Rezensions-Blog 133: Blut der Erde

Posted Oktober 11th, 2017 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

heute geht es mal um ein Buch für wirklich eingefleischte Fans, das ist nicht zu leugnen. Ich besaß diesen Roman schon seit geraumer Zeit, hatte aber immer, weil mir bewusst war, wie wenige ungelesene Werke von Keith Laumer mir noch offenstanden, stets gezögert, das Buch zu lesen. Tja, die Wartezeit wirkte sich nicht eben positiv auf die Lektüre aus – das hatte nur mittelbar damit zu tun, dass das Buch fast so alt ist wie ich selbst auf dieser Welt weile. Im Gegen­satz zu den Lafayette O’Leary-Romanen (zu denen ich euch beizeiten mehr er­zählen werde) oder gar den James Retief-Abenteuern des Diplomaten vom CDT (auch dazu komme ich noch), empfand ich bei diesem hier doch eine gewisse Enttäuschung, je weiter die Lektüre voranschritt.

Woran lag das? Nun, einmal sicherlich an meinem Lesehorizont, der derzeit na­türlich erheblich weiter ist als vor rund 25 Jahren, als das Buch in meinen Besitz kam. Zum anderen… ah, aber lest doch lieber selbst weiter, was ich unmittelbar nach der Lektüre dazu niederschrieb:

Blut der Erde

(OT: Earthblood)

Von Keith Laumer & Rosel George Brown

Heyne 3146/47

München 1969

Aus dem Amerikanischen von Birgit Reß-Bohusch

256 Seiten, TB (antiquarisch, keine ISBN)

Man schreibt das 14. Jahrtausend terranischer Zeitrechnung… so könnte diese Geschichte beginnen. Aber das ginge etwas in die Irre. Denn wir befinden uns zwar in der Milchstraße, und sie ist rege bevölkert von Billionen intelligenter Le­bensformen… doch Menschen, reinrassige Terries, sucht man wirklich verge­bens.

Terries sind fast so etwas wie eine Legende.

Die Heimatwelt der Menschen, Terra, hält sowieso jeder für einen Mythos.

Und abgesehen davon haben die meisten Galaktiker sowieso ganz andere Sor­gen. Und ob sie nun Tentakel tragen, Schuppen oder Flügel, ob sie gefiedert sind oder sich Erdbehausungen graben – sie alle kämpfen ihren täglichen klei­nen Kampf ums Dasein. Es gibt nur sehr wenige idealistische Wesen, deren Ah­nenlinie vor langer Zeit von der Menschheit abging, die nach wie vor die alten Legenden hochhalten und sich selbst zugleich für „Terraner“ halten. Es sei doch nicht so wichtig, ob man Hörner besäße oder Klauen oder Schwimmhäute… die Einstellung sei wichtig.

Raff Cornay und seine Frau Bella sind solche Idealisten. Sie ersehnen sich einen möglichst reinen menschlichen Nachwuchs und scheinen am Ziel zu sein, als sie auf dem Hinterwäldlerplaneten Tambool endlich einen menschlichen Embryo finden, der ihnen geeignet erscheint. Aber etwas ist daran seltsam – er scheint sehr begehrt zu sein, und das Ehepaar wird prompt kurz darauf überfallen… doch die Räuber haben nicht mit dem wilden Widerstand Raff Cornays gerech­net, der die meisten von ihnen kurzerhand umbringt und dabei selbst zum Krüppel wird. Nur einer der Angreifer, ein Yill namens Thoy’hoy, bleibt am Le­ben und ist fortan ihr Sklave und Diener.

Und so wächst der menschliche Embryo in Bellas Bauch heran und kommt zur Welt als Roan Cornay, als absolut menschliches Wesen unter lauter Alienkin­dern. Später wird er erfahren, dass man solche Wesen „Geeks“ nennt – Men­schenabkömmlinge, die eher weniger denn mehr menschlich sind. Mischwesen und Hybriden. Sie werden unterschieden von so genannten „Gooks“, die zwar entfernt menschenähnlich sind, aber völlig fremden Spezies entstammen. Ein Beispiel hierfür ist etwa „Eisen-Robert“, dessen Bekanntschaft Roan später macht.

Roans „Vater“ Raff schärft seinem Kind den Stolz ein, ein Terry zu sein, und zwar einer von bestem Blut. Und er erzählt ihm von der alten Erde, die für ihn selbst kaum mehr als ein Mythos ist. Berichtet davon, wie die terranische Imperialflot­te vor vielen Jahrtausenden einen verheerenden Krieg mit einer Invasorenrasse ausfocht, den finsteren Niss, die ihnen angeblich überlegen waren und schlussendlich Terra mit einer undurchdringlichen Blockade von gigantischen Kriegs­schiffen einschlossen. Doch meint Raff Cornay, dass es die Erde noch gibt und irgendwo auch noch die zerstreute terranische Imperialflotte. Und er impft sei­nem Kind ein, dass die Terraner die durchsetzungsfähigste und wandlungsfä­higste Spezies der Milchstraße seien. Einstmals Herrscher der Galaxis, und dass sie es dereinst wieder sein würden.

Aber Terra ist eben ein Mythos.

Nun, und Roan Cornay, der unweigerlich von Terra träumt und wissen möchte, woher er tatsächlich stammt – denn er ist in der Tat optisch ein absolut reinras­siger Terraner, das ist unübersehbar – , ist durchaus bereit, Risiken auf sich zu nehmen, um seine Herkunft zu entschleiern. Dummerweise bekommt er dazu gar keine Gelegenheit. Denn vorher wird er von dem Zirkusdirektor Gom Bullj kurzerhand zu den Sternen entführt und an Bord eines uralten terranischen Kriegsschiffes zu einer Zirkusattraktion aufgebaut.

Hier lernt er allerdings die bildhübsche Hybridenfrau Stelleraire kennen und eckt an vielen Stellen mit der Bordmannschaft an. Und das ist erst der Anfang seiner Odyssee, in der es dann auch noch um Raumpiraterie geht, um Plündern und Kolonialweltenüberfälle… und irgendwann gibt es auch Anzeichen, dass es tatsächlich noch so etwas wie eine terranische Imperialflotte gibt, all den Jahr­tausenden zum Trotz, die seither vergangen sind.

Doch leider gibt es eben auch den anderen Mythos noch – die Niss.

Und manche Mythen haben einen äußerst schalen, desillusionierenden Beige­schmack, wenn man ihnen erst einmal auf den Grund gegangen ist…

Keith Laumer und Rosel George Brown haben mit diesem Buch eigentlich einen klassischen Abenteuerroman geschrieben, die Lebensgeschichte von Roan Cor­nay, der unter lauter Mutationen und Aliens in der fernen Zukunft nach seiner Herkunft sucht, zugleich dem Wahrheitsgehalt der Legende über die Erde auf den Grund gehen möchte. So schlägt er sich von Kindesbeinen an durch, als Kind entführt, zur Zirkusattraktion gemacht, dann zum Raumpiraten, mit wild zusammengewürfelten, oft intriganten Kameraden zusammen… und das liest sich in der ersten Hälfte auch durchaus sehr packend, und man kommt voran und hat an vielen Stellen ordentlich etwas zum Lachen.

Doch je weiter der Roman voranschreitet, so kam es wenigstens mir vor, desto vager und fader wurde er. Es mag eine Frage der schieren Länge sein – immer­hin ist der Roman deutlich länger als die landläufigen Laumer-Romane, und es hat sicherlich auch etwas zu besagen, dass Laumer hier mit einem Coautor zu­sammenarbeitete, von dem ich sonst nichts kenne. Meiner Ansicht nach hat sich das auf das Buch nachteilig ausgewirkt, beide Faktoren. Die Geschichte hat in der zweiten Hälfte ganz eindeutige Längen, und besonders zäh wurde es für mich dann, als der Held tatsächlich sein Ziel erreichte. Da wurde die Storyline irgendwie orientierungslos. Der Schluss wirkt demzufolge etwas gezwungen und bemüht.

Ich fühlte mich ein wenig an die alten Romane um Earl Dumarest erinnert, die E. C. Tubb zeitlebens in Serie veröffentlichte. Auch Dumarest war immerzu auf der Suche nach der Erde, doch im Gegensatz zu dem vorliegenden Roman kam Dumarest – meines Wissens nach jedenfalls – nie auf der Erde an, sondern ging immer nur weiteren Spuren nach. Es ist eigentlich wie immer bei solchen Ques­ten (und dies ist eindeutig eine): wenn man am Ziel angelangt ist, ist die Ge­schichte aus, und ja, meistens ist das Ziel deutlich weniger wert, als man das ur­sprünglich geglaubt hat. Der Traum ist fad geworden, die Wirklichkeit hält der Imagination nicht stand.

Leider kann man das auch von diesem Roman sagen. Bei aller Liebe zum Detail, das auf viele Passagen verwendet wird, ist er doch auch leider etwas sehr ober­flächlich. Man schließt als kritischer Leser und als Laumer-Fan das Buch eigent­lich mit einem Gefühl der milden Enttäuschung.

Schade.

© 2014 by Uwe Lammers

Ihr seht, es gibt manchmal gute Gründe, mit dem Grundprinzip meines Rezensi­ons-Blogs zu brechen – dem Prinzip eben, nur Romane zu rezensieren und euch vorzustellen, die mir absolut gefallen. Verschiedentlich bereits hat es Werke ge­geben, die deutliche Missklänge in den Rezensionen spiegelten. Das ändert aber in diesem Fall absolut nichts daran, dass ich Laumer als Autor grundsätz­lich nach wie vor sehr schätze. Nur hat jeder Verfasser mal gute und weniger gute Stoffe, mit denen er sich befasst, und die Übersetzer kann er sich in der Regel auch nicht aussuchen. Hier kommt es eben auch vor, dass man die guten Übersetzer nicht bekommt, sondern 08/15-Übersetzer den Job erledigen, die unter hohem Zeitdruck und mit geringem Honorar überstürzte Arbeit leisten müssen.

Dennoch bin ich der Auffassung, dass es in diesem Fall nicht am Übersetzer gelegen hat, denn Reß-Bohusch ist wirklich eine sehr versierte Übersetzerin gewesen. Hier funktionierte die Grundidee nicht. Vermutlich hat Laumer aus der Idee noch das Nonplusultra herausgeholt.

In der kommenden Woche geht der strukturelle Alptraum und der goldige Lese­wahnsinn von „Illuminatus!“ in die zweite Runde. Das solltet ihr euch echt nicht entgehen lassen, Freunde!

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

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