Rezensions-Blog 215: Sweet Sins (2): Essenz der Hingabe

Posted Mai 8th, 2019 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

moderne erotische Romane folgen, was die Titelvergabe angeht, zumeist einem eher plumpen, banalen Zwei-Wort-Schema. Ob dies von „Fifty Shades of Grey“ (E. L. James) ursächlich ausgelöst wurde oder schon länger wenigstens im deut­schen Verlagswesen so der Fall war, sei dahingestellt. Faktum ist jedenfalls, dass ich oftmals das Gefühl hatte, solche Zweiwort-Titel wie „Gefährliche Leiden­schaft“, „Sinnliches Versprechen“ usw. würden ziemlich am Kern des Romans vorbeigehen.

Schaut man sich dagegen diese Trilogie mal allein von der Titelwahl an, wird man als Leser angenehm überrascht. Der vorliegende Titel verspricht zwar auch (ein bisschen) mehr, als er zu halten vermag, aber er besitzt zugleich eine von der obigen Schemastruktur abweichende Form, die beinahe lyrisch herüber­kommt. Gepaart mit einem äußerst anregenden Titelbild und solidem Lektorat kann man es eigentlich nur bedauerlich finden, dass der Verlag Plaisir d’Amour nach meiner Kenntnis im normalen Verlagsbuchhandel schlicht seine Produkte nicht aufstellen kann. Er muss sich hinter den deutlich einfallsloseren Titeln und Titelbildern anderer etablierter Verlage definitiv nicht zu verstecken.

Natürlich ist zu konzedieren, dass die PdA-Romane zumeist im BDSM-Milieu an­gesiedelt sind, das ist mit diesem hier ebenso der Fall. Aber das hat auch Verla­ge wie Bastei, Ullstein, Knaur, Heyne usw. nicht davon abgehalten, ähnlich the­matisch verortete Werke ins allgemeine Verlagsprogramm aufzunehmen und damit natürlich in den stationären Buchhandel zu bringen.

Für Freunde der modernen deutschen erotischen Literatur ist ein Blick ins Inter­net-Verlagsprogramm von Plaisir d’Amour unbedingt lohnenswert, er sei darum an dieser Stelle ausdrücklich empfohlen.

Im zweiten Band der „Sweet Sins“-Trilogie (die, wie ihr feststellen werdet, ei­gentlich vierbändig ist, es gibt gewissermaßen noch einen „Nachschlag“, den ich euch ebenfalls vorstellen werde) geht es wieder nach Australien zur Erotik-Agentur Sweet Sins von Renee Maurice. Und es geht um sinnliche Düfte und Parfüms, Liebe, Lust und Leidenschaft.

Neugierig geworden? Dann schaut mal weiter:

Sweet Sins 2 – Essenz der Hingabe

Von Ivy Paul

Plaisir d’Amour

300 Seiten, TB (2015)

ISBN 978-3-86495-147-3

Preis: 12,90 Euro

Monique Heillecourt ist eine französische Parfümdesignerin Mitte Dreißig, die von ihrer alten Studienfreundin Renee Maurice nach zwölf Jahren der Distanz wieder kontaktiert wird. Sie standen zwar stets in mäßigem Gedankenaus­tausch, aber die halbe Welt trennte sie. Monique lebt in Arles in Frankreich, Re­nee in Sydney am anderen Ende des Erdballs. Nun aber hat Renee, die jüngst die Erotik-Agentur „Sweet Sins“ aufzog1, ein bestimmtes Bedürfnis – sie möchte, dass ein exklusives Parfüm für ihre Agentur kreiert wird, und Monique scheint ihr die ideale Person dafür zu sein.

Monique fühlt sich geschmeichelt und nimmt die Einladung nach Australien an. Sie liebt die Herausforderung und hofft zudem, vielleicht auch das eine oder an­dere interessante sinnliche Abenteuer zu erleben, umso mehr, als sie nun Re­nees Agentur ein wenig näher kennen lernt. Dass Renee darüber hinaus seit jüngstem einen Nachtclub für erotische Vergnügungen ihr eigen nennt, bestärkt sie noch darin, und tatsächlich hat sie ein wildes Lusterlebnis mit zwei attrakti­ven Kerlen in einem Nachtclub… aber auf die nächste Überraschung ist sie dann durchaus nicht vorbereitet.

Als sie nämlich Renees Club wieder verlässt, dem sie einen Besuch abgestattet hat, um ihre dortigen Arbeitsräume zum Kreieren des Parfums näher kennen zu lernen, da wird sie kurzerhand von zwei Männern überwältigt, gefesselt und in den Kofferraum eines Wagens gesperrt, um entführt zu werden. Das ist für Mo­nique schon eine derbe Überraschung, und sie schäumt vor Zorn. Schnell klärt sich zwar, dass es sich hierbei um eine Verwechslung handelt und der dominan­te Tim und sein sadistischer Partner Steve bei „Sweet Sins“ zusammen mit einer devot veranlagten Gefährtin einen Abenteuerurlaub geplant hatten. Ihre Ge­fährtin sollte dabei den unterwürfigen Teil des Trios verkörpern, die beiden Männer jedoch die dominanten „Master“.

Zu ihrer nicht geringen Überraschung beginnt Monique die Situation Vergnügen zu bereiten. Das hat auch damit zu tun, dass sie die beiden Kerle am Vorabend schon sehr nah, doch anonym, zu spüren bekommen hat und durchaus Lust auf mehr hat.

Sie versteht sich selbst zwar eher als dominant veranlagt, weiß aber sehr wohl um ihre „Switcher“-Fähigkeiten. Das bedeutet, sie ist durchaus fähig, bei dem geeigneten Partner auch in die devote Rolle zu schlüpfen und Vergnügen daran zu finden. Und als die ursprüngliche Gespielin für Tims und Steves Urlaubswo­che nun ausfällt, springt sie kurzerhand ein, um eine Woche lang heißblütige Abenteuer als devote Gefährtin der beiden Männer zu erleben.

Es wird in vielerlei Hinsicht eine äußerst aufregende Woche mit einigen Kompli­kationen. Eine davon stürzt sie in tiefe Herzensnöte – denn ohne es eigentlich zu wollen, sprießen in ihr ernsthaft Liebesgefühle für Tim empor, und, noch schlimmer, er empfindet sehr ähnlich für sie. Dabei ist es doch ganz hoffnungs­los – sie leben auf unterschiedlichen Kontinenten und kennen sich sonst so überhaupt gar nicht. Eine desaströse Beziehungskatastrophe bahnt sich an.

Ehe sie sich über ihre chaotisch-sinnlichen Gefühle im Klaren sein können, wird das Urlaubsanwesen jedoch brüsk überfallen und Monique von zwei brutalen Kerlen kurzerhand splitternackt aus dem Ferienanwesen entführt… das ist dann tatsächlich der brüske Einbruch des Elements des Unerwarteten in den Ge­schichtenstrom…

Mit „Essenz der Hingabe“ liegt also der zweite Band der „Sweet Sins“-Trilogie von Ivy Paul vor. Nach „Arie der Unterwerfung“, wo sich die Autorin ins Musik-Business stürzte, flaniert sie hier naseschnuppernd und durchaus vergnüglich wie kenntnisreich durch das Reich der Düfte und Parfümherstellung. Durch die Blume (!) begreift man allerdings als Leser bald, woher die Inspiration gekom­men ist – aus Patrick Süskinds Roman „Das Parfum“. Das ist nicht unbedingt von Nachteil, sondern zauberte gelegentlich ein Schmunzeln auf die Lippen des be­lesenen Rezensenten.

Ivy Paul geht zwar, was die Parfümherstellung angeht, nicht sonderlich in die Tiefe, aber an zahllosen Stellen des Romans spielen Düfte und Gerüche eine massive Rolle, so dass der Titel des Romans durchaus gerechtfertigt ist. Auch wird so Moniques Persönlichkeit glaubwürdiger, während die Männerrollen da­gegen doch eher etwas blass gezeichnet wirken. Im Vergleich zum ersten Band der Trilogie fand ich die Handlungsstruktur ein wenig schlicht und nicht wirklich abwechslungsreich. Die sich entwickelnden Konflikte sind eher halbherziger Na­tur und wirken ein wenig gekünstelt, die Lösungsszenarien zeichnen sich relativ schnell ab. Ein wenig bedauerlich fand ich auch, dass zwar durch Moniques jahrzehntelange Bekanntschaft mit Renee Maurice ein winziger Blick in Renees Vergangenheit möglich wurde, aber grundsätzlich bleibt die Agenturchefin bis zum Schluss geheimnisumwittert. Der Epilog macht die Sache vermutlich noch kryptischer, taucht doch hier wieder der Journalist Nicholas Brady auf, der im ersten Band eine recht unrühmliche Rolle gespielt hat. Und seine Rolle wirkt hier durchaus nicht so, wie man sich das als Leser am Ende des ersten Teils vor­gestellt hat… zweifellos, um Renees Persönlichkeit deutlich aufzuwerten.

Wiewohl die drei „Sweet Sins“-Bände allein über den Handlungsschauplatz Syd­ney und die Agentur sowie über wenige zentrale Personen miteinander ver­knüpft sind, offenbart dieser Mittelband die Schwächen eines Mittelbandes ei­ner Trilogie. Obgleich die Geschichte um Tim und Monique geklärt wird (soviel sei, wenig überraschend, verraten), fehlen wesentliche Bestandteile zu einer ab­gerundeten Story. Der Roman lässt, ungeachtet seiner Länge, den Leser also in gewisser Weise nicht vollständig zufrieden gestellt zurück. Das ist schade… man muss darauf hoffen, dass der Schlussband der Trilogie die noch offenen Fragen klären hilft.

Klare Leseempfehlung für prickelnd-anregende Nachmittage… mit der erwähn­ten kleinen Einschränkung. Wer sich vollständig auf die Haupthandlung um Mo­nique konzentrieren will, kommt auf seine Kosten.

© 2017 by Uwe Lammers

Ich schätze es, wenn sich Autorinnen und Autoren in ihr jeweiliges Metier gründlich einarbeiten, um ihren fachlich kompetenten Protagonisten Glaubwür­digkeit einzuhauchen. Und in diesem Fall fand ich Moniques Person durchaus realistisch gezeichnet.

Auf eine witzige Weise, unintendiert, bleiben wir in der kommenden Woche im Bereich des frankophonen Sprachraums, aus dem hier Monique stammt. Es geht definitiv nach Frankreich, aber zugleich wechseln wir das Setting, indem wir uns mit Zeitreisen, Parallelwelten und historischen Paradoxien befassen. Ich deute nur mal an, dass wir uns mit einem Roman des verstorbenen SF-Autors Michael Crichton befassen, um euch schon mal auf die richtige Fährte zu locken.

Nächste Woche wird es deutlich spannender und mörderischer als dieses Mal, das kann ich versprechen.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

 

1 Vgl. dazu Ivy Paul: „Sweet Sins 1: Arie der Unterwerfung“ bzw. Rezensions-Blog 211 vom 10. April 2019.

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