen der Reibungshitze das Gefährt, das abstürzt und im Meer versinkt. Der Flugkörper trägt den Decknamen „Dragonfly“ (also: Libelle), was ich eigentlich in jederlei Weise abwegig fand. Aber das ist ein Faktum, das man einfach akzep­tieren muss und von dem man sich nicht ablenken lassen sollte.

Tatsache ist nun, dass die Reste der „Dragonfly“, die kurz vor Taiwan ins Meer gestürzt sind, bergen muss. Was die Chinesen in diesem Moment nicht wissen: Die amerikanischen Überwa­chungsinstrumente haben den kurzen Flug des Marschflugkör­pers angemessen, und sie sind wegen seiner Fähigkeiten so alarmiert, dass sie sofort entschließen, die Suche ebenfalls auf­zunehmen. Dabei kommt ihnen das Glück zu Hilfe – nahe Taiwan ist nämlich ein Expeditionsschiff der NUMA dabei, die Versaue­rung des Meerwassers zu untersuchen. An Bord des Schiffes be­finden sich unsere wackeren Recken Dirk Pitt senior und Al Gior­dino sowie die Pitt-Kinder. Direkt in der Nähe ist außerdem ein kleines Boot australischer Meeresgeologen an der Arbeit.

Als wie aus dem Nichts eine Monsterwelle auftaucht, die das NUMA-Schiff CALEDONIA fast zum Kentern bringt – in dieser Hin­sicht ist das Titelbild wirklich absolut passend – , da geraten die Australier in Seenot, und Pitt und Giordino können sie gerade noch aus ihrem sinkenden Schiff retten. So kommt die Meeres­geologin Margot Thornton in die Handlung.

Wenig später ergeht der Auftrag an die CALEDONIA-Crew, die Suche nach den Trümmern der Dragonfly aufzunehmen. Pitt bringt Margot zu ihrem Mutterschiff, der MELBOURNE, dann macht er sich auf die Suche. Was er nicht weiß: er hat sie direkt in Gefahr gebracht – denn ein chinesisches Einsatzkommando hat inzwischen die MELBOURNE geentert und die Besatzung in ihrer Gewalt. So ist nun auch Margot Thornton eine Gefangene. Und die Chinesen unter ihren Anführern Zheng und dem sadisti­schen Ning folgen dem Auftrag ihrer Regierung, nun ebenfalls das Zielgebiet anzusteuern, in dem die NUMA nach den Trüm­mern der abgestürzten Rakete sucht.

Summer Pitt und Dirk Pitt junior, die sich vor dem Auftauchen der Monsterwelle auf Tauchmission befanden und dabei ein ja­panisches Wrack entdeckten, wurden von einer Unterwasser­strömung bis kurz vor eine nahe Küste verdriftet. Nachdem sie wieder aufgetaucht sind, wird beschlossen, dass sie mit einem Hubschrauber zur Küste fliegen sollen, um dort zu schauen, wel­che Schäden die Flutwelle angerichtet hat. Das ist auch absolut nötig, denn es hat einige Verwüstung gegeben – und interessan­terweise wurde ein Flugzeugwrack aus der Tiefsee hochgespült, das nun gestrandet da liegt. An Bord entdecken die Geschwister einen noch intakten Koffer, in dem sich seltsame rituelle Arte­fakte aus einem unbekannten Material befinden. Und ein Schrei­ben, das darauf hindeutet, dass die Artefakte aus einem taiwa­nesischen Museum stammen. Kurzerhand entschließen sie sich dazu, sie dorthin zurückzugeben.

Damit beginnt die zweite Fährte der Handlung, die sich nun ga­belt. Denn die Pitt-Kinder müssen rasch realisieren, dass die Dinge deutlich anders sind als vermutet. Die Artefakte stammen aus Tibet und sollten eigentlich vom Kurator des Museums der tibetischen Exilregierung in Dharamsala in Indien zurückgege­ben werden (an einer Stelle des Buches witzigerweise falsch als „thailändische Exilregierung“ bezeichnet). Das Flugzeug kam aber nie an, sondern stürzte nahe Taiwan ins Meer.

Schon auf Taiwan müssen die Pitts entdecken, dass jemand aus nebulösen Gründen sehr daran interessiert ist, Gegenstände aus der meteoritischen Substanz „thokcha“ in seine Gewalt zu bringen. Das beginnt auf Taiwan, wo Dirk junior einen Diebstahl im Museum vereiteln kann, und das setzt sich in Indien, wohin sie nun fliegen, nahtlos fort und hat eine ganze Reihe turbulen­ter und ausgedehnter Actionszenen zur Folge.

Am Ende mündet dieser Teil des Abenteuers in einer lebensge­fährlichen Hochgebirgsexpedition, bei der das Wrack des im Hi­malaya abgestürzten Flugzeugs aus dem Prolog gefunden wer­den soll … eine Suche wie nach der Nadel im Heuhaufen.

In der Zwischenzeit hat sich die Lage nahe Taiwan dramatisch verschärft. Die chinesischen Agenten auf der MELBOURNE ha­ben die CALEDONIA schwer beschädigt, und ein Sturm zieht auf. Zwar finden Pitt senior und Giordino auf dem Meeresgrund die Trümmer der Dragonfly, aber eine untermeerische Strömung reißt sie weg, der Kontakt zur Außenwelt erlischt. Zudem nähert sich ein Taifun, der jede weitere Operation unmöglich macht, auch eine Rettung des Tauchboots.

Das schlimmste Geheimnis von allen aber ist dasjenige, das die MELBOURNE beherbergt. Während an allen Fronten des Romans Menschen ums Überleben kämpfen, finden Zheng und sein On­kel, Oberst Yan Xiaoming, dieses Geheimnis heraus. Sie be­schließen daraufhin eigenmächtig, einen Massenmord zu insze­nieren, der Millionen Menschen das Leben kosten kann – und es scheint nichts mehr zu geben, was das aufhalten kann …

Also wirklich, den Roman dramatisch zu nennen, wäre eine glat­te Untertreibung. Er ist eigentlich mehr eine Nonstop-Achter­bahnfahrt. Während zwar relativ schnell für den Leser klar wird, was die chinesischen Agenten antreibt (das ist nun wirklich recht durchsichtig), tappen unsere wackeren Helden wirklich sehr, sehr lange völlig im Dunkeln und sind auf situative Reakti­on angewiesen, um ihre gerissenen und hartnäckigen Gegner auszumanövrieren. Dabei kommt ihnen bei vielen Gelegenhei­ten zugute, dass sie zum einen stress- und abenteuererprobt sind, zum anderen gut improvisieren können und drittens von der Gegenseite notorisch unterschätzt werden. Von der Villain-Seite her werden sie aber mit Gnadenlosigkeit, Sadismus und einer unermüdlichen Beharrlichkeit verfolgt und zu töten ver­sucht, dass man an vielen Stellen des Buches um das Leben der wichtigen Personen bangen muss, die auch ordentlich einste­cken müssen. Und ja, es kommen durchaus zahlreiche Personen auf der guten Seite zu Schaden und auch ums Leben.

Naturgemäß gibt es zahlreiche Situationen, in denen der ver­sierte Leser sich denkt: Das kommt mir doch irgendwoher be­kannt vor … aber wenn man berücksichtigt, dass es inzwischen mehr als 75 Cussler-Romane gibt, kann es wohl kaum verblüf­fen, dass es gewisse Wiederholungsszenarien gibt. Das ist bei James Bond oder etwa „Mission: Impossible“ schließlich auch unvermeidlich.

Es gibt allerdings auch ein paar sehr bemerkenswerte Neuerun­gen. Ich deute da nur mal das „Projekt Wasserfall“ an, das hier völlig unvermittelt auf der Bühne des Geschehens auftaucht und sowohl die NUMA-Leute als auch die Chinesen arg über­rascht. Und nein, dazu verrate ich nichts Näheres, das muss man dann schon selbst lesen.

Alles in allem ist es zwar ein durchaus voluminöses Buch, aber wie einleitend schon angedeutet: Man merkt die Lesezeit nicht wirklich, weil das Buch einen so mitreißt. Da ich nach einer gan­zen Reihe von Sachbüchern zuvor mal wieder richtige Entspan­nung beim Lesen brauchte, war das hier der ideale Kandidat.

Da gibt es von meiner Seite eine klare Leseempfehlung!

© 2025 by Uwe Lammers

In der nächsten Woche werden wir mal ein kleines bisschen un­zeitgemäß – immerhin geht es in diesem Kurzgeschichten-Sam­melband um Weihnachten, und das ist ja bekanntlich gerade erst verstrichen, wenn der Rezensions-Blog 542 erscheint.

Noch goldiger ist in dem Fall der kommenden Woche natürlich, dass es sich um Weihnachtsgeschichten mit Sherlock Holmes in der zentralen Position handelt. Das ist vermutlich doppelt kurios zu nennen, aber genau aus diesem Grund machte mir die Lek­türe dieses Bandes soviel Vergnügen, dass ich ihn umgehend rezensieren musste.

Was das im Detail heißt, lest ihr hier in der nächsten Woche. Jetzt wünsche ich euch erst einmal einen guten Start ins neue Jahr 2026 – also, für den Fall, dass ihr nicht morgen noch mal vorbeischauen möchtet, wenn ich meinen Silvesterblog 2025 publiziere.

Also entweder bis morgen oder bis zum 7. Januar!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

Leave a Reply

XHTML: You can use these tags: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>