Liebe Freunde des OSM,

heute gibt es mal aus gegebenem Anlass eine Fallstudie aus der Gegenwart. Abonnenten und regelmäßige Leser der ESPost wer­den davon schon etwas mitbekommen haben, aber bekanntlich hat dieser Internet-Newsletter, der sich ja mehrheitlich um The­men rings um das Perry Rhodan-Fandom kümmert, einen Wir­kungskreis, der vielleicht nicht deckungsgleich ist mit dem Le­serkreis meines Blogs. Zudem kann ich ja zu dem Thema mehr erzählen, weil ich direkt und anfänglich involviert bin.

Alles begann am 29. August 2023 um 17.46 Uhr, als der von mir schon lange befürchtete Krisenfall eintrat. Und wie das nun mal bei unvermittelten Krisenfällen so ist – ich war nicht vorbereitet. Leider ist das vermutlich wirklich nur der Ernstfall 1, und weite­re sind zu befürchten, ehe der Plan, ein Autoren-Nachlassarchiv ins Leben zu rufen, Realität werden kann. Diese Institution könnte für einen solchen Fall, wie ich ihn heute schildern möch­te, zumindest als temporäre Notlösung fungieren. Hier gelang das in der Hinsicht leider nicht, aber wie ihr sehen werdet, be­deutete das nicht, dass dieser Hilferuf nutzlos und wirkungslos verhallte.

Fangen wir also vorne an, am 29. August 2023 um 17.46 Uhr. Da ich nicht jeden Tag im Internet bin und mich zu dem genann­ten Zeitpunkt gerade in einer mächtigen Schreib-Flow-Phase be­fand, rief ich meine Mails erst am 30. August morgens ab … und fand mich mitten in den Schwierigkeiten.

Mein Autorenkollege Alexander Knörr, den ich seit Jahren kenne und mit dem ich korrespondiere, sandte mir aus Xanten einen Notruf, den er mit „Meine Bibliothek“ überschrieb. Ich ahnte Schlimmes, und dann folgten zwei Seiten Mailtext, die mir – ohne dass er das natürlich wollte – die Pistole auf die Brust setz­ten.

Die Fakten sahen so aus, stark zusammengerafft dargestellt: Im Jahre 2012 hatte er die so genannte „Generationenbibliothek“ gegründet, gemeinsam mit einigen Mitstreitern. Das Zentrum dieser gesammelten Materialien lag im Bereich UFO-Akten, pa­ranormale Aktivitäten und Grenzwissenschaften im weiteren Umfeld.

Dieses Vereinsprojekt war nun zusammengebrochen, und Alex trug schwer an der Last der Unterbringung der gesammelten Materialien. Die letzte Unterbringungsmöglichkeit für mehr als 2000 Bücher, Dokumente, Artikel und zahlreiche Aktenordner drohte binnen von 2 Wochen endgültig wegzubrechen.

Er sah folglich nur noch zwei Möglichkeiten, wie über diesen Zeitraum hinaus vorzugehen sein könne:

1. Ich finde jemanden, der mir die Sammlung kostenlos ab­nimmt.

2. Ich vernichte alles.“

Besonders Variante 2 alarmierte mich sofort. Mir war klar, ohne dass ich den Bestand jemals gesehen hatte, dass insbesondere wohl die Ordner zahlreiche schwer erreichbare bzw. sogar unika­te Materialien enthalten würden. Die Vernichtung war definitiv der worst case, der eintreten konnte, und ich schrieb Alex rasch, dass diese Variante sofort ausgeschlossen werden solle.

Nein, mein Autoren-Nachlassarchiv sei noch nicht spruchreif, aber ich wollte versuchen, mal ein paar Kontakte zu aktivieren und tat dies umgehend.

Nahe liegend erschien mir etwa die „Aktion Bücherrettung“ des Science Fiction-Clubs Deutschland (SFCD), die sich ja mit der Rettung von Büchersammlungen befassen, vorrangig im Bereich der Phantastik … doch leider kam von dort umgehend eine bedauernde Absage. Das hatte einmal mit dem Thema an sich zu tun, zum anderen – wie zu erwarten – mit nicht vorhandenen Kapazitäten. Zum dritten aber erwies sich auch das Zeitfenster („14 Tage!“) als deutlich zu knapp für eine Handlung von Seiten des Vereins.

Ich dankte und sah mich weiter um.

Von der Regionalität her fiel mir der Terranische Club Eden (TCE) ein. Xanten liegt nahe an den wesentlichen Aktivitätszentren des TCE, also vielleicht gab es hier Möglichkeiten …

Joe Kutzner fiel automatisch Reinhard Habeck ein, „der Präas­tronautiker im Club“, der freilich in Wien saß. Er setzte ihn auch gleich in CC. Das war am 30. August um 14.44 Uhr. Parallel dazu kontaktierte ich außerdem einen Autor, der mit mir im Autoren-Nachlassarchiv-Projekt mitwirkt und der mir in einem Telefonat vor Monaten mal von einer Unterbringungsmöglichkeit erzählt hatte, an die ich mich nun entsann … allerdings, sagte er mir um 16.03 Uhr, seien diese Räumlichkeiten in Ulm … das ist nicht eben um die Ecke. Aber das wäre immerhin ein Notnagel, dachte ich.

Um 16.19 Uhr schneite eine seeehr ausführliche Mail von Rein­hard Habeck herein. Er sinnierte, ob die Villa Fantastica in Wien oder die Phantastische Bibliothek in Wetzlar in Frage kämen. Ansonsten sah er – insbesondere wegen des sehr engen Zeit­fensters – die Chancen für Rettung eher gering … schickte aber die Info an Freunde weiter.

Ich hatte derweil schon Kontakt mit Erich Herbst von der ESPost aufgenommen, der mir nun um 20.24 Uhr ebenfalls antwortete. Er war sofort auf meiner Wellenlänge und versprach, „der Dringlichkeit des Anliegens von Alexander folgend werde ich noch heute, spätestens aber morgen eine ESPost-Info verschi­cken.“

Das tat er dann auch umgehend. Die ESPost-Info 247 mit dem Titel „Sammlungsauflösung Alexander Knörr“ schneite bereits um 21.57 Uhr in mein Mailfach hinein. Er konnte es nicht ahnen, aber die Geschichte hatte ihn schon auf schöne Weise überholt.

Um 18.11 Uhr, also gut drei Stunden früher, schickte nämlich Alexander an Reinhard, Joe und mich eine Rundmail mit folgen­der zentraler Aussage: „Vielen lieben Dank für Eure Hilfe. Mitt­lerweile hat sich Andreas Anton von der IGPP bei mir gemeldet. Sie übernehmen den kompletten Bestand.“

Umgehend gratulierten Reinhard und Joe zu der gelungenen kurzfristigen Rettung des Bestandes. Ich kann jetzt aktuell nicht sagen, ob diese Rettung durch Eigeninitiative von Alexander zu­stande kam oder ob Reinhards aktivierte Freunde dafür verant­wortlich zeichneten … aber das ist letztlich auch nicht entschei­dend. Wichtig ist der letztendliche rasche Erfolg unserer Bemü­hungen.

Rettung gelungen!

Ich kommunizierte nun diese Rettungsmeldung an Erich, der am 31. August um 10.44 Uhr die ESPost-Info 247a unter dem Label „Rettung erfolgt“ verschickte und bekanntgab, dass der Be­stand komplett von dem „Institut für Grenzgebiete der Psycho­logie und Psychohygiene“ (IGPP) übernommen werde. Dabei handelt es sich ein in Freiburg von Prof. Dr. Hans Bender 1950 geschaffenes Institut für systematische Erforschung von Grenz­wissenschaften, in die nicht zuletzt Parapsychologie und das Pa­ranormale im weiteren Sinn zählen.

Ich denke, hier wird das von Alex gesammelte Material gut auf­gehoben sein. Wie schnell es archivisch erschlossen wird, muss man allerdings sehen.

Aus diesem jäh aufgetretenen Krisenfall lernen wir meiner An­sicht nach drei Dinge ganz wesentlich, und damit befinden wir uns wieder voll und ganz im Kernbereich dieser Artikelserie:

Erstens sehen wir an diesem Ernstfall, dass ständig Situationen auftreten können, auch jenseits von jähen Todesfällen, die es er­forderlich machen, Sammlungen zu retten, zu denen eine Viel­zahl unikater Materialien gehören können.

Gerade systematisch gut erschlossene Bestände – ich gehe ak­tuell davon aus, dass dieser Materialienbestand dazu zählt, weil ich Alex als einen sehr systematischen Menschen kenne und schätze – sollten en bloc zusammen gehalten werden. Vielfach – ich habe das im Dunstkreis der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) mal mitbekommen – werden Sammlungen und Bibliothe­ken durch die Zeitläufte, Erbschaften usw. weit zerstreut und ihres ursprünglichen Ordnungscharakters völlig entfremdet. Die­se so zerstreuten Bestände später wieder zusammenzufügen, und sei es in Form einer Datenbank, kostet unendlich viel Zeit und Energie, vom Geld ganz zu schweigen. Es ist in jederlei Wei­se ratsamer, diese Bestände von Anfang an zusammen zu hal­ten, auch wenn das vielfach gerade bei größeren Materialien­sammlungen ziemlich schwierig ist.

Zweitens sehen wir an diesem Beispiel, wie ich finde, wie wich­tig es nach wie vor ist, so eine Institution wie ein Autoren-Nach­lassarchiv zu haben, das zumindest temporär als Auffangstation fungieren kann, quasi als Puffer, bis eine dauerhafte Lösung ge­funden ist. Dieses Vorkommnis zeigt mir einmal mehr, wie wich­tig es ist, diesen Plan weiter zu verfolgen und die Institution in naher Zukunft handlungsfähig werden zu lassen!

Hier gelang es durch glückliche Umstände, schnellstmöglich eine Lösung herbeizuführen, aber bitte, wir müssen uns darüber klar sein, dass es nicht immer glücken wird, so reibungslos eine Rettung zu ermöglichen. Das ist ein ausgesprochener Glücksfall, und er ist selten.

Drittens trug zu dieser Lösung unstrittig bei, dass eine gute Ver­netzung mit wichtigen Akteuren des Fandoms und der Szene existierte. Man sollte niemals unterschätzen, wie wichtig solche Kontakte sind. Zugleich macht dieser Fall deutlich, dass Streitig­keiten innerhalb der Szene für die Überlieferungslage grund­sätzlich kontraproduktiv sind. Hier gilt es, engstirnige individuel­le Egoismen auszubremsen und sich darauf zu einigen, das the­matische Hauptinteresse nicht aus dem Blick zu verlieren.

Dies ist meiner Ansicht nach ein Element, das für Sammlungs­bestände generell gelten sollte: Eine bestimmte Person, mag sie umstritten sein oder nicht, gründet eine solche Sammlung allein oder mit Partnern, aber sie sollte – und so war Alex‘ Generatio­nenbibliothek ursprünglich auch angelegt – die Lebenszeit der Gründer überdauern. Und dieser Erhalt sollte das zentrale Mo­vens sein, das uns leiten muss.

Wichtig muss für uns alle bleiben, die wir der Idee eines Auto­ren-Nachlassarchiv-Projekts verhaftet sind, dass die Materialien und die ideellen Gedanken der Kreativschaffenden für die Zu­kunft überdauern. Und wenn wieder solche Ernstfälle eintreten wie der heutige, dann hoffe ich sehr, dass uns einmal mehr eine solche wundersame zügige Rettung gelingt.

In diesem Sinne: gebt mir Bescheid, wenn ihr solche Krisenfälle herannahen seht, aus welchen Gründen auch immer. Denn meist seid ihr dann aus eigenen Kräften nicht imstande, Lösun­gen zu ersinnen, und ihr mögt euch verloren und überfordert vorkommen. Dafür ist, wie der obige Fall zeigt, Hilfe oftmals nur ein paar Mails weit entfernt.

Soviel heute zu diesem Thema. In der nächsten Woche machen wir eine kleine Abenteuerreise in meine biografische Vergan­genheit.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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