Rezensions-Blog 368: …und morgen die Sterne

Posted September 7th, 2022 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

in den Beständen meiner vor langer Zeit rezensierten Bücher finden sich nach wie vor immer wieder SF-Romane, die manch einer von euch vielleicht als angestaubt empfinden mag. Sei es, weil man sie nur noch antiquarisch bekommen kann, sei es, dass die ganzen Buchreihen eingestellt wurden, in denen sie einst erschienen oder weil die Autoren, die sie schrieben, heute quasi unbekannt sind.

Ich bin dennoch der Ansicht, dass zu einer guten qualitativ durchwachsenen Rezensionsbasis in diesem Blog auch durch­schnittliche oder seltsame alte Romane zählen. Diese Rezensi­on, die ich vor über 20 Jahren schrieb (und der Roman hatte da­mals schon mehr als 20 Jahre auf dem Buckel, sodass einige Le­ser meines Blogs von heute damals noch nicht mal geboren wa­ren!). Leider ist die Rezension damit schon wieder so alt – wir hatten das Problem beim „Zeitriss“ jüngst schon einmal – , dass ich damals die bibliografischen Daten wie die ISBN nicht mit re­gistrierte. Das Buch ist nicht mehr in meinem Besitz, darum kann ich das nicht eben schnell nachtragen.

Gleichwohl lasse ich diese Rezension einfach mal auf euch los. Sie handelt von dem Versuch der Menschheit, zu den Sternen vorzustoßen, um so das Überbevölkerungsproblem zu lösen (manche Dinge ändern sich interessanterweise auch in 40 Real­jahren nicht, wenngleich die hier skizzierte Lösung doch einiger­maßen simplifizierend wirkt). Und davon, wie die etablierten Ali­enmächte im erdnahen Weltraum genau dieses zu verhindern suchen.

Neugierig geworden? Dann schaut mal weiter:

…und morgen die Sterne

(OT: The World I left behind me)

von William Walling

Bastei 22030, 1981

240 Seiten, TB

Übersetzt von Harro Christensen

Es ist doch eine sowohl faszinierende wie abenteuerliche Unter­nehmung, der überbevölkerten Erde zu einer Möglichkeit zu ver­helfen, andere Sterne zu erreichen. Das ist nichts Geringeres als das Ziel des ehrgeizigen Projekts Demeter, das auf einer erdfer­nen Station auf dem Asteroiden Ceres betrieben wird. Unter größter Geheimhaltung, versteht sich, denn die Bevölkerungssi­tuation der Erde ist zum Zerreißen gespannt, die Drittweltstaa­ten stehen davor, den Industrienationen offen den Kampf anzu­sagen. Ein Projekt wie Demeter, dem die meisten keine Erfolgs­chancen voraussagen, wäre genau der Zündfunke, der dem schwelenden Konflikt von der Latenz zum Ausbruch verhälfe.

Geleitet von Dr. Alexis Lemmon, Tochter eines Nobelpreisträgers und Erbin eines respektablen Vermögens, gerät das Unterneh­men unversehens durch einen sehr seltsamen Zufall ans Licht des Tages. Doch dafür sind keine irdischen Geheimagenten ver­antwortlich, sondern Aliens.

Auf der Erde-Luna-Station und in dem benachbarten Astrono­miesatelliten Hubble bekommen nacheinander mehrere mitein­ander befreundete Wissenschaftler, darunter auch der Ich-Er­zähler der Geschichte, Roger Shore, Besuch von einem unheim­lichen Kerl, der sich „Smith“ nennt und sie auf eine unwider­stehliche Weise ausfragt. Zuletzt eben auch nach Plänen für ein überlichtschnelles Raumschiff. Shore weiß davon gar nichts, doch das ist bei seinem Vorgesetzten Paul Nobotts ganz anders.

Als sie zudem entdecken, dass niemand diesen Mr. „Smith“ fin­den und man nicht mal seine Stimme auf Tonbandaufzeichnun­gen hören kann, wird klar, dass sie offenbar einen extraterrestri­schen Kontakt gehabt haben. So kommt es dazu, dass Shore und sein Kollege Jeff, „der Maharadscha“ Mitglieder von Projekt Demeter werden und sich schließlich auf Ceres wiederfinden.

Damit beginnen die Schwierigkeiten aber erst richtig.

Während nämlich „Smith“ ein eher umgänglicher Genosse zu sein scheint, der sie in gewisser Hinsicht in ihren Bestrebungen unterstützt, taucht ein anderer Außerirdischer auf, der mit ähnli­chen Mitteln agiert, aber weitaus rabiater ist. Seine erste Aktion führt zum Zusammenbruch von Demeter, weil die Teilnehmer von offenkundigem Wahnsinn geplagt werden. Ceres muss in al­ler Hast geräumt werden, die Wissenschaftler wandern monate­lang in eine psychiatrische Anstalt, wo sie nur ein aberwitziger Zufall davor bewahrt, den Rest ihres Verstandes einzubüßen.

Aber sie haben nicht aufgegeben. Jetzt sind die kleinen Mensch­linge mehr denn je daran interessiert, es „Stinky“, wie sie den Bösling von den Sternen wegen seines Gewürzgeruches nen­nen, zu zeigen. Allerdings hat dieser eben sowenig aufgegeben, und seine Hartnäckigkeit stellt das ganze inzwischen abenteuer­liche Projekt und dessen Durchführbarkeit infrage und bringt alle Beteiligten an den Rand der Vernichtung …

…und morgen die Sterne“ ist ein sehr lesbares, geschickt ge­schriebenes Buch, das, wenn man es auf den Kern reduziert, ei­gentlich nicht viel Neues erbringt, aber dabei recht unterhalts­am vorgeht. Der Vorstoß der Menschheit zu den Sternen und der Versuch der etablierten, intelligenten Alien-Rassen, eben­dies zu verhindern, ist uralt. Die onkelgleiche Gönnerhaftigkeit der Aliens ist auch nicht neu, und der aufgestachelte Wider­standsgeist der Wissenschaftler ist sehr vorausberechenbar. Ebenso sieht es mit den Hindernissen aus, die ihnen menschli­cherseits in den Weg geworfen werden.

Was mich an dem Roman dennoch schmunzeln ließ, waren die zum Teil wirklich angenehm gezeichneten Gestalten (wobei Dr. Lemmon manchmal etwas arg klischeehaft reagiert). Die realis­tische Hartnäckigkeit der telepathisch begabten Aliens wirkte ausgesprochen menschlich, ihre moralisch bedingten „Vorwar­nungen“ begannen mich nach einer Weile jedoch zu nerven (hätte Walling das aber nicht getan, wäre der Roman auf Seite 84 zu Ende gewesen, und das war definitiv zu früh). Auch die meist sehr behutsame Lovestory half beim Lesen, keine Frage, ein wichtiges Handlungsmoment, das durchaus etwas akzentu­ierter hätte ausgeführt werden können.

Ich habe allerdings an dieser Geschichte, besonders im vorde­ren Drittel, deutlich gemerkt, dass der Autor, wenn er schon selbst vielleicht kein Astrophysiker ist, doch seine Hausaufga­ben ausgezeichnet gemacht hat. Vieles, was er dort über Astro­physik, Quantentheorie und dergleichen bringt, hat in jeder Hin­sicht Hand und Fuß. Man nimmt dem Ich-Erzähler Shore seinen Status ab, was in vielen Geschichten sonst eher nicht der Fall ist. Das ist wichtig für die Plausibilität des Romans.

Allerdings hört der Roman meiner Ansicht nach entschieden zu früh auf, und der englische Titel ist ebenso verquer wie der deutsche. „Projekt Demeter“ wäre zweifellos in beiderlei Hin­sicht der passendere gewesen. Insgesamt würde ich konstatie­ren, lässt sich der Roman auch nach über 20 Jahren immer noch recht angenehm als kurzweilige Unterhaltungslektüre lesen, wer aber wirklich was über Erstkontakte und Reisen zu anderen Sternen lesen möchte, sollte zu anderen Büchern greifen.

© 2002 by Uwe Lammers

In der nächsten Woche nähern wir uns der Gegenwart wieder deutlich an … und dem Thema der kontrafaktischen Geschichte. Versprochen: das wird wirklich spannend!

Bis dann mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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