Rezensions-Blog 132: Das Mandala des Dalai Lama

Posted Oktober 4th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

ihr wisst natürlich längst alle, dass ich der Faszination des Phänomens Sherlock Holmes seit geraumer Zeit erlegen bin, alle Werke des „Kanons“ verschlungen habe, die Sir Arthur Conan Doyle zu dem legendären Detektiv verfasst hat. Und ebenso selbstverständlich ist die Geschichte damit nicht beendet worden. Sher­lock Holmes ist Kult, wie ich an anderer Stelle einmal sagte, und Kult zieht gera­dezu magisch Epigonen an.

So ist auch Sherlock Holmes´ begrenzte Lebensspanne von Nachfolgeautoren mit immer neuen Fällen, Details und Schrullen angefüllt worden, und der jüngs­te Hype um Guy Ritchies bislang zwei Sherlock Holmes-Filme bzw. die BBC-Serie „Sherlock“ oder die amerikanische Reihe „Elementary“, die Holmes´ Aktivität ins frühe 21. Jahrhundert nach New York verlagert, geben davon eindrucksvolle Kenntnis.

Aber auch das Leben des Detektivs selbst weist Lücken und weiße Flecken auf. Der wohl legendärste ist jener Zeitraum von zwei Jahren nach dem Jahre 1891, als Holmes nach der Konfrontation mit dem „Napoleon des Verbrechens“, Pro­fessor James Moriarty vermeintlich in den Reichenbachfällen in der Schweiz den Tod gefunden hatte.

Was hat er in dieser Zeit erlebt? Nach seinem Wiederauftauchen deutet er eher vage an, er sei in Indien unterwegs gewesen. Aber was das wirklich bedeutet und was schriftstellerische Phantasie daraus zu entwickeln vermag, das zeigt euch das heute vorzustellende Buch, das ich euch wärmstens ans Herz legen möchte.

Vorhang auf für Jamyang Norbu und sein alter Ego, Hurree Chunder Mookerjee. Möge das Spiel beginnen:

Das Mandala des Dalai Lama

Die Abenteuer des Großen Detektivs in Indien und Tibet

Ein Roman von Jamyang Norbu

Basierend auf den Erinnerungen von

Hurree Chunder Mookerjee

C.I.E., F.R.G.S., Rai Bahadur

(Sherlock Holmes – The Missing Years: The Adventures of the

Great Detective in India and Tibet)

Bastei 15128, April 2004

336 Seiten, 7.90 Euro

Übersetzt von Stefan Bauer

Der 24. April des Jahres 1891 brennt sich dem britischen Arzt Dr. John Watson unvergesslich in seine Seele ein, denn es ist jener Tag, an dem der lange und unerwartete Abschied von seinem Freund Sherlock Holmes beginnt: An diesem Tag sucht ihn Holmes in seiner Praxis auf und verhält sich bereits höchst eigen­tümlich. Er sieht sehr erschöpft aus, verschließt sorgsam die Läden des Zimmers, als ob er feindliche Beobachter fürchte, und beginnt Watson eine Ge­schichte zu erzählen, die dieser kaum zu glauben vermag: die Geschichte eines verbrecherischen Genies, gleichsam eines „Napoleons des Verbrechens“, eines Mannes zudem, der fast unbekannt ist und in London, etwa mit einer giftigen Spinne vergleichbar, in einem gewaltigen Netz sitzt und die Fäden in der Unter­welt zieht. Der Name des Mannes ist James Moriarty, Professor James Moriarty.

Holmes ist gewiss, diesen größten Verbrecher, gegen den er jemals gekämpft hat, in die Enge getrieben zu haben, er braucht nur noch ein paar Tage Zeit, und dafür muss er aus London fort. Zusammen mit Watson begibt er sich auf den Kontinent, bis hinauf in die Gebirgsregionen der Schweiz. Und hier, in der Schlucht der Reichenbachfälle, wird Watson durch eine List von seinem Freund fortgelockt. Als er jählings erkennen muss, was der Grund dafür ist, stürzt John Watson verzweifelt zurück zur Schlucht… und kommt zu spät. Alles, was er noch vorfindet, sind Sherlock Holmes´ Spazierstock, eine kleine metallene Tabakdose mit einigen Notizen seines Freundes und schließlich, am Ende des Pfades, zer­wühlte Erde. Der Rest ist schwindelerregender, dröhnender Abgrund. Wer hier hinabstürzt, den kann keine Macht der Welt mehr retten.

Nach Sherlock Holmes´ eigenen Worten ist dies der Moment gewesen, in dem er mit Professor Moriarty abrechnete. Eine Abrechnung, die er, wie es scheint, mit dem eigenen Leben bezahlt hat. Man schreibt den Sommer des Jahres 1891, und allein die Zeitungen berichten vom tragischen „Unfalltod“ des großen Detektivs. John Watson hingegen ist wie betäubt, und erst zwei Jahre später wird er aus der Reserve gelockt, als Moriartys Bruder die Geschehnisse bei den Reichenbachfällen verfälschen will, um seinen verbrecherischen Bruder reinzu­waschen.1

Doch wer vermag das ungläubige Staunen und die atemlose Freude zu be­schreiben, als im Frühling des Jahres 1894 sich ein seltsamer weißhaariger Bü­chernarr in Watsons Praxis buchstäblich im Handumdrehen in niemand Ge­ringeren verwandelt als in den lange totgeglaubten Sherlock Holmes, der offen­sichtlich blass und abgemagert, aber doch bei bester Gesundheit ist? Watson jedenfalls fällt prompt in Ohnmacht, wie er bekennt, wohl das erste und einzige Mal in seinem ganzen Leben.2

Vergleichsweise lakonisch macht Holmes seinem alten Freund klar, dass es für ihn an der Zeit gewesen sei, unterzutauchen. Aber wo um alles in der Welt er denn gesteckt habe? Wie das alles möglich gewesen sei? Dem guten Watson liegen zweifellos tausend Fragen auf der Zunge, indes, sein Freund beantwortet nur wenige davon. Dies ist es im wesentlichen, was er erklärt:

…Ich reiste zwei Jahre durch Tibet, besuchte Lhasa und verbrachte ein paar Tage mit dem Groß-Lama. Vielleicht, mein lieber Watson, haben Sie von der be­merkenswerten Forschungsreise eines Norwegers namens Sigerson gelesen, aber Sie haben sicher nie vermutet, dass es sich dabei um Neuigkeiten von ei­nem Freund handelt…“

Wie sollte er auch darauf kommen?

Obwohl John Watson noch zahlreiche der Aberhunderte Fälle des Sherlock Hol­mes niederschreibt, kommt er nie wieder explizit auf diese zwei fehlenden Jah­re im Leben seines Freundes zu sprechen, wiewohl er zweifellos einiges mehr gewusst haben muss, als er den Lesern des Strand Magazine später Glauben machen wollte. Die Leser mussten auf den unwahrscheinlichen Zufall warten, irgendwann einmal durch irgendwen auf Informationen gestoßen zu werden, was wohl in jener Zeit genau geschehen war.

Der Zufall kam, als der Tibeter Jamyang Norbu im Oktober 1988 sein Manu­skript zu diesem Buch in Dharamsala/Nordindien vorlegte.

Schon 1944 geboren, gehörte Norbu zu jener Generation von Indern, die früh mit den Eltern, wohlhabenden Händlern, nach der chinesischen Besetzung Ti­bet verließen. Er wuchs in Nordindien auf, ging hier zur Schule und lernte unter anderem einen Schatz kennen, von dem er vorher keine Ahnung gehabt hatte: die englische Sprache, die ihm die Werke eines Arthur Conan Doyle und, vor al­len Dingen, eines Rudyard Kipling erschloss. Und so erfuhr er auf Umwegen von einem rätselhaften norwegischen Reisenden namens Sigerson, der zu einer Zeit in Tibet gewesen sein sollte, als dort der chinesische Einfluss sehr stark war und jeder Ausländer Kopf und Kragen riskierte. Lhasa selbst galt vollends als verbo­tene Stadt, in der seit Jahrzehnten niemand aus dem Ausland mehr willkom­men gewesen war. Tibet war so abgeschieden von der Welt, als gehöre es gar nicht mehr dazu.

Und im Jahre 1892 sollte ein norwegischer Reisender dort gewesen sein?

Schwer glaublich. Doch die Mönche in Dharamsala, die 1959 mit dem Dalai Lama ins Exil geflüchtet waren… ihnen war von einer solchen Reise etwas be­kannt, wenngleich auch nicht mehr viel. Es schien keine Unterlagen zu geben, jedenfalls keine zugänglichen. Allerdings entsann sich ein Mönch, in den Archi­ven des Dreizehnten Dalai Lama auf eine kurze Notiz gestoßen zu sein, die davon sprach, es seien in der fraglichen Zeit Reisepapiere für zwei Ausländer ausgestellt worden. Nur an den zweiten erinnerte er sich: er trug den Namen „Hari Chanda“.

Norbu war wie vor den Kopf geschlagen, denn dieser Name war ihm beim bes­ten Willen nicht unbekannt – der britische Journalist Rudyard Kipling hatte die­sem Mann in dem Roman „Kim“ ein fragwürdiges Denkmal gesetzt: einem Inder in britischen Kolonialdiensten, der im wesentlichen ein recht gemütlicher Spion war, sehr beleibt und etwas tollpatschig im Umgang mit Schusswaffen. In engli­scher Schreibweise lautete sein voller Name Hurree Chunder Mookerjee, der später Gelehrter wurde und 1928 in Darjeeling in seinem Haus, der Villa Lhasa, starb.

Der Zufall wollte es weiterhin, dass bald darauf ein Erdbeben eine Wand jenes Gebäudes beschädigte und darin eine rostige Metallbüchse zum Vorschein kam, in der sich jener Bericht befand, den Norbu nun in diesem Buch der Öffentlich­keit, mit wenigen Anmerkungen versehen, präsentiert. Jener Bericht, den der gute Hurree beim besten Willen nicht zurückhalten, aber aufgrund der Ereignis­se in Tibet, an denen er teil hatte, auch nicht veröffentlichen konnte. Er hatte schließlich Sherlock Holmes sein Ehrenwort gegeben, zeit seines Lebens dar­über Stillschweigen zu bewahren.

Nun, dies hielt er auch ein.

Es war an Norbu, uns Lesern dieses Werk – ergänzt um Karten und ein reiches Glossar indischer und tibetischer Begriffe sowie ausführlicher Literaturangaben zu Doyle und Kipling – zugänglich zu machen. Und dies ist das, was Hurree Chunder Mookerjee einst an der Seite des berühmten Detektivs erlebte:

Rudyard Kiplings Artikel im Pioneer vom 15. Juni 1891 über das „Große Spiel“ brachte unvorsichtigerweise eine ganze Abteilung des indischen Geheimdiens­tes zu Fall. Die Konsequenz bestand unter anderem darin, dass Hurree Chunder Mookerjee von seinem Vorgesetzten „auf Sicherheitsurlaub“ geschickt wurde – bis man ihn zurückbeordert, damit er in Bombay einen Ausländer unter die Lupe nimmt, der sich höchst verdächtig verhält – er reist nicht, wie sonstige weiße Sahibs, mit großem Gepäck, er ignoriert die Dienste Einheimischer und… der hagere, Pfeife rauchende Norweger Sigerson, der über geradezu gespensti­sche, hellseherische Fähigkeiten zu verfügen scheint (zweifellos ist er mit Geis­tern im Bunde, das sieht man ja sofort, es KANN keine andere Erklärung geben!), wird seinerseits verfolgt!

Ist dieser Sigerson also ein Spion? Aber für wen? Oder was um alles in der Welt macht er in Indien? Zumal mit nicht viel mehr als einem Kasten, der verdächtig nach einem Geigenkasten aussieht? Warum auch trifft er sich heimlich mit Cap­tain E. Strickland, Esq.? Und schließlich: weshalb sollte der Empfangschef eines Hotels versuchen, auf grauenhafte Weise einen Mann umzubringen, den er niemals zuvor gesehen hat – eben jenen Norweger Sigerson?

All das geschieht, und jählings wird Hurree in ein Geheimnis hineingezogen, das es eigentlich gar nicht geben kann. Es dreht sich um den angesehenen Colonel Sebastian Moran, um eine tödliche, nahezu lautlose Waffe, um den Roten Tod, der die Opfer zu einem dramatischen, unaufhaltsamen Sterben verdammt, und dann ist da schließlich noch der dringende Wunsch Sherlock Holmes´, das ver­botene Land Tibet aufzusuchen.

Sowohl Strickland als auch Hurree versuchen ihn davon abzubringen, und eine Zeitlang scheint das auch wirklich zu glücken. Schließlich ist Tibet absolut verbo­tenes Gebiet, niemand, der kein Tibeter ist, kann dort hinein. Selbst Inder ha­ben – wie Hurree unangenehm am eigenen Leibe erleben musste – erhebliche Probleme!

Aber die Mörder sind und bleiben weiter auf Holmes´ Fersen, und Sherlock Hol­mes ist niemand, der sich von seinen Zielen ablenken lässt. Als schließlich auch noch eine förmliche Einladung an den großen Detektiv und seinen Begleiter und Bewacher Hurree Chunder Mookerjee ergeht, dem Dalai Lama Beistand zu leis­ten, kann Holmes nichts mehr zurückhalten: weder reißende Flüsse, Stein­schlag, meuchelmordende Thugs, Attentäter oder chinesische Soldaten können ihn davor zurückschrecken lassen, Tibet aufzusuchen.

Hier aber geraten die Gefährten erst recht ins Räderwerk der großen Politik und der zum Teil wirklich übernatürlichen Intrigen. Es geht um das Rätsel des Man­dalas des Dalai Lama, um einen abtrünnigen Lama, der in den Diensten Beijings steht… und schließlich führt die Fährte bis zu jenem rätselumwobenen Eispa­last von Shambala, dessen Tor sich nur einmal in fünfzig Jahren öffnet…

Für die Leser, die vertraut sind mit den Abenteuern des berühmtesten Detektivs der viktorianischen Zeit, ist dieses Buch gleichsam eine Offenbarung. Der sehr in feine und wunderbare Details gehende Autor Jamyang Norbu erweckt die Welt des viktorianischen Indien mit einer Intensität wieder zu neuem Leben, dass man meint, die Menschen zu sehen, durch die prächtigen Gänge der Ho­tels zu streifen und mit Holmes und Hurree zusammen über die eisigen, felsigen Pässe des Himalaya zu reiten. Wer weiß schon, dass die Bahnabteile in Indien damals keine Zentralgänge besaßen (zum Schutz gegen Diebstahl), sondern je­des Abteil über eine Tür verfügte, die nach draußen ging? Wer weiß schon um die anatomischen Wunderlichkeiten des Hirudinea himalayaca giganticus? Und so weiter und so fort…

Als Tibeter bringt Norbu außerdem eine feinsinnige, tiefe Kenntnis der indi­schen und tibetischen Mythologie mit, die sich in vielerlei Weise bemerkbar macht, zudem noch ein ausgezeichnetes Wissen über seine Heimat und die Hauptstadt Lhasa (inklusive eines schön gestalteten Stadtplanes von Lhasa aus dem Jahre 1892). Wüsste man es nicht besser, könnte man sich als Leser und als Historiker durchaus täuschen lassen, so geschickt ist das Garn von Trug und Realität gewoben worden.

Natürlich macht Norbu Anleihen, das ist unumgänglich.

Einige Anspielungen gehen offen auf den Tibetreisenden Sven Hedin zurück. Vieles weitere hat er wahrscheinlich von Rudyard Kipling entlehnt (den ich selbst bisher nicht gelesen habe), einiges ist erkennbar aus Doyles Werken selbst genommen und hier geschickt eingefügt. Dennoch – die immer wieder beeindruckenden, auf reiner Beobachtung und logischem Schließen beruhen­den Beweise des Sherlock Holmes entfalten auch hier ihre geradezu hypno­tische Wirkung und machen einen Gutteil des Romans aus. Weiteres Vergnügen kann man aus dem Verhalten und der Innenreflexion des Ich-Erzählers Mooker­jee ziehen.

So erhält man als Käufer des Buches ein Werk, das sich so flüssig und gefällig le­sen lässt, dass man sich zwingen muss, es mal ein paar Stunden ruhen zu las­sen. Der Strom der Erzählung ist zwar durchaus ein gelassener, aber doch deut­lich dramatischer als in den ursprünglichen Stories des „Kanons“, den Norbu mit deutlicher Ironie als „Heilige Schriften“ bezeichnet, also jene 56 Geschichten, die Sir Arthur Conan Doyle um Sherlock Holmes schrieb.

Und so ist auch jener kleine Fauxpas relativ zu Beginn, der nur einem aufmerk­samen Leser auffallen wird, zu verschmerzen, wiewohl er Puristen säuerlich dreinschauen lassen wird. Um was für einen Fauxpas handelt es sich? Nun, es ist ein zeitliches Problem. Es sagt nämlich Strickland im dritten Kapitel: „Wir wurden von London über den Professor [Moriarty] und seine Bande informiert. Außerdem habe ich eine recht eindrucksvolle Geschichte über die ganze Affäre im Strand Magazine gelesen.“ Da aber dort zu diesem Zeitpunkt lediglich die Berichte von John Watson über Sherlock Holmes´ Abenteuer gedruckt werden, kann sich diese Bemerkung nur auf die Geschichte „Sein letzter Fall“ beziehen. Doch schreibt Watson dort selbst: „Ich hatte mir… vorgenommen, es dabei be­wenden zu lassen und den Vorfall, der vor zwei Jahren eine Lücke in mein Leben gerissen hat, welche ich heute noch in fast ungeschwächtem Maße empfinde, nicht in den Kreis meiner Darstellung zu ziehen…“

Aus diesen Worten geht klar hervor, dass Watson diesen Fall erst im Laufe des Jahres 1893 an die Öffentlichkeit dringen lässt. Es ist mithin unmöglich, dass die Kenntnis dieser Zusammenhänge bereits zwei Jahre zuvor nach Indien gedrun­gen ist. Natürlich könnte man wieder Mycroft Holmes bemühen, Sherlocks nicht minder genialen und einflussreichen Bruder… aber ich denke, das wäre unstatt­haft. Man kann ihn nicht für alles verantwortlich machen.

Sieht man von diesem kleinen Schnitzer ab und der vielleicht etwas zu stark im letzten Fünftel des Buches bemühten metaphysischen Intervention, dann lässt sich von Norbus Werk sagen, dass es einfach ein Hochgenuss ist und zweifelsoh­ne zu den faszinierendsten und liebenswürdigsten Sherlockiana gehört, die ich kenne. Und wer weiß, vielleicht kommt dereinst noch einmal jemand aus dem Orient oder aus Afrika, um über Sherlock Holmes´ weitere Abenteuer zu schrei­ben. Über welche? Ach, lassen wir doch den Meister noch einmal selbst zu Worte kommen. Denn als er aus Tibet zurückkommt, geht Holmes nicht so­gleich nach London zurück, wahrhaftig nicht. Vielmehr „wanderte ich durch Per­sien, machte einen Abstecher nach Mekka und stattete in Khartum dem Kalifen einen kurzen, aber interessanten Besuch ab, dessen Ergebnisse ich im Foreign Office veröffentlicht habe…“3 Von seinem Aufenthalt in Frankreich und seinen chemischen Experimenten dort schweige ich an dieser Stelle.

Es gibt nichts mehr über Sherlock Holmes zu berichten? Freunde, die ihr das glaubt, ihr habt nur die Geschichten nicht richtig gelesen – dort gilt es auch weiterhin, zwischen den Zeilen zu suchen und die Aberhunderte von Fällen und Fakten herauszulesen, die von Watson nur angedeutet wurden. Oder – in Un­kenntnis ihrer Existenz – nicht mal das.

Sherlock Holmes´ Leben bleibt also spannend. Es lohnt eine Wiederentdeckung.

© 2006 by Uwe Lammers

Ihr merkt natürlich meine schwärmerische Begeisterung, die das Werk vor über zehn Jahren bei mir auslöste… und wenn ich etwas dazu sagen darf: ich finde die Rezension wie das Buch auch nach all der verflossenen Zeit immer noch ge­lungen. Das ist wirklich ein echtes Schmankerl, das man sich nicht allein als Sherlock-Fan einverleiben sollte. Den Holmsianern erschließen sich freilich die zahllosen Anspielungen deutlich besser als jemandem, der nur die Verfilmun­gen kennt.

In der kommenden Woche starten wir mal wieder richtig durch zu den Sternen. Es geht um Aliens, um rätselhafte Geheimnisse und um einen Findling, der sei­nen Ursprung sucht. Mehr zum Thema lest ihr am kommenden Mittwoch an dieser Stelle.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. Sir Arthur Conan Doyle: „Sein letzter Fall“ (The Final Problem), zuerst publiziert in The Strand, Oktober 1893.

2 Vgl. Sir Arthur Conan Doyle: „Das leere Haus“ (The Adventures of the Empty House), zu­erst publiziert in Collier’s, 26. September 1903. Es handelt sich um den Fall des Adair-Mordes und des Colonels Moran. Nach der Lektüre dieses Buches wird man jene Ge­schichte mit anderen Augen lesen…

3 Vgl. Fußnote 2.

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