Blogartikel 381: Zeitreise ins Jahr 1983

Posted Juni 21st, 2020 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wie ihr seit langem wisst, wenn ihr meinen Werken oder auch nur den Blogartikeln schon eine ganze Weile gefolgt seid, ist der Oki Stanwer Mythos (OSM) ein literarisches Gebilde, das man beim besten Willen nicht als Eintagsfliege betrachten kann. Es handelt sich spätestens seit 1985 um ein äußerst komplexes Handlungsgeflecht, das zahlreiche miteinander vernetzte und aufeinander folgende Universen zu einer Gesamtkomposition verbindet. Und wie das mit allem ist, das eine gewisse histori­sche Dimension erreicht, erzeugt das natürlich Schwierigkeiten.

Die Schwierigkeit, auf die ich heute zu sprechen kommen möch­te, ist die Unübersichtlichkeit. Auf Zehntausenden von Seiten, in Aberdutzenden von Ordnern existieren nahezu unzählige Episo­den (aktuell hat die Gesamtzählung die Ziffer 1944 erreicht), ganz zu schweigen von Fragmenten, Vorversionen, Hintergrund­artikeln, ergänzendem lexikalischen und glossarischem Material. Es gibt Grafiken von mir und von externen Künstlern, Karten, historisches Ergänzungsmaterial und so weiter.

Da kann es also nicht verblüffen, wenn ich manche Dinge aus dem Blick verliere. Das geschieht insbesondere mit Texten der Frühzeit.

Auf der zweiten Seite meiner Gesamtliste, und damit komme ich zum zentralen Thema, finden sich unter den Eintragungen OSM 32 und 33 zwei frühe Episoden des KONFLIKTS 13 „Oki Stanwer Horror“ (OSH) – ihr werdet den diesbezüglichen Stoff beizeiten in meinen E-Books der Serie „DER CLOGGATH-KON­FLIKT“ zu lesen bekommen, allerdings in grundrenovierter Fas­sung. Beide Einträge in der Liste, sie betreffen einmal die Episo­de „Die Knochensaat“, zum anderen „Die knöchernen Kil­ler“, haben eine Fußnote diesen Inhalts: „Manuskript verschol­len“.

Das ist das Schicksal vieler früher OSM-Episoden. Ich neigte da­mals dazu, solche Originalskripte zu verleihen, z. T. an Brief­freunde in Österreich. Und nicht alles kehrte zu mir zurück. In der Frühzeit, wir reden hier über den Anfang des Jahres 1983, befinden uns also locker 37 Jahre in der Vergangenheit, fiel es mir noch vergleichsweise leicht, die Episoden neu zu konzipie­ren und neu zu schreiben. So geschah das auch mit diesen Bän­den.

Die erste der verschollenen Episoden wurde 1984 unter dem Ti­tel „TOTAMS Knochensaat“ wieder geschaffen und erhielt die OSM-Kennziffer 194. Wenig später entstand mit der Nummer 198 auch „Die knöchernen Killer“ neu. An diese Episoden hielt ich mich, als ich 1988 damit begann, den KONFLIKT 13 in Form des BUCHES „DER CLOGGATH-KONFLIKT“ auszuarbei­ten.

Mir war außerdem schon lange bewusst, dass ich die OSH-Serie natürlich dringend digitalisieren musste. Ich schob diese Arbeit jedoch auf, weil ich bekanntlich mit den Serien „Oki Stanwer – Feldherr der Cranyaa“ (FdC, KONFLIKT 14) und „Oki Stanwer – Bezwinger des Chaos“ (BdC, KONFLIKT 12) noch genug zu tun hatte, die derzeit ebenfalls noch digitalisiert werden.

Bei KONFLIKT 14 hatte ich aber schon Band 81 fertig digitalisiert (von insgesamt 105), so dass ein Ende dieser Arbeiten in Sicht war. Ich hoffe zuversichtlich, anno 2020 damit zu Rande zu kom­men. Beschleunigt wird das durch meinen Entschluss, euch mit­tels der Blogartikel-Reihe „Close Up“ vorrangig KONFLIKT 14 zu­gänglich machen zu wollen. Da sind wir, wenn dieser Beitrag er­scheint, auch schon bei Episode 85 angelangt. Das Ende der Fahnenstange ist also bald erreicht.

In dieser Situation befand ich mich Anfang Januar 2020, als ich zu meiner grenzenlosen Verblüffung in einem Ordner älterer Episodenversionen auf zwei OSM-Skripte stieß. Sie trugen die Kennziffern 32 und 33!

Verdammt, dann sind die ja doch gar nicht verschollen!“, ent­fuhr es mir ungläubig und entzückt zugleich. Eine tolle Entde­ckung … prinzipiell.

Wieso prinzipiell? Ist es nicht eine grundsätzlich phantastische Entdeckung, verschollene Geschichten wieder ausfindig zu ma­chen? Ja, doch, selbstverständlich schon. Aber ich begann mich zu fragen, was das für Auswirkungen auf mein Digitalisat des KONFLIKTS 13 haben würde, mit dem ich ja bald beginnen woll­te. Insbesondere der Band „Die knöchernen Killer“ machte mir Sorge. Immerhin gab es den Titel nun zweimal.

Wie so oft erwies sich die Lösung auf den ersten Blick als sim­pel: „Dann mache ich es halt so – die alten Fassungen bekom­men kurzerhand ein ‚A‘ hinter die Ziffer, und danach folgen dann jeweils die regulären Episoden.“

So begann ich.

Und dann stieg ich, derzeit von Listenaktualisierungen und Da­tenverlusten reichlich gebeutelt, gleich in die Aufgabe ein – was umso leichter fiel, als die frühen Fassungen wirklich sehr kurz sind. Sie umfassen selten mehr als 7-8 Textseiten.

Aber schon nach wenigen Sätzen begann ich mir die Haare zu raufen, echt. Nicht nur, dass sich die Storyline der A-Episoden von denen der späteren „kanonischen“ Episoden grundlegend unterschied. Damit hätte ich umgehen können und das erwarte­te ich ja schließlich auch. Ich rechnete sogar mit solchen Dingen wie Primitiv-Charakterisierung (Name, gesellschaftlicher Rang oder Titel = „vollständige Charakterbeschreibung“; was natür­lich nicht der Fall ist).

Auf all das stieß ich hier natürlich auch.

Ich stieß leider auch noch auf andere Dinge bei meiner abenteu­erlichen Reise ins Jahr 1983. So entdeckte ich sehr, sehr, sehr massive „magische“ Spuren in den Episoden, das ging hin bis zur Beschwörung eines Dämons mittels Pentagramm! Das war natürlich vollendeter Nonsens.

Ich stieß auf theatralische Schreie, die ich damals wohl drama­tisch oder toll fand, die aber definitiv sinnlos sind.

Am abenteuerlichsten war aber die Erklärung, die ich – vor Ent­wicklung des Multiversenkonzepts im OSM ab 1985 – hier für die erklärungsbedürftige Tatsache fand, dass Oki Stanwer und seine Freunde offenkundig ein zweites Leben führten, das dem in KONFLIKT 15 „Oki Stanwer“, an dem ich zu dieser Zeit noch schrieb, wenigstens 5.000 Jahre vorgelagert war.

Wie erklärte ich mir das? Durchaus pfiffig: mit Parallelwelten!

Also, ich war auch im Alter von 16 Jahren definitiv nicht auf den Kopf gefallen. Im Lichte des modernen OSM-Konzepts musste dieses frühe Konzept natürlich ebenfalls in den Schredder.

Ebenso wenig, wie ich die chronologische Abfolge der Universen alias KONFLIKTE noch nicht auf dem Schirm hatte, fiel es mir ein, die so genannte „Helfer-Kopplung“ in Szene zu setzen. Ihr werdet darauf in den E-Books des KONFLIKTS 12 „Oki Stanwer – Bezwin­ger des Chaos“ wie auch im „CLOGGATH-KONFLIKT“ stoßen. Ich deute das hier nur mal an. Da ich davon noch keinen blas­sen Schimmer hatte, baute ich hier Cliffhanger, die unter Einbe­ziehung der Helfer-Kopplung schlichtweg nicht funktionieren können. Dies zerschießt die gesamte Handlungslogik.

Gegner zählen konnte ich auch nicht, wie ich entnervt zu regis­trieren hatte, und die Fähigkeiten von Okis Freunden dem Leser näher zu bringen, das klappte noch weniger.

Aus den 8 Seiten der „Knochensaat“-Episode wurden also in der Abschrift und Kommentierung deren 15, und ich war schon bei Fußnote 149 angelangt.

Na, das kann ja heiter werden“, murmelte ich.

Sprach es und schrieb zum Kontrast die Episode „TOTAMS Knochensaat“ ab. Und wiewohl zwischen diesen beiden Versionen nur etwa ein Jahr lag, vielleicht knapp anderthalb, geriet ich beinahe in eine völlig andere Welt: Protagonisten, die vorher aufgetaucht waren, existierten hier nicht. Die Geschichte, die ich schrieb, als ich in der OSH-Serie schon ein paar Dutzend Folgen weiter war, bezog hier natürlich auch Elemente ein, die erst später in der Serie wirksam wurden. Aber dafür beging ich nachgerade groteske Fehler, die aus der Episode regelrecht eine Satire machten.

Nein, nein, nein, das kann doch alles gar nicht wahr sein! Kann denn hier niemand gescheit nachdenken? Autor inbegriffen?“, schimpfte ich auf mich selbst, während ich abschrieb und kom­mentierte (diesmal bekam die Episode schon 22 Seiten Länge, am Ende landete ich auf Fußnote 355!).

Ernsthaft – das ist teilweise solch ein bizarres Blech, davon wollt ihr gar nichts Näheres erfahren. Und solche Versionen schickte ich damals durch die Weltgeschichte an meine (sehr, sehr, sehr generösen oder ebenso arglosen) Brieffreunde. Das grenzte teil­weise echt schon an seelische Grausamkeit, fand ich jetzt bei der Kommentierung.

Aber es sind halt frühe Skript des OSM. Der Vollständigkeit hal­ber gehören sie hier einfach hin. Ich witterte zwar schon ausdrü­ckliche Katastrophen im Gefolge, aber na schön … einfach mal Zähne zusammenbeißen und durch.

Es folgte die 1983er-Version der „knöchernen Killer“. Die kam kommentiert dann auf „nur“ 16 Seiten (die Fußnoten steigerten sich bis Nr. 486!). Aber die haarsträubenden Fehler gingen mun­ter weiter. Hier blamierte ich mich total, indem ich Le Havre munter in „Südfrankreich“ ansiedelte, einem Jesuiten „Hobbys“ als Hauptaufgabe zuwies und ein Mordopfer ohne erklärbaren Grund zu einem höchst informierten Untoten umwidmete. Ganz zu schweigen davon, dass ein namenloser französischer Kom­missar sich sehr von den Yard-Ausweisen der aus den USA (!!!) eingeflogenen Stanwer-Agenten Leonard Telkow und Richard Wi­ner beeindrucken ließ und am Ende sogar noch eine muntere amerikanische Floskel einstreute. Warum sie nicht aus England anreisten? I don‘t know!

Himmel, dachte ich, was ist denn das für ein Schwachsinn? Und dann dieser Burgberg … anfangs als „Schloss“ bezeichnet, bald darauf wird aus dem Gebäude rasch eine „Burg“. Steile Felsen, motivationslos auftauchende Untote … letzten Endes vollende­tes Chaos.

Gott, dachte ich mir, jeder, der diesen Blödsinn zwei Episoden lang erträgt, ist froh, wenn er vom OSM nie wieder was hören muss … ich hatte damals ernsthaft ein sehr, sehr dickes Fell und war verdammt von mir selbst eingenommen. Heute steigt mir die Schamröte ins Gesicht, wenn ich sehe, wie ich von Seite zu Seite (und manchmal von Zeile zu Zeile!) Inhaltsfehler, Logik­fehler und verschiedenste Formen von vollendetem Blödsinn produziert habe.

Zeitreise ins Jahr 1983? Nennen wir es lieber beim richtigen Na­men: es war ein Horrortrip! Auf der einen Seite bin ich natürlich sehr froh, diese frühen Vorfassungen wieder entdeckt zu haben. Aber dass ich euch diese kommentierten Episoden irgendwann mal komplett zugänglich mache, darauf könnt ihr lange warten. Das wird wahrscheinlich nicht passieren.

Was ihr aber stattdessen im dritten E-Book der Serie „DER CLOGGATH-KONFLIKT“ mit dem voraussichtlichen Eigentitel Knochensaat“ zu lesen bekommt, ist das, was ich daraus an Lesbarem destillieren werde.

So können also Abenteuerreisen in meine biografische Vergan­genheit zum Alptraum werden … aber es waren sehr erhellende Tage, muss ich sagen, und sie gehen ja noch weiter. Beizeiten berichte ich davon sicherlich noch mehr im Laufe der nächsten Jahre. Bleibt neugierig, Freunde.

Bis nächste Woche, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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