Rezensions-Blog 337: Crossfire 3 – Erfüllung

Posted Februar 1st, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

emotionale Turbulenzen und verzwickte Familienverhältnisse, gepaart mit sexuell konnotierten Geheimnissen und Miss­brauchsgeschichten sind ganz offensichtlich der Stoff, aus dem sich sehr viele erotische Liebesromane speisen, wenn sie eine gewisse Mehrbändigkeit und einige tausend Seiten Gesamtum­fang erreichen sollen. Irgendwie liegt das nahe, denn die reinen sexuellen Begegnungen mögen zwar ausgiebig und varianten­reich geschildert werden, doch wünschen sich zweifellos viele Leserinnen und Leser auch einen biografischen Kontext jenseits des rein Körperlichen.

In der abenteuerlichen Beziehungsgeschichte zwischen Gideon Cross und Eva Tramell, die hier in die dritte Runde geht, kann die Autorin genau diese Form von Lesestoff und Inspirationsfut­ter liefern. Wo viele derartige romantische Romane von weniger begabten Autorinnen leicht in ein Tunnelblickschema verfallen, gelingt es ihr, durch die Vielzahl der Protagonisten und die Kom­plexität ihrer gegenseitigen Abhängigkeiten und wechselnden Beziehungsparameter, eine auf vielen hundert Seiten packende Geschichte zu entfalten. Manches Mal kam ich mir da, zugege­ben, vor wie auf stürmischer See, und die Situation konnte von Kapitel zu Kapitel drastisch die Richtung wechseln.

Langweilig wird es in diesem Roman nicht, das kann ich versi­chern. Und wer jetzt neugierig geworden ist, der lese bitte ein­fach mal weiter:

Crossfire 3 – Erfüllung

(OT: Entwined with you)

Von Sylvia Day

Heyne 54560

August 2013

480 Seiten, TB, 9.99 Euro

Aus dem Amerikanischen von Nicole Hölsken und Jens Plassmann

ISBN 978-3-453-54560-1

Die Katastrophe ist perfekt … wenn man es von der einen Seite aus betrachtet. Von der anderen Seite her ist es als finale Pro­blemlösung zu betrachten. Aber wir befinden uns hier nicht in einem billigen Setting a la Hollywood, in dem die Lösung eines Problems automatisch zum ewigen Honeymoon führt, ganz im Gegenteil. Die Lösung des Problems namens Nathan Barker führt im Falle der heißen Liaison zwischen der Werbeangestell­ten Eva Tramell und dem superreichen Besitzer von Cross In­dustries, Gideon Cross, vielmehr zu einer chaotischen Verkom­plizierung der Verhältnisse.

Das ist zu schnell für den Anfang einer Rezension? Okay, dann noch mal etwas langsamer und von vorne. Folgendes ist bislang passiert: Die 24jährige Eva Tramell ist aus San Diego nach New York gezogen, um hier in der Werbebranche Karriere zu machen, was ihr auch gut gelingt. Sie kann nichts dafür, dass die Werbe­agentur im Cross Building angesiedelt ist und sie bereits am ersten Arbeitstag dem Besitzer der Firma auffällt, eben Gideon Cross, den sie schon beim ersten Kontakt insgeheim zutreffend als „Sexgott“ bezeichnet.

Die magnetische Anziehungskraft zwischen beiden führt schnell dazu, dass sie eine glühend heiße, animalische Liebesbeziehung führen. Sie sind regelrecht besessen voneinander, und Gideon gesteht ihr rasch, dass er es nicht erträgt, zwei Tage ohne sie zu sein … nun, keine zwei Tage, ohne IN IHR gewesen zu sein, um es präziser auszudrücken. Sie vögeln wirklich ständig heißblütig, und das ist durchaus ein gegenseitiges, suchtartiges Verhalten.

Was Eva zu dem Zeitpunkt nicht klar ist, Gideon allerdings auch nicht, das ist die Tatsache, dass sie beide zutiefst verletzte Per­sonen sind, deren Familienverhältnisse … vorsichtig gesprochen … kompliziert sind. Gideons leiblicher Vater hat sich nach Fehl­spekulationen das Leben genommen, so dass er in der Familie Vidal aufgewachsen ist, in die seine Mutter anschließend einge­heiratet hat. Mit all seinen Familienangehörigen versteht sich Gideon überhaupt nicht, eine gewisse Ausnahme ist seine jün­gere Schwester Ireland, die ihn unverhohlen anhimmelt (womit er nicht klarkommt).

Eva Tramell ist ebenfalls in seltsamen Familienverhältnissen auf­gewachsen. Gezeugt von Victor Reyes, der nie mit ihrer Mutter verheiratet war und Polizist in San Diego ist, ist sie in der Fami­lie des zweiten und dritten Ehemanns ihrer Mutter aufgewach­sen – und vom Stiefbruder des zweiten Ehemanns, eben Nathan Barker, entjungfert und jahrelang sexuell missbraucht worden. Darüber wissen ihre Mutter und ihr dritter Stiefvater, Richard Stanton, Bescheid, aber nicht ihr leiblicher Vater. Dass auch Gi­deon Cross in der Kindheit sexuell missbraucht wurde, kommt erst auf Umwegen ans Tageslicht.

Außerdem birgt Evas Vergangenheit noch weitere Geheimnisse – so ein Verhältnis mit dem Musiker Brett Kline, das mehrere Monate dauerte. In Gideons Vergangenheit lauern zahlreiche Ex-Geliebte, darunter die Ex-Verlobte Corinne Giroux, die nichts unversucht lässt, um ihn zurückzugewinnen. Sie macht sich speziell in diesem Roman Evas heiße Eifersucht und ihre Unsi­cherheit zunutze und erzeugt jede Menge Probleme.

Dennoch, weder das noch die amourösen Aventüren von Evas Mitbewohner Cary Taylor, sind das größte Problem. Das ist viel­mehr das neueste Geheimnis, das Gideon und Eva miteinander teilen – denn im zweiten Band des Zyklus war unvermittelt der erpresserische Nathan Barker wieder in Evas Leben getreten und hatte unverhohlen versucht, sie und speziell Gideon zu er­pressen. Am Ende des Romans ist er dann auf einmal tot – er­mordet. Und die Polizei ermittelt sehr intensiv.

Natürlich hätten sowohl Gideon als auch Eva hinreichend Grün­de, Barker umzubringen, ebenfalls Evas Mutter (die aber zu labil dafür ist, um diesbezüglich irgendetwas zu unternehmen). Alibis werden geprüft … und es ist schließlich Eva, die die Wahrheit entdeckt: Gideon hat die „Gefahr“ ein für allemal ausgeschaltet. Er hat ihren Kindheitspeiniger kurzerhand ermordet.

Formell ist er also ein Verbrecher, selbst wenn der Mord aus ed­len Motiven geschah – um Evas Kindheitstrauma zu tilgen und zu verhindern, dass der Widerling Barker sie erneut bedrohen oder sogar umbringen konnte. So gesehen ist es eigentlich Not­wehr gewesen, wenn auch strikt ungesetzlich. Aber da Eva die Missbrauchsgeschichte generell dauerhaft begraben will, kann natürlich niemand so argumentieren. Folgerichtig müssen sie aus dem Mord ein Geheimnis machen, und das geht bekanntlich nie gut.

Die Konsequenz besteht nun darin, nach außen die Fassade auf­rechtzuerhalten, dass sie beide getrennte Wege gehen – was in realiter natürlich nicht der Fall ist. Denn natürlich gilt es, die skeptischen Polizisten auf Abwege zu leiten. Wenn Gideon und Eva ihre Beziehung beendet haben, scheint für den Besitzer von Cross Industries kein Grund mehr zu bestehen, verdächtig zu sein.

Aber inzwischen ist Eva Tramell eine öffentliche Person – nur so hat sie Nathan Barker ja wieder finden können. Und die ver­meintliche Trennung der Liebenden führt zu weiteren Turbulen­zen: Corinne rechnet sich neue Chancen auf, ihren Platz an Na­thans Seite einzunehmen. Eine ebenfalls zutiefst eifersüchtige Journalistin (die Gideons Bett ebenfalls mal geteilt hat und auf ziemlich hässliche Weise abserviert wurde) schießt sich auf Eva ein … und auch Brett Kline macht energische Anstalten, ein Wiederaufleben der Liebesbeziehung in die Wege zu leiten. Dar­an hat Eva natürlich kein Interesse, da sie den Mann ihres Le­bens längst gefunden hat, auch wenn sie ihn nun nur noch im Geheimen treffen kann. Aber wie soll man das dem liebeskran­ken Brett vermitteln, der die Wahrheit ja nicht erfahren darf …?

Und schließlich sorgt die Öffnung der Akte Nathan Barker auch dafür, dass Evas leiblicher Vater Victor Reyes von ihrem Miss­brauch erfährt und er umgehend nach New York reist – wo er auf seine Ex-Ehefrau trifft. Und das ist alles erst der Anfang äu­ßerst chaotischer Begebenheiten, die schließlich ein paar ener­gische Entscheidungen notwendig machen …

Im dritten und vermeintlich abschließenden Teil der „Trilogie“ (die ja bekanntlich fünf Bände bekommen hat), tobt noch mal das muntere Gefühlschaos durch die Seiten. Zwar hat man als Leser gelegentlich das Gefühl, dass die Autorin jetzt etwas un­angemessen viel Raum auf Nebenpersonen und Nebenhandlun­gen verwendet, aber ich kann nicht behaupten, dass das lang­weilig geworden wäre. Es ist vielmehr durchaus erfrischend, und man bekommt jenseits des sexuellen Liebeswahns der beiden Hauptpersonen noch deutlich mehr mit, was ringsherum noch so an Leben vor sich geht.

Da ist beispielsweise die Empfangssekretärin der Werbeagentur, Megumi, die so ihre Schwierigkeiten mit Beziehungen hat. Ire­land Vidal (so heißt sie wahrscheinlich wirklich, ich glaube, ich habe sie zwischendurch mal Ireland Cross genannt) erhält lang­sam Format. Cary Taylor und seine verwirrende bisexuelle Dop­pelbeziehung zu Trey (männlich) und Tatiana (weiblich) bleibt uneinheitlich. Corinne Giroux gerinnt allmählich zur immer tragischeren Figur, insbesondere, als dann auch noch ihr formel­ler Ehemann aus Frankreich anreist und mit Gideon zusammen­kracht. Auch das Arrangement der konspirativen Treffen, die Gi­deon Cross und Eva inszenieren müssen, um sich sehen und lie­ben zu können, ist nicht ohne Reiz.

Nein, es wird definitiv nicht langweilig in diesem Roman, das kann man nicht behaupten. Und es tauchen neue Rätsel und Komplikationen auf. Dies allerdings, wie eine Leserin in einem Kommentar auf „lovelybooks“ kundtat, allein mit den Worten „wieder versucht jemand, Eva und Gideon auseinander zu brin­gen“, zu charakterisieren und unverhohlen Enttäuschung zu ventilieren, scheint mir zu kurz zu greifen. Es geschieht hier schon deutlich mehr, und man dringt als Leser/in tiefer in das geheimnisvolle Wesen von Gideon Cross ein.

Da gibt es durchaus noch mehr zu entdecken, und ich bin mal sehr gespannt, wie die Geschichte im vierten Band weiter ver­läuft – denn nun wollen Cary Taylor und Eva nach San Diego, zum einen, um Evas Vater zu besuchen und ihren gemeinsamen ehemaligen Therapeuten. San Diego ist aber auch der Ort, wo Eva unweigerlich wieder auf Brett stoßen wird, der sich ja nach wie vor sehnsüchtig erhofft, sie wieder in sein Bett ziehen zu können … Probleme sind eindeutig programmiert.

Also, Freunde, es bleibt spannend. Und man merkt schon am schieren Umfang dieses Romans und der Tatsache, dass die Tri­logie „ausgeufert“ ist, dass die Autorin einen Heidenspaß daran hatte, die biografischen Verästlungen weiter zu verfolgen, was meist ein gutes Zeichen ist. Herausgekommen ist ein Roman, den man mühelos in vier Tagen verschlingen kann und den ich als wirklich gutes Lesefutter einstufe. Voraussetzung ist natür­lich, dass man Eva und Gideon mag. Aber wer das nicht tut, hat eh nach dem ersten Band aufgegeben. Alle anderen können weiter gespannt bleiben …

© 2018 by Uwe Lammers

Ja, anfangs dachte ich, dies sei der Schlussband einer Trilogie, nicht zuletzt des Titels wegen. Aber weit gefehlt. Zwei weitere Romane folgen noch.

In der kommenden Woche geht es zurück zu einem leider nicht mehr unter uns weilenden Großen der amerikanischen Science Fiction-Literatur und seinen faszinierenden Einfällen aus den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Bleibt neugierig, Freunde!

Bis bald, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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