Liebe Freunde des OSM,

ich verließ euch am 2. März in den Untiefen des Oki Stanwer Mythos, also den Jahren 1995 und 1996, wo der OSM nicht allzu weit vorwärts kam. Und ich sag­te außerdem, ich wolle noch etwas Biografisches für 1996 nachtragen und mich dann dem Jahre 1997 widmen, das inzwischen schon seit 17 Jahren Vergangen­heit ist… aber manche Aspekte jenes Jahres sind mir wirklich noch sehr präsent. Ihr werdet das nachher verstehen.

Seit 1990, und soweit muss ich zurückgreifen, um euch den ersten tragischen Fall zu schildern, der mich 1996 zurückwarf (wiewohl er, kalendarisch, der zwei­te war), hatte ich im Fandom einen lieben Brieffreund gewonnen, dessen Na­men ich nie vergessen werde und der sich große Verdienste um die Genese des OSM erworben hat, auch wenn er das selbst vermutlich gar nicht so gesehen hätte. Es handelte sich um einen eher nüchternen Phantasten und Beamten, ei­nige Jahre älter als ich, der aber deutlich fasziniert von der Größe des OSM war und mich ab Frühjahr 1990 zunehmend in briefliche Diskussionen verwickelte. Das fiel ihm umso leichter, als wir ein gemeinschaftliches System der Privatlektüre entwickelt hatten. Es sah folgendermaßen aus:

Ich schilderte ihm Rahmenhandlungen der OSM-Ebenen, er bekundete Interes­se, und ich kopierte ihm die Manuskripte, für die er Kopierkosten zurückerstat­tete. Auf diese Weise kam Peter Servay in den Genuss zahlreicher KONFLIKTE, die das Licht der Öffentlichkeit noch nicht erblickt haben. Besonders fasziniert war er als SF-Fan von den SF-Ebenen des OSM, soweit sie schon fertig gestellt waren. So erhielt er, wenn mich die Erinnerung nicht völlig trügt, die komplette Ebene 17 des OSM, „Drohung aus dem All“, zahlreiche OSM-Romane, darunter die bis dahin fertig gestellten Romane der Edward-Norden-Saga (ENS) und zahl­lose weitere Episoden aus begonnenen Serien. Da ich das für wichtig hielt, um in den OSM-Umbruch der Jahre 1993/94 hineinzukommen, der ja auch für zahl­reiche andere Serien des OSM bedeutsam war, kopierte ich ihm beispielsweise auch den langen Finalzyklus des KONFLIKTS 23 (1994).

Wir diskutierten über so faszinierende Themen wie das Volk der Baumeister, über die Beschaffenheit TOTAMS, die OSM-Kosmologie, Zeitexperimente, unter­kosmische Niveaus und dergleichen… und das alles geschah, sollte ich betonen, während ich in den Jahren 1990-1994 in ständiger brodelnder OSM-Bewegung war. Der Einfluss, den Peter darum auf die Genese speziell des KONFLIKTS 12 „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (1987-1993) gehabt hat, lässt sich nicht unterschätzen.

Ich war also dann gerade dabei, im ersten Netzuniversum richtig durchzustarten (1996!!), als jählings von ihm keine Antwortpost mehr kam. Das verunsicherte mich nicht gerade wenig, und ich war aus dem Frühjahr sowieso schon ziemlich mental angeschlagen – warum, dazu gleich mehr – , doch es dauerte Monate, ehe ich erfahren konnte, was eigentlich passiert war.

Sein Vater schrieb mir völlig unerwartet und teilte mir mit, sein Sohn habe einen Autounfall gehabt und läge nun zum Zwecke der Erholung im künstlichen Koma. Das versetzte mir einen ziemlichen Schock, und leider mit Recht. Am 21. August 1996 verstarb er, ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben. Damit ging mir der bis heute kenntnisreichste OSM-Leser verloren, ein Ersatz ist bis dato nicht in Sicht.

Ich war sowieso schon mental derangiert, und das hing mit einem weiteren tra­gischen Fall aus diesem Jahr zusammen. Ich fasse mich hier kürzer: meine Mit­kommilitonin Britta-Anja Tchorrek hatte ich kurz nach Studienbeginn (1994) an der TU Braunschweig kennen gelernt, und ganz im Gegensatz zu mir war sie sprachlich sehr begabt. Folgerichtig war ihre Mithilfe extrem nützlich, was mein zweisemestriges Latinum anging, das ich noch machen musste, um die Studien­voraussetzungen für Neuere Geschichte zu erwerben. Wir besuchten die Kurse gemeinsam und stellten auch sonst einige Gemeinsamkeiten fest. Nicht zuletzt brachte ich ihr das Mah-Jongg-Spielen bei. Mit meinen Geschichten hatte sie hingegen eher nichts zu tun.

Unmittelbar nach Abschluss meiner Zwischenprüfung, das Kleine Latinum hat­ten wir gemeinsam vorher erworben, gratulierte sie mir zum Prüfungserfolg, und wir gingen gemeinsam indisch essen… mir war definitiv nicht klar, dass dies das letzte Mal war, dass ich sie lebend sehen sollte.

Ende April war auf einmal vollkommenes Schweigen angesagt… und auch hier brauchte es einiges an Zeit, bis mir ihre völlig aufgelöste Mutter bald danach am Telefon erzählen konnte, was geschehen war: ohne eigenes Verschulden war Britta bei einem Auffahrunfall schwer verletzt und dann in ein künstliches Koma versetzt worden (ja, ich grusele mich immer wieder bei dieser Koinzidenz, das könnt ihr mir glauben!). Aber sie erwachte nicht mehr daraus, sondern starb am 27. April im Alter von 27 Jahren.

Derartige Vorfälle nahmen mich dann natürlich 1996 schwer mit und ließen mich auch kreativ nicht wirklich zu etwas kommen. Und ich glaube, diese obige biografische Nachlese war notwendig. Die Zeiten sollten leider nicht besser werden, wie mir das Jahr 1997 bewies.

1997 rangiert, soweit wir den OSM betrachten, auch eher unter „ferner liefen“. Mit insgesamt 93 Werken scheint es ein erholsameres Jahr gewesen zu sein, doch der Eindruck sollte trügen. Es war mehr ein Jahr des generellen Um­schwunges.

Ich habe das jüngst schon angedeutet: 1996 erhielt, nicht zuletzt mit dem Ro­man „Justine und Maximilian“ das erotische Element langsam stärkere Beto­nung. Das setzte sich im Januar 1997 fort, wo das OSM-Fragment „Insel der Wollust“ entstand. Auch die Non-OSM-Story „Mission im Leben“ (Februar 1997) hatte einen starken erotischen Einschlag. Sie ist bis heute nicht publiziert. Auch die Story „Kontakt misslungen?“ (ebenfalls bis heute nicht publiziert) hat einen deutlichen Erotik-Einschlag. Vielleicht, so überlege ich mir heute, war das eine Art Gegengift gegen die Überdosis an Tod, die ringsum zu spüren war.

Denn Anfang 1997 gingen die Todesfälle auf grässliche Weise weiter. Ende Fe­bruar starb mein Großvater väterlicherseits, im April folgte die Mutter einer lie­ben Brieffreundin, so dass ich zwei Begräbniszeremonien in kurzer Folge be­suchte. Meiner mentalen Fassung war das absolut nicht zuträglich. Ich stürzte mich also folgerichtig in die Kreativität, und zumindest der Tod meines Großva­ters führte dazu, dass ich im Monat März 1997 fast nur OSM-Episoden des KON­FLIKTS 20 „Oki und Cbalon – Das Ewigkeitsteam“ (1984-1997) schrieb. Die fina­len neun Episoden des Abschlusszyklus, um genau zu sein, das man mit der Be­zeichnung „Gemetzel von Dyllawaar“ wirklich passend beschreiben kann.

Überhaupt zeichnet sich 1997 dadurch aus, dass ich in vielen KONFLIKTEN un­terwegs war und manchmal von einer Episode zur nächsten die Universen und die Handlungszeiten wechselte.

Begonnen wurde im KONFLIKT 16 „Oki Stanwer – Der Mann aus dem Nichts“, wo ich mit Band 88 „Eine Frist für die Galaxis“ begann und Oki Stanwers Rück­kehr aus der Milliarden Jahre fernen Vergangenheit beschrieb. Ich gelangte bis Ende des Jahres – ohne Frage auch deshalb, weil ich KONFLIKT 20 abgeschlos­sen hatte – in den Band 100 „Festung RANTALON“, und damit stand ich direkt vor der finalen Auseinandersetzung in diesem Universum. Damit würde ich im kommenden Jahr noch viel zu tun bekommen.

KONFLIKT 20 konnte ich, wie gesagt, vollenden. Ich begann mit Band 96 „Me­chanische Retter“, in denen ich wieder einmal ein thematisches Crossover voll­führte, denn die Kybernoiden, die hier die Hauptrolle spielten, sollten bald auch in zahlreichen anderen OSM-Ebenen in Erscheinung treten, namentlich in den KONFLIKTEN 16 und 19 „Oki Stanwer – Der Missionar“. Die Episoden 94-110 entstanden alle bis zum 23. März, ein Zeichen, unter welchem kreativen Über­druck ich stand.

KONFLIKT 19 war der nächste Handlungsschauplatz, aber über die Episoden 7 und 8 bis Anfang Februar kam ich nicht hinaus. Dann spülte mich OuC weg, an­schließend die ganzen Todesfälle, und letztlich dann die forcierte Arbeit an KONFLIKT 16.

Im März begann ich – sehr passend – mit den Arbeiten an einer Geschichte, die den Titel „Kämpfer gegen den Tod“ erhielt und, ebenfalls sehr passend, mit dem Tod des Protagonisten ANFÄNGT. Danach aber geht die Geschichte erst richtig los, wie das im OSM so häufig der Fall ist. Dass dieses Werk allerdings im KONFLIKT 24 „Oki Stanwer – Der Neutralkrieger“, begonnen 1994, spielt, bekam ich dann erst mit Verspätung heraus. Am 18. August wurde dieses Werk, inzwi­schen auf Romanformat angewachsen, beendet. Es ist noch nicht veröffentlicht worden.

Von April bis September arbeitete ich außerdem an KONFLIKT 22 „Oki Stanwer – Der Schattenfürst“, wo ich den ersten Veskoy-Zyklus (die Bde. 24-27) schrei­ben konnte und darüber hinaus bis Band 29 kam, bis zur Episode „Die Phasen­falle“.

Im Juni bis August dieses Jahres grub ich mich außerdem durch KONFLIKT 24, was zweifellos durch meine Arbeiten am oben erwähnten Roman „Kämpfer ge­gen den Tod“ befördert wurde. Hier kam ich immerhin schon bis Band 21 „Die Feuersturmwelt“, ehe ich mich dann ab August wieder stärker auf KONFLIKT 16 konzentrierte.

Am 9. Oktober – und daran merkt man, dass der Tod mich thematisch in diesem Jahr wirklich umtrieb – begann ich mit der Arbeit am OSM-Romane „Neu-Baby­lon“, einem Werk, das im so genannten Matrixland spielt, und wo die Voraus­setzung für alle Protagonisten ist, dass sie vorher verstorben sind. So geht es auch dem Commander Calvin Moore vom New Scotland Yard, der während der Arbeiten am Roman DER CLOGGATH-KONFLIKT ermordet worden war. Auf ein­mal fand er sich wieder in einem der legendären Sümpfe der Wiedergeburt und wurde an Bord eines motorisierten Nachens gerettet. So begann sein erstes Le­ben nach dem Tode… leider ist dieses Werk ebenfalls noch lange nicht vollen­det.

Tja, und am 30. Oktober schlitterte ich dann in eine seltsame Welt hinein, die ich noch gar nicht gesehen hatte: eine untertechnisierte Kultur auf einer offen­sichtlich namenlosen Welt, wo eine verarmte Baronin mit ihrer Tochter Ariane und deren Cousine Desiree einen abenteuerlichen, gefährlichen Plan ausheckte, um wieder zu Geld zu kommen.

Ich hatte keine Vorstellung, dass ich damit ein Tor zu einer Welt einen Spaltbreit geöffnet hatte, die mich bald so gründlich wie nichts zuvor in meinem Leben vom OSM ablenken sollte. Aber davon berichte ich im Detail besser im kom­menden Teil dieser Serie. Diese Welt ist der Archipel, und man kann sie die ab­solute Gegenwelt zum OSM nennen.

Mehr dazu und zu den Jahren 1997/98 schreibe ich in Bälde.

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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