Rezensions-Blog 450: Perfect Passion 4 – Feurig

Posted April 3rd, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

es ist so ein Kreuz mit den Royals … manche halten sie auch in der heutigen Zeit für unglaublich wichtig, insbesondere wenn es kleinste Details ihres Privatlebens in die Klatschpresse schaffen. Aus für mich nicht recht nachvollziehbaren Gründen scheinen sich Artikel, Filme und Romane über Royals, seien es die realer Königshäuser oder fiktiver Dynastien und Staaten, einfach un­glaublicher Beliebtheit zu erfreuen.

Nun, ich fremdele mit derlei Sujets durchaus (ihr werdet das beizeiten erleben, wenn ich den „Royal“-Zyklus von Geneva Lee vorstelle, den ich vor einiger Zeit gelesen habe … und der defi­nitiv SEHR viel erotischer ist als der vorliegende). Darum zog ich auch ein wenig eine lange Miene, als ich den Klappentext dieses Romans schmökerte. Er ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Griffin Verdi IST ein Royal, da beißt die Maus keinen Faden ab. Und da wir uns in einem Romanzyklus befinden, in dem sich die Autorin stark an Disney-Settings anlehnt, haben wir es natürlich mit einem Royal zu tun, der sich letzten Endes in eine „Bürgerli­che“ verguckt.

Das ist immer noch nett und humorvoll zu lesen, weil Autorin und Übersetzerin konstant blieben. Aber sonst …?

Nun, seht es euch am besten selbst an:

Perfect Passion 4 – Feurig

(OT: Once Upon a Billionaire)

von Jessica Clare

Bastei 17325

336 Seiten, TB (2015)

Aus dem Amerikanischen von Kerstin Fricke

ISBN 978-3-404-17325-9

Griffin Verdi hat es nicht leicht – ja, er ist Milliardär. Ja, er hat sein nettes, mit Büchern vollgestopftes Haus am Rande des Central Parks, und er kann sich auf seinen Diener Kip voll und ganz verlassen. Das ist absolut nicht das Problem. Seine Schwierigkeiten sind familiärer Natur, und sie werden akut, als seine Cousine Alexandra heiratet.

Niemand in seinem direkten Umfeld macht sich eine Vorstellung davon, inwiefern das für ihn problematisch sein könnte. Griffin gilt als Denker, Grübler und Forscher, finanziert mäzenatisch ar­chäologische Ausgrabungen (aktuell etwa in Cadiz in Spanien), und über sein Privatleben breitet er üblicherweise den Mantel des Schweigens. Seinen Freunden vom Geheimclub der Milliar­däre ist nur soviel klar, dass er wahnsinnig etikettenbewusst ist und als absoluter, humorloser Snob gilt.

Die wahren Probleme liegen indes deutlich tiefer. Griffin ist ade­liger Abkunft und direkt verwandt mit dem Königshaus des süd­osteuropäischen (fiktiven) Kleinstaates Bellissime, der struktu­rell an Monaco angelehnt worden ist. Seine Mutter ist die Re­gentin Sibylla-Louise, die enorm viel Wert auf Etikette legt und Griffin allein schon deshalb in der Erbfolge auf Rang 9 zurückge­stuft hat, weil er es gewagt hat, in Amerika zu studieren, nach­dem er bereits in England auf dem Internat war. Und erst recht hat seine Mutter es ihm nicht verziehen, dass Griffin, eigentlich amtlich Viscount Montagne Griffin Verdi, sich in den USA bei den „unkultivierten“ Amerikanern niederließ und dann auch noch die Dreistigkeit hatte, ein Vermögen zu machen. Ein Vermögen, durch dessen Zuschüsse zum Staatshaushalt von Bellissime es möglich wird, dass Griffins dortige Adelsfamilie ihre Paläste und den Schwarm von Dienstboten finanzieren kann. Dennoch kann Griffin Dankbarkeit von dieser Seite dafür nicht erwarten. Das geziemt sich einfach nicht.

Griffin empfindet Bellissime folgerichtig auch als einengend und nachgerade klaustrophobisch, die Kleidungsvorschriften und Eti­kette als altbacken … aber er weiß halt auch, was sich gehört, erst recht jetzt zur Heirat seiner Cousine, der Kronprinzessin Alexandra Olivia III., Herzogin von Beaulac und rechtmäßigen Erbin des Thrones. Und glücklicherweise weiß sein Diener Kip das ebenfalls, der ihn begleiten soll.

Dann geschieht die Katastrophe: Kip wird unvermittelt krank und fällt aus, die Reise kann aber nicht mehr verschoben wer­den. Einigermaßen verstört sucht Griffin Verdi nach Ersatz und ist so leichtfertig, sich dabei auf den Ratschlag von Gretchen Petty, der neuen Lebensgefährtin seines Milliardärskollegen Hunter Buchanan zu verlassen (vgl. Bd. 2 der Reihe „Perfect Passion“1). Sie empfiehlt ihm Hunters momentan abkömmliche Sekretärin Maylee. Hunter hat die Grippe und könne sowieso nicht arbeiten. Griffin nimmt an, ohne Maylee jemals gesehen zu haben.

Als Maylee Meriweather, die ebenfalls im zweiten Band der Rei­he einen kurzen und überaus chaotischen Auftritt hatte, bei Griffins Privatjet ankommt und die Reise beginnt, geht von An­fang an alles schief. Maylee ist ein liebes, nettes Mädchen mit einem sonnigen Gemüt und unglaublich freundlich. Aber sie ist eben auch bitterarm, haust in einem heruntergekommenen Bil­ligzimmer in New York und schickt quasi jeden Cent, den sie verdient, an ihre Familie in den Südstaaten der USA. Was bedeu­tet: für angemessene Kleidung hat sie kein Geld und keinen Blick. Und von Etiketten, zumal in einer Adelsgesellschaft, hat sie schon gar keinen blassen Schimmer. Dann begeht sie zudem noch aus Nervosität und Flugangst den Fehler, sowohl die ange­botenen Cocktails der Stewardess zu trinken UND ihre Medizin gegen Flugangst zu nehmen – etwas, was man grundsätzlich nicht tun sollte.

Daraufhin wird sie völlig unberechenbar, verliert die Kontrolle über ihre Contenance und fällt vollständig aus der Rolle, bis sie schließlich schluchzend auf dem Schoß des völlig fassungslosen Griffin sitzt, der Gretchen zu hassen beginnt und Maylee am besten in London beim Zwischenhalt herauswerfen möchte. Nicht nur, dass Maylee ihn auch mit klarem Verstand immer falsch als „Mr. Griffin“ anredet (im umnebelten Zustand phanta­siert sie, sein Name sei Gryffindor, und das Internat, auf dem er in England gewesen sei, müsse natürlich Hogwarts gewesen sein – und es gibt eine Menge mehr solche abenteuerlichen Stellen, bei denen man als Leser hemmungslos kichern muss).

Sie ist auch sonst eine vollständige Katastrophe. Sowohl was die Kleidung angeht, ihren Akzent, ihre Haare, ihre chaotische Form der Organisation … einfach gar nichts stimmt. Und in Bellissime wird es nur noch schlimmer, weil es von Paparazzi nur so wim­melt und Griffin sich diesen scheußlichen Etiketten unterwerfen muss … und Schadensbegrenzung zu betreiben hat, weil Maylee so überhaupt nicht in die Gesellschaft passt.

Anfangs jedenfalls.

Dann fallen ihm seltsame Dinge auf.

Zum einen kann Maylee perfekte Krawatten binden. Außerdem sind die Angestellten des Hotels, in dem er absteigt, alsbald ei­genartig höflich zu ihm und gar nicht so belästigend wie sonst. Er kann sich das nicht recht erklären, und es dauert eine ganze Weile, bis er zu verstehen beginnt, dass Maylee mit den Ange­stellten redet, ihnen von ihrem wenigen Geld (!) Trinkgelder spendiert und zudem mit ihnen Strategien abspricht, durch die Griffin mehr Privatsphäre bekommt. Das ist alles seltsam … schön.

Und dann ist da noch die Sache mit Maylees spiritueller Hei­lungsgabe, die ihren positiven Ruf noch weiter festigt. Eine Gabe, die Griffin nicht recht glauben kann, die aber tatsächlich existiert.

Im Laufe der nächsten Zeit – während er sich sehnlichst nach Cadiz zur Ausgrabung sehnt, aber, der Etikette wegen, natürlich nicht aus Bellissime fort kann – gewöhnt er sich immer mehr an diese seltsame Frau, in deren Nähe es ihm irgendwie … ja … gut geht. Und langsam aber sicher beginnt sie ihn sogar zu erregen. Mit ihrem seltsamen, aus militärischem Tarnstoff handgeschnei­derten Sackkleid. Mit diesen unmöglichen Kräusellocken. Mit diesen strahlenden Augen und dem staunenden Gesicht. Er be­ginnt schließlich sogar erotisch von ihr zu fantasieren, was sich nun wirklich gar nicht gehört. Doch nicht mit einer Bürgerlichen … seiner Assistentin auf Zeit … also nein! Aber Griffin kann wirklich nicht gut mit Menschen umgehen, und ständig scheint er Dinge zu tun und zu sagen, die dieses herzensgute Mädchen vor den Kopf stoßen, auch wenn er das gar nicht böse meint.

Und schließlich, als sie beide sich schon sehr, sehr nah gekom­men sind, geschieht jenes Missgeschick, das zur sofortigen Flucht der sonst so wackeren, nun aber tränenüberströmten Maylee führt …

Ich gebe zu, ich habe es nicht so mit Royal-Geschichten. Ich fin­de die feuilletonistische Besessenheit der Boulevard-Medien von europäischen Königshäusern wenigstens peinlich, eher noch be­denklich. Wir sollten doch, meine ich zumindest, in einer Zeit le­ben, in der wir uns nicht mehr nach gekrönten Häuptern und dy­nastischen Familienstammbäumen zurücksehnen. Aus der Zeit sind wir seit über hundert Jahren gründlich heraus. Aber diese Sehnsucht scheint auch im modernen Buchmarkt immer noch sehr weit verbreitet zu sein, und Jessica Clare verirrt sich im vorliegenden Roman auf dieses Terrain.

Wie gewohnt ist das nicht ohne Charme und Witz, und Maylee ist wirklich eine süße, frohgemute Person. Aber Griffin Verdi wie­derholt als „Mann mit Stock im Arsch“ zu beschreiben, trifft sei­nen Charakter leider auch sehr gut, und er steht ihm etwa auf 80 % der vorliegenden Seiten vollständig im Weg und damit auch einer gemeinsamen erfolgreichen erotischen Beziehung mit Maylee, die das Endziel der Geschichte ist.

So interessant ich es auch fand, dass so spät noch ein fiktives europäisches Fürstentum erschaffen wird – ich dachte, so etwas ist bald nach der Abfassung der Doc Savage-Romane nahezu vollständig ausgestorben – , so wenig wirklich erotisch ist der vorliegende Roman dann geraten. Bis die beiden nach endlosen Adaptionsschwierigkeiten endlich mal intimer miteinander wer­den, vergehen Hunderte von Seiten, ohne Witz.

Wer also lesen möchte, wie ein anfänglich unglaublich steifer Aristokratenspross allmählich etwas auftaut und sich ein Herz fasst, endlich mal seine Gefühle auszuleben, der mag den Ro­man total begeistert verschlingen. Wer denkt, er käme hier ero­tisch so auf seine Kosten wie in den ersten beiden Romanen der Serie, der ist vollständig auf dem Holzweg und wird wohl mehr­heitlich ein langes Gesicht ziehen.

Mir kam es daher ein bisschen so vor, als sei der Autorin etwas der Themenfokus verrutscht. Sie ist, wie erwähnt, noch witzig und durchaus lesenswert, ja, aber wer für Royals und absurde Etiketten-Rituale nicht viel übrig hat, wird hiervon vermutlich eher angeödet sein. Allein die nette Maylee und ihre menschli­che Direktheit (die leider oft mit Füßen getreten wird) hellen diesen sonst doch recht trübsinnigen Roman etwas auf. Abgese­hen von dem auch hier vorhandenen Humor entwickelt sich doch in diesem Roman nur herzlich wenig, und das auch nur äu­ßerst zäh – was vielleicht realistisch sein mag, aber nicht richtig lesenswert.

Sorry, Jessica, ich kann hier nur eine eingeschränkte Leseemp­fehlung für Leser wie mich geben. Mit Abstand der bisher schwächste Roman der Reihe.

© 2019 by Uwe Lammers

Im Nachhinein fragte ich mich, ob wohl die Autorin sich bei dem Namen Maylee an den Bond-Film „Goldfinger“ erinnert hat. Das will mir nicht völlig undenkbar erscheinen. Auch dort erscheint eine asiatisch-stämmige Bordbedienung namens Maylee. Sonst ist mir der Name eher nicht geläufig.

In der kommenden Woche wechseln wir, da ich ja jetzt bei der Sigma Force von James Rollins eine Weile pausiere, wieder zu ei­nem Altmeister der Action-Romane, um den ich mich im Rezen­sions-Blog 312 das letzte Mal gekümmert habe.

Wann das war? Oh, das kann ich euch ganz genau sagen, das war am 17. März 2021, also vor fast 3 Jahren. Die Rede ist von Clive Cussler. Und um welchen Roman von ihm es sich in der kommenden Woche handelt, da lasst euch mal überraschen …

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Vgl. dazu den Rezensions-Blog 442 vom 7. Januar 2024.

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