Liebe Freunde des OSM,

heute geht es ans Eingemachte… ich sagte schon beim letzten Artikel dieser Reihe – Wochen-Blog 76 vom 10. August 2014 – , dass das Jahr 2001 ganz und gar im Zeichen des Beinahe-Scheiterns aller bisherigen Pläne stand, und letzten Endes verantwortlich dafür zeichnete ein kleines Mädchen namens Rhonda, das mir im Jahr 2000 völlig überraschend im Dschungel der Archipel-Hauptinsel Coorin-Yaan zugelaufen war.

Resümieren wir kurz, wie der Stand der Dinge aussah:

Ich befand mich sozusagen im Endspurt bei meinem Studium an der TU Braun­schweig. Nahezu alle Pflichtscheine in Geschichte und Philosophie, meinen bei­den Studiengebieten, waren erworben, ein Thema für die Magisterarbeit besaß ich ebenfalls schon und war eifrig dabei, das Staatsarchiv in Wolfenbüttel und das Universitätsarchiv in Braunschweig zu frequentieren, um dort Akten einzu­sehen, die ich für die Arbeit brauchte. Angemeldet beim Magisterprüfungsamt war die Arbeit aber noch nicht – man hat dann nur noch ein halbes Jahr Schreibzeit, dann MUSS man fertig sein. Ich muss gestehen, es war sehr gut, dass ich noch keine amtliche Anmeldung realisiert hatte. Rhonda warf da alles über den Haufen, und nicht nur sie.

Im Fandombereich hatte ich mich beim Science Fiction-Club Baden-Württem­berg (SFCBW) etwas zurückgezogen, was ebenfalls gut war. Und parallel dane­ben war ich ja auch noch tätig als Aushilfe in einem Braunschweiger Biomarkt, um mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Direkt hinter mir lag der erschöpfende Marathon mit dem Roman „Christinas Schicksal“, der mit mehr als 1100 Manuskriptseiten eine Schwindel erregende Länge erreicht hatte.

Nun, und dann kam also Rhonda mit dem Roman „Rhondas Weg“, in den ich mich zum Jahreswechsel 2000 zu 2001 schon über sechshundert Seiten tief ein­gegraben hatte. Das sah also sehr danach aus, als werde das ein ebenso starkes und langes Werk werden (ich hätte, als ich das mutmaßte, echt mal mein Patent zum Propheten anmelden sollen… ich behielt so was von Recht, das glaubt ihr gar nicht…).

Dummerweise tauchte am 9. Januar 2001 eine Person vor meinem geistigen Auge auf und verlangte herrisch nach Aufmerksamkeit, die ich nicht einfach ab­weisen konnte – eine wunderschöne, goldbraun gebrannte Blondine namens Christina von Zhiongar. Und ihr Ansinnen war unübersehbar: schreib weiter mein Leben nieder! Ich bin mit Garez Escobar, meinem Geliebten, an Bord der SINJE unterwegs in Richtung zur legendären Insel Tausiin, und ich verlange, dass du darüber schreibst!

So begann, ich konnte es nicht aufhalten, die Arbeit am zweiten Christina-Ro­man, „Abenteuer im Archipel“. Glücklicherweise hörte der „Strom der Bilder“ bereits auf, als ich Seite 23 erreichte, und für den Rest des Jahres konnte ich mich dann wieder auf andere Dinge konzentrieren… ja, und zwar auf Rhonda. Bis Ende des Monats Januar wuchs das Manuskript auf 817 Seiten Länge. Bis Ende Februar auf 1090 Seiten. Bis Ende März auf Seite 1390. Und so weiter. Jede Woche, ich schwöre!

Der Rhonda-Roman war wie ein Magnet, der mich wieder und wieder anzog, und wenn man nun meint, das hätte doch langweilig werden müssen, so unent­wegt an einem einzigen Romanwerk zu schreiben, so hätte ich vor dem Jahr 2001 jedem darin sofort zugestimmt, weil ich das ganz genauso gesehen hätte… aber „Rhondas Weg“ krempelte diese Anschauung so gründlich um wie nichts zuvor.

Nun ja, es entstanden nebenher auch noch andere Sachen, das will ich nicht be­streiten… Rezensionen, ein paar kurze historische Artikel, Gedichte, mehr Ge­dichte… aber sonst war ich wirklich sehr krass auf den Archipel fixiert.

Und es gab Nebeneffekte.

Ich erzählte früher schon mal, dass ich anfangs, als ich 1997/1998 den Archipel entdeckte, ja davon ausging, er könne nur Romanformat haben, also 300 Seiten und länger. Kürzere Geschichten hatte ich bis dahin noch nicht entdeckt. Ein Ne­beneffekt des Rhonda-Romans aber bestand nun darin, dass jählings Archipel-Legenden und biografische Vignetten auftauchten. Das kam wohl völlig unab­weislich auf mich zu, weil ich entdecken musste, dass innerhalb des Kontextes des Rhonda-Romans kein Platz für manche Dinge war, die mir auf einmal als kristallklarer Gedankenstrom vor dem geistigen Auge standen.

Also begann ich im Januar damit, ein Kapitel des Romans auszugliedern und ihm eine eigenständige Struktur zu geben. So wurde die Legende „Shareena und das Mädchen mit dem Zauberhaar“ geschaffen, eigentlich ausgelöst durch die Bemerkung, Rhondas Haar sei „doch so ein Zauberhaar“. Und so erfuhr Rhonda durch die Klientin Valerie von der Tochter der Göttin Neeli, von Sharee­na, und davon, was es mit ihrer sterblichen Geliebten, dem Mädchen Jala, auf sich hatte…

Etwas später, im April, sprang mich dann aus Rhondas Erinnerungen ein Stück ihrer biografischen Vergangenheit an, und so entstand dann die Story „Zu Be­such in einem kleinen Dorf“. Genau einen Monat später, am 7. Mai, spross kur­zerhand ein weiteres Sequel aus dem Rhonda-Roman empor, die Story „Skla­vinnentrost“, die eigentlich eine Handlungslücke im Roman schließt und berich­tet, wie der Bäckerlehrling Anthay von seinem Meister Gwannish kurzerhand von seiner schwärmerischen Fixierung auf Rhonda gelöst wird… was im Roman selbst dann zu einer romantischen Katastrophe führte.

Im August, denn auch da war ich immer noch im Rhonda-Roman unterwegs, damals bereits auf Seite 1497 (allerdings hatte mich eine hartnäckige techni­sche Störung für Wochen von diesem Roman fern gehalten), im August also entstand dann die nächste Geschichte, die direkt aus „Rhondas Weg“ inspiriert war, nämlich „Samanthas Entdeckung“.

Samantha, sollte ich dazu sagen, da ihr sie ja nicht kennen könnt, ist die Haar­frau des Maklers Panjit al Choor, der wiederum den „Garten der Neeli“ be­wohnt, in dem Rhonda in Asmaar-Len lebt. Und eine Haarfrau ist, im Grunde genommen, eine Friseuse… ach, die Szene war wirklich zu süß, in der Rhonda hier erstmalig mit einer Haarschere konfrontiert wurde… der ganze Roman ist voll von solchen Vignetten, Kinderspielen, Legendenabenden, häuslichen Kata­strophen, und über Rhondas ewig neugierigen Kopf hinwegzuschauen, machte mir ein mächtiges Vergnügen.

Dass allerdings „Samanthas Entdeckung“ direkt etwas mit Rhondas Vorge­schichte zu tun hat, begriff ich erst mit ein wenig Verspätung. Es gibt seither noch ein weiteres von inzwischen sehr vielen Archipel-Storyfragmenten, das den Titel „Amanda trifft einen Geist“ heißt. Ursprünglich nahm ich an, ich würde diese Begegnung zwischen dem Mädchen Amanda, das die Haarfrau Samantha in der obigen Geschichte kennen lernt und gewissermaßen rettet, im zweiten Rhonda-Roman „Rhondas Reifejahre“ unterbringen können… aber von der heutigen Warte aus betrachtet, muss ich da den Kopf schütteln.

Warum dies? Na ja, inzwischen habe ich auch „Rhondas Reifejahre“ abge­schlossen, und dort war noch kein Platz für diese Geschehnisse. Doch davon er­zähle ich später. Zurück ins Jahr 2001:

Ich beendete „Rhondas Weg“ schließlich am 1. Oktober 2001 auf Seite 1876. Kein Witz, Freunde, wirklich nicht. Ich starrte auf diese riesige Geschichte und war einfach völlig fassungslos… insbesondere deshalb, weil sich das, was ich schon bei „Christinas Schicksal“ erlebt hatte, hier wiederholte. Es spielte über­haupt keine Rolle, dass dieser Roman siebenhundert Seiten länger war, weiß Gott nicht… er endete einmal mehr in der Aporie, und zwar sehr viel früher, als ich für möglich gehalten hätte.

Das lag einfach daran, dass es so unendlich viel zu erzählen gab. Rhonda lernte in diesem Roman, als sie Asmaar-Len erst mal erreicht hatte, so viele neue Din­ge und Personen kennen, dass ich aus dem Schreiben gar nicht mehr heraus­kam. Und die Leute, die sie hier traf, waren durchaus nicht auskunftsfreudig… inzwischen weiß ich, weshalb, aber in Rhondas Haut war ich zuweilen richtig weißglühend vor Verdruss und sie selbst oft den Tränen nah. Weil sie vieles ganz falsch verstand. Weil ihre Freundinnen manches ganz und gar verkehrt sa­hen. Weil Rhonda so überhaupt kein Gespür für die Machtpolitik der Adeligen von Asmaar-Len hatte.

Und ich begriff immer stärker: verdammt, Asmaar-Len ist ein echtes Pulverfass, und Rhonda sitzt gewissermaßen genau darauf und ist, wenn sie nicht ver­dammt aufpasst, sogar noch direkt die glimmende Lunte in Person!

Insofern wuchs mir die Geschichte über den Kopf, und quasi überall, wohin ich auch blickte, gab es neue Rätsel, Andeutungen, Personen, die nicht die lautere Wahrheit sagten (oder ungeniert schamlos logen)… so wurde mir klar und im­mer klarer, dass es einen zweiten Rhonda-Roman geben musste, womöglich so­gar noch einen dritten. Und dass sie alle dieses Format besitzen würden oder sogar noch ein sehr viel größeres.

Der Archipel dehnte sich auf eine Weise aus, wie ich das bislang nur vom Oki Stanwer Mythos gekannt hatte, er wurde eine komplexe, farbenprächtige Welt mit einer komplizierten Mythologie, höchst fragilen sozialen Strukturen, intri­gierenden und rivalisierenden Clans, persönlichen Animositäten, zahllosen trä­nenreichen Missverständnissen und hinreißender, warmherziger Liebe.

Eine wundervolle Welt, wenn auch von einer Art, die mit unserer Moral schwer vereinbar ist. Beizeiten sage ich dazu vielleicht noch mehr.

Aber ihr fragt euch sicherlich: wo, um alles in der Welt, bleibt eigentlich der OSM? Ja, und das ist eine verdammt gute Frage. Das fragte ich mich zum Jah­resende nämlich auch allmählich.

Ich gebe euch mal ein paar Zahlen, damit ihr das kreative Dilemma des Jahres 2001 handfest erkennen könnt: Ich schrieb in diesem gesamten Jahr gerade ein­mal 61 Werke, die weitaus meisten bestanden in Rezensionen und Gedichten. Der Grund ist offensichtlich – ich war sonst größtenteils so oder so vom Archi­pel absorbiert. Was den OSM angeht, so schrieb ich ganze 3 Werke.

Nein, das ist kein Witz. Ich kam im ersten halben Jahr quasi zu gar nichts hin­sichtlich des OSM. Am 30. Juli konnte ich den zweiten Shorex’uss-Roman vollen­den, „Der Feuersucher“, der allerdings mit etwas mehr als 50 Manuskriptseiten diese Bezeichnung kaum verdient. Im August konnte ich noch Band 41 des KON­FLIKTS 22 „Oki Stanwer – Der Schattenfürst“ schreiben, also die Episode „Das oszillierende Volk“. Und am 30. Dezember wurde gerade noch knapp vor Jah­resende die Story „Hüter des Shanna Djannir“ fertig. Und das war es dann auch schon.

Der OSM hatte dramatische Sendepause. Glücklicherweise sollte sich das im darauf folgenden Jahr vollkommen verändern. Darüber berichte ich dann im nächsten Teil dieser Artikelreihe am 19. Oktober mehr.

Bis zum nächsten Sonntag, mit Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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