Blogartikel 493: Sonderbarkeiten in der Leichenwüste

Posted Januar 15th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wie ich euch schon vor Monaten erzählte, als ich im Blogartikel 439 von der Gegenwart der Serie „Horrorwelt“ im Anschluss an den desaströsen Titanenkampf berichtete, sieht die Lage auf dieser Welt zurzeit nicht eben rosig aus. Sie aktuell als „Leichen­wüste“ zu bezeichnen, ist definitiv nicht abwegig.

Weshalb nicht? Nun, für diejenigen unter euch, deren Aufmerk­samkeitsspanne etwas kürzer ist, sei es noch einmal resümiert – ab kurz nach Band 100 der Serie begann eine Handlung in der Horrorwelt-Serie, die 20 Jahre nach dem Tod des Heroen Mapun und dem Sieg über TOETAAR, den Dämon der Gewalt, darauf hinzielte, dass zwei uralte Wesenheiten aus ihrem tiefen Schlummer erwachten.

Die Titanen.

Der DREIZEHNER auf der einen Seite, der in der Serie schon viel länger bekannt war, ohne dass man seine Natur verstanden hätte, und der Grüntod EORANOK auf der anderen Seite taten das, was zwei Titanen auf einer Welt immer tun: Sie suchten sich einen Kampfplatz und duellierten sich ohne Erbarmen. Die­ser Kampfplatz war das vulkanische Inselreich der Fehrer, und der DREIZEHNER trug den Sieg davon, wobei er eine beispiello­se magische Katastrophe auslöste.

Eine Konsequenz seines Handelns, ehe er der Horrorwelt mit seinem gefangenen Rivalen den Rücken kehrte, bestand in der Entfesselung einer Höllenwolke, die über Nord- wie Südkonti­nent aufstieg. Ihre Wirkung führte dazu, dass unwiderruflich die Toten aus den Gräbern stiegen und damit begannen, die Leben­den zu meucheln und alle Staatswesen zu zerstören, die exis­tierten.

Die Apokalypse schlechthin, der Jüngste Tag, nennt es, wie ihr wollt. Die Horrorwelt machte nun ihrem Namen alle Ehre. Und doch … dies war erstaunlicherweise NICHT das Ende der Welt.

Als ich 1991 diese Dinge beschrieb, geriet die Serie in eine ar­gumentative Sackgasse, zum Teil auch deshalb, weil ich mich damals mit dem Abitur auf dem zweiten Bildungsweg und mei­nem Studium zu beschäftigen hatte, schließlich, weil ich die Ar­chipelwelt entdeckte, von der Horror-Literatur weitgehend weg­kam und ganz andere Interessenfelder entdeckte.

Als ich dann am 21. April 2021 das Digitalisat der Horrorwelt-Serie abschloss, wurde der Wunsch in mir wach, daran weiterzu­schreiben. Aber ich kann mit Gewissheit sagen, dass das Schreibfieber erst jetzt wieder richtig erwacht ist (August 2022), und ich weiß auch genau, woran das liegt.

Am Glossar.

Ja, so wie im Oki Stanwer Mythos und im Archipel und längeren Erotic Empire-Werken halte ich eine glossarische Durchdringung für hilfreich und sinnvoll … und ich stelle verstärkt fest, wie sti­mulierend so etwas ist. Viele vergessene Details, die nicht mal durch die Digitalisierung dauerhaft in meinem Kopf verankert wurden, ergeben nun neuronale Netzwerke in meinem Verstand, Details fügen sich zusammen und stellen die Dinge in ein neues Licht. Und ich lerne verrückte neue Leute kennen. Schauen wir uns mal ein paar davon heute an.

Ich habe gerade die Arbeit an Band 181 der Serie „Die Toten und die Geister“ abgeschlossen und wirklich so sehr dabei ge­lacht, weil die Geschichte dermaßen grotesk ist, dass es ein Ver­gnügen war, diese zwölf Seiten Text zu schreiben … und ich bin überzeugt davon, die nächsten Episoden werden kaum minder unterhaltsam sein.

Also, stellt euch folgende Lage vor: In der wertanischen Graf­schaft Biston versteckt sich ein junges Liebespaar in einer ver­wüsteten Schenke, als es von zwei Zombies aufgemischt wird, die – was denkt ihr wohl – was vorhaben? Genau, sie wahlweise zu fressen oder zu Ihresgleichen zu machen. Aber dann passiert dies:

Es ließ sich nicht klar sagen, wer am meisten überrascht von dem Moment war – die verzweifelte junge Frau und ihr Liebhaber, die um ihr Überleben kämpften, die untoten Gegner, die alles daran setzten, sie vom Leben zum Tode – oder in ihren eigenen Untotenstatus zu versetzen … oder der Neuankömmling, der den Hof der verwüsteten Gastwirtschaft betrat, als der Kampf schon aussichtslos geworden zu sein schien.

Er war es jedenfalls, der alles zum Erstarren brachte.

„Ich halte das für Unrecht, was ihr da gerade tut. Haltet inne und überlegt euch euer Tun noch einmal“, so jedenfalls lauteten die zu­mindest seltsamen Worte des Neuankömmlings, und sie schienen wirklich vollkommen fehl am Platze zu sein.

Tatsache war jedoch auch, dass die beiden teilweise schon ziem­lich vermoderten Zombies mit ihren verwüsteten, stieren Gesichtern, die sich bereits anschickten, der gegen die Steintreppe gedrückten, zappelnden Frau erst zu erwürgen und dann die Kehle durchzubei­ßen, zurückfuhren. Dann drehten sie – ohne sie indes loszulassen – ihre Schädel herum, um den unerwarteten Redner anzustarren. So­weit man das von ihren ohnehin stumpfsinnigen Leichengesichtern sagen konnte, teigig gelb und aufgedunsen, wie sie waren.

Die Untoten mochten der Kleidung nach einstmals Reitknechte ge­wesen sein, muskulöse und stattliche Kerle von vielleicht dreißig oder vierzig Jahren. Aber inzwischen waren sie schon eine ganze Weile tot und kalt und allein noch darauf aus, lebende Menschen zu jagen und sie wahlweise zu verspeisen oder zu Ihresgleichen zu ma­chen. Die übel zugerichteten Hälse zeigten deutlich, dass sie vor nicht allzu langer Zeit selbst in die Fänge von Zombies geraten wa­ren, die sie so ins Reich der Untoten befördert hatten.

Der lebende Liebhaber lag noch benommen am Boden, von einem Hieb eines Untoten spielerisch zur Seite gefegt und nicht ganz für voll genommen, wie es aussah … nun, er war ein eher sanftmütig aussehender, schlanker Kerl, der absolut nicht den Eindruck eines Kriegers machte. Und das Mädchen, vielleicht zwanzig Lenze jung, unter dem harten Griff des Zombies am Hals hilflos zappelnd, das braune Haar wirr ins Gesicht hängend und panisch um sich starrend … es wirkte nun eher, als wolle es endgültig in einen Schreikrampf ausbrechen, als der Neuankömmling lautlosen Schrittes in den Hof trat und der Gruppe näher kam.

Kein Wunder.

Was sich dort näherte, war ganz bestimmt keine Rettung.

Nicht diese gläsern-transparente, schimmernde Gestalt, die eher neuen Schrecken verhieß als Hilfe!

Augenscheinlich war dies einmal ein Mensch gewesen, ein Adeliger offensichtlich, und er musste schon sehr lange Zeit tot sein, den fahl-gläsernen Kleidungsstücken nach zu urteilen, die er auf seinem fein­stofflichen Körper trug. So eine Kleidung sah man höchstens noch bei folklorischen Festen, wenn die Leute sich in Gewänder warfen, wie man sie vor ein paar Jahrhunderten gekannt und getragen hatte.

Das Schlimmste aber war, dass man durch dieses Wesen gerade­wegs hindurchsehen konnte.

Ein Geist!

Ein Geist am hellen Tag!

Die beiden lebenden Wertaner waren sich, ohne ein Wort oder ei­nen Blick wechseln zu müssen und ungeachtet ihrer reichlich desola­ten Situation, sofort darin einig, dass dies zweifellos das Ende der Welt sein musste: Wenn Tote auferstanden und die Lebenden meu­chelten, was sie ja leider seit Wochen und Monaten nicht anders kannten, und nun auch noch bei helllichtem Tag die Geister auf den Straßen spazieren gingen … dann würden zweifellos bald auch Son­ne und Mond gemeinsam am Himmel stehen und die Welt unterge­hen …

So hieß es jedenfalls in erschreckenden Legenden, mit denen man ungehorsame Kinder schreckte.

„Ich rate euch ernstlich von dieser Tat ab. Das ist einwandfrei Mord und damit nichts, was ich dulden kann“, sprach der Geist weiter, was die Lage noch irrwitziger machte.

„Ich verliere den Verstand“, krächzte der am Boden liegende junge Mann ängstlich. Vermutlich wünschte er sich das tatsächlich. Das ganze Leben war ein einziger Alptraum geworden. Hinter jeder Häu­serecke schienen weitere Schrecknisse und tödliche Überraschungen zu lauern.

Und nun also auch noch Geister!

Die Lage verzweifelt zu nennen, wäre eine Beschönigung gewesen.

„Nun, die Lage ist zweifellos etwas … eigenartig, da stimme ich Euch zu, werter Herr … aber nein, ich hoffe zugleich sehr, dass Ihr nicht den Verstand verliert, noch weniger Euer Leben … und nein, mein Freund, das ist nun wirklich vollkommen närrisch!“

Der zweite Zombie hatte sich geradewegs umgedreht, um dem neuen Gegner seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Doch dieses Vor­haben war von keinem sinnvollen Erfolg gekrönt. Vielmehr ruderte er nun auf absurde Weise mit seinen Armen direkt durch den Geistkör­per des Neuankömmlings. Er hätte auch durch eine Nebelbank sto­chern können, der Effekt wäre ähnlich nutzlos gewesen.

Der Geistergraf oder was immer er sein mochte, ging gelassenen Schrittes durch die tumbe wiederbelebte Leiche hindurch hinüber zu dem Mädchen, das immer noch durch den harten Griff des anderen Untoten auf den Steinstufen festgehalten wurde.

„Ich empfehle Euch sehr ernsthaft, dieses Mädchen in Ruhe zu las­sen. Sie sieht mir nicht aus wie jemand, der den Wunsch danach hegt, dieses Dasein zu verlassen. Und dies ist auch nicht mein Ansin­nen“, sprach der Geistergraf weiter.

Das ist wenigstens … sagen wir, eine ungewöhnliche Konstella­tion in dieser Leichenwüste. Geister und Zombies auf ein und derselben Party? Und dann noch mit Manieren? Sehr eigenwillig.

Nun könnte man sagen: Geister können ja viel sagen, aber tun können sie wenig, es sind halt feinstoffliche Gestalten, nicht wahr? Und das ist zum Teil auch durchaus richtig. Aber der Geist, Graf Vismar von Tosolien mit Namen, kann durch seine schiere Berührung die Untoten von ihrem Mordplan abbringen … und dann versucht er allen Ernstes, mit den verschüchterten jungen Leuten so etwas wie ein konstruktives Gespräch zu füh­ren.

Und wird von der Ankunft eines weiteren Geistes kurzerhand un­terbrochen. Dieser ist ein ungehobelter Bandit, indes genauso gläsern wie Graf Vismar, und ehe sich Lisa und ihr Gefährte sich versehen, ist das schönste Streitgespräch im Gange, das in fol­gender verrückten Bemerkung gipfelt:

Der Räuber-Geist lachte schallend.

„Ha, schaut uns nur an, Herr Graf! Zwei Geister streiten sich um ein Mädel … manche Dinge ändern sich nicht mal dann, wenn man tot ist, nicht wahr? Es ist doch gar zu witzig … verdammte Scheiße, jetzt hätte ich echt gern einen Krug starken Weines, um diese ver­rückte Situation zu begießen! Zu schade, das gehört wohl auch zu den Dingen, die ich nicht mehr genießen kann.“

Er sah zu den Zombies hinüber. „Und ihr zwei Grabgestalten … stellt euch das zufrieden, wenn ihr den Lebenden nachstellt und ih­nen die Kehlen aufreißt? Ist das nicht für euch auch ein völlig sinnlo­ses Tun?“

„Das müsst Ihr gerade sagen als Mann ohne Moral! Ich bin sicher, die Zahl Eurer im Blute liegenden Opfer war nicht eben gering.“

Und dann haben sie die Aufmerksamkeit weiterer Untoter er­regt, die in die Schenke drängen … und alles scheint verloren. Aber … nein, weit gefehlt, jetzt wird es (in Band 182) noch ver­rückter.

Denn im Königreich Wertan beginnen sich sehr, sehr eigenartige Dinge abzuspielen, und die vermeintliche Leichenwüste ist, wie man schnell entdeckt, alles andere als dies.

Die Höllenwolke hat nicht ausschließlich die Toten zu neuem Le­ben erweckt, sondern noch ganz andere Dinge. Hier sind es Geister, die auf Zombies wirken, dort erwachen versteinerte Zwerge zum Leben, an anderem Ort wuchern Blutdschungel aus dem Boden, und Protagonisten, die schon lange tot sind, wirken auf einmal wieder quicklebendig …

Ja, ich weiß, die Serie steuert auf Band 200 zu, und ursprünglich dachte ich ja auch, dieser Hunderter-Zyklus würde primär die Geschichte um die Dreizehn Schwarzen Hexen und TOETAARS Testament thematisieren. Auch nahm ich an, dass es um das Er­starken des Roten Dämons gehen würde und um den Titanen­kampf … was auch alles geschah. Es füllte nur eben keine 100 Bände. Und so stand ich kurz nach Band 160 da mit einer zer­trümmerten Welt und war einigermaßen ratlos. Jetzt erst entwickeln sich mit einem Abstand von 30 Realjahren die Strukturen weiter, und es ist eins schon recht deutlich absehbar: Mit Band 200 wird es wohl keinen zeitlichen Handlungssprung von Bedeutung geben, dafür sind die angestoßenen Entwicklungen einfach zu umfassend, zu frisch und zu komplex.

Was genau Band 200 bringen wird, vermag ich aktuell noch nicht zu sagen. Aber wenn die Handlung weiter so gut voran­schreitet wie in den vergangenen Wochen, dann würde ich ver­muten, sehen wir diesen Band schon längst, bis dieser Blogarti­kel im Januar 2023 veröffentlicht werden wird.

Schauen wir mal, ob das stimmt. Dann sind wir in jedem Fall schlauer. Ich halte euch da auf dem Laufenden!

Bis bald dann mal wieder, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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