Rezensions-Blog 457: Der Tod ist nur der Anfang

Posted Mai 21st, 2024 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

wem sich bei solch einem Titel sofort gewisse Filmassoziationen aufdrängen, der ist höchstwahrscheinlich genau im richtigen Setting gelandet. Genau, es geht um einen legendären Ge­heimagenten, der sich mit lässiger Nonchalance stets vorzustel­len pflegt:

Mein Name ist Bond. James Bond.“

Und damit sind wir genau im vorliegenden Roman. Wir befinden uns im klassischen Romankanon von Ian Fleming und müssen von den filmischen späteren Eindrücken deutlich abstrahieren. Sehen wir die Hauptperson also als den jungen Sean Connery vor uns, wie er vor dem Dreh des Films „Man lebt nur zweimal“ dargestellt wurde, und wir gewinnen einen guten Eindruck von der Intention des Autors.

Es gibt klassische Schurken mit finsteren Absichten und egoma­nischen Höhenflügen. Es gibt skrupellose Verbrechen. Es tau­chen schöne, geheimnisvolle Frauen auf und undurchsichtige Verbündete … ergänzt um farbenprächtige Settings insbesonde­re des Iran während des Schah-Regimes haben wir das Panora­ma des Romans vor uns.

Machen wir uns auf, den brutalen Dr. Julius Gorner und seinen wahnsinnigen Plan kennen zu lernen, das britische Empire zu vernichten … oder vielleicht auch die ganze Welt, wie wir sie kennen:

Der Tod ist nur der Anfang

(OT: Devil May Care)

Von Sebastian Faulks

Heyne 43414

352 Seiten, TB, 2009

ISBN 978-3-453-43414-1

Aus dem Englischen von Jürgen Bürger

Mit diesem klassischen James Bond-Roman begeben wir uns in die turbulenten 60er-Jahre und in den Kanon der alten Bond-Abenteuer, die noch Ian Fleming schrieb. Das ist deshalb als Vorbemerkung wichtig, weil bekanntlich die Verfilmungen den alten Romanstoff gründlich verändert haben, hier ist es essenzi­ell wegen zahlreicher Querverweise im Roman, den klassischen Kanon im Blick zu halten. Bond tritt hier relativ bald nach sei­nem Fall in Japan, den Fleming in „Man lebt nur zweimal“ the­matisierte und in dem Bond bekanntlich sein Gedächtnis verlor und er völlig ausgebrannt und vom Dienst demoralisiert war, als gründlich desillusionierte Person in Erscheinung. Vom Agenten­leben möchte er eigentlich nichts mehr wissen und hält sich in Paris auf, um sich weiter zu erholen, derweil er unter ärztlicher Kontrolle steht.

M will ihn zurück. Bond ist zögerlich und eher unwillig.

Die weltpolitische Lage entwickelt sich derweil unschön, vor­sichtig gesprochen. In Fernost eskaliert der Vietnamkrieg. Die amerikanische Regierung versucht mühsam, die Briten mit zu engagieren, aber die Krone möchte mit derlei Verwicklungen nichts zu tun haben, sie haben hinreichend Konflikte mit den Russen und dem Kalten Krieg in Europa.

In diesem Klima trifft der unwillige James Bond zunächst auf die attraktive Russin Larissa Rossi, die seine Libido wieder weckt. Und dann auf den brutalen Dr. Julius Gorner mit seiner missge­stalteten Hand, der die Skepsis des britischen Geheimdienstes auf sich gezogen hat. Vom Dienst auf Gorner angesetzt, erweist sich eine erste, eher sportliche Konfrontation mit Gorner schon mal als durchaus unschön. Allerdings hilft ihm eine faszinieren­de Frau namens Scarlett dabei, Gorners Trickmanöver zu dessen Nachteil ausfallen zu lassen.

Scarlett handelt nicht uneigennützig, wie sie James Bond bald gesteht: Sie hasst Julius Gorner abgrundtief und hat jeden Grund dafür – nach ihren Worten ist er tief in internationalen Drogenhandel verstrickt und hat ihre Schwester Poppy zu seiner gefügigen Sklavin gemacht, die er mit Drogen in Abhängigkeit zwingt. Seit Monaten, so erklärt Scarlett, sei der Kontakt zu Pop­py abgerissen, und sie fürchtet das Schlimmste … und würde gern Bond engagieren, ihre Schwester zu befreien und Gorner, den sie beide für ein Ungeheuer halten, angemessen zu bestra­fen.

So funktioniert das Geheimagentenleben aber natürlich nicht. Interessanterweise zeigt sich im Fortgang des Romans aber, dass es der Dienstauftrag des MI-6, Julius Gorner auszuforschen, möglich macht, auch Scarletts Wünschen durchaus nachzukom­men.

Alsbald reist Bond in das Persien des Schahs, das sich von dem heutigen Iran noch grundlegend unterscheidet. Hier prallt er dann mit einem amerikanischen Agenten namens Silver zusam­men, der ihm dringend nahe legt, die Finger von Gorner zu las­sen. Und dann taucht überraschend Poppy auf und erklärt ihm hastig, sie sei der Überwachung kurz entkommen, und Bond sol­le unbedingt Gorner umbringen, sobald es möglich sei, da er ei­nen furchtbaren Plan habe, den er alsbald in die Tat umsetzen wolle.

Nur ist es für derlei Handlungsweise zu spät, als sowohl Bond als auch Scarlett nun ebenfalls in Gorners Gewalt geraten und dieser ihnen seinen sinistren Plan enthüllt, der sich aus fanati­schem Hass auf das britische Empire speist – und sehr leicht den Dritten Weltkrieg auslösen kann …

Am Anfang dieses Romans ist wirklich noch nicht absehbar, wie dramatisch er sich in der hinteren Hälfte entwickelt, infolgedes­sen brauchte ich auch wirklich lange, um ihn durchzuschmö­kern. Aber mit der Zeit stellt sich beim Leser eine gewisse Faszi­nation ein. Wenn die Kritik sagt „Ein Rendezvous mit einem Sean Connery auf Papier“, so ist das durchaus treffend. Das Ge­fühl hatte ich beim Lesen auch. Wir finden hier einen Bond vor, der reichlich dem Tabak und Alkohol zuspricht, jemand, der eine nüchterne, fast desillusionierende Sichtweise auf das Agenten­leben hat, ganz so also, wie Fleming einst den 007-Agenten be­schrieben hat.

Wer natürlich die Filme kennt, wird deutlich sehen, wo sich Se­bastian Faulks hinsichtlich der Topoi bedient hat. Das manipu­lierte Tennisspiel Bond – Gorner erinnert nicht ohne Grund an die betrügerischen Spiele eines Auric Goldfinger, auch die spä­tere Flugzeugkampfszene ist unübersehbar davon inspiriert. Der Zug-Zweikampf trägt überdeutliche Anleihspuren an „Liebesgrü­ße aus Moskau“ oder „Leben und sterben lassen“. Felix Leiter wird hier so beschrieben, wie er nach dem Haiangriff im Film „Lizenz zum Töten“ war … allerdings hat er hier tatsächlich Gliedmaßen verloren und trägt Prothesen, was seine Kampffä­higkeiten doch beeinträchtigt.

Das Ende geriet mir dann allerdings doch ein wenig zu sehr aus dem Gleichgewicht. Da zeigte sich, dass der Autor von Atom­waffen zu wenig verstand. Und so manche raffiniert eingefädel­te Winkelzüge, die besonders die Frauen in der Geschichte be­trafen, erwiesen sich am Schluss als so durchsichtig, dass ich beim Lesen lächeln musste und sie nur bedingt zu überraschen vermochten.

Gleichwohl handelt es sich, hiervon abgesehen, um einen schön durchdachten, mit ausgezeichneter Kenntnis des jeweiligen Lo­kalkolorits durchgestalteten Agentenroman, der das Flair der 60er-Jahre und die intrigante, durchaus paranoide Einstellung der Geheimdienstwelt von einst passend einfängt. Wer die klas­sischen Bond-Romane von Ian Fleming geliebt hat, wird mit die­sem hier sicherlich durchaus zufrieden sein. Warum es der Ver­lag allerdings notwendig fand, zu schreiben „Sebastian Faulks schreibt als Ian Fleming“ auf das Titelblatt zu drucken, bleibt rätselhaft, ebenso der in jeder Hinsicht unpassende Titel, der einfach nur modernen Bond-Filmtiteln angepasst wurde. Das rote Mohnblütenhaar der Frauenfigur auf dem Cover hingegen ist äußerst angemessen.

Eine eindeutige Leseempfehlung für Fans des klassischen Bond!

© 2023 by Uwe Lammers

Das war schon ziemlich dramatisch, hm? Versprochen, so ist es natürlich nicht immer. Nächste Woche folgt dann die Beruhi­gungstablette, damit ihr wieder besser schlafen könnt. Dann führe ich euch in den Abschlussband von Jessica Clares „Perfect Passion“-Zyklus, wo sie wieder einen der Milliardäre unter die Haube bringt.

Ist es das dann gewesen? Witzigerweise: Nein. Aber dazu sage ich beizeiten noch mehr. Es gibt schließlich noch einen ganzen Strauß weiterer unterhaltsamer Romane dieser Autorin, die ich gelesen und rezensiert habe.

Soviel als Andeutung für heute.

Macht es gut und bis zur nächsten Woche!

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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