Rezensions-Blog 425: So schnell die Finger tippen

Posted Oktober 11th, 2023 by Uwe Lammers

Liebe Freunde des OSM,

zu den schönen Entdeckungen meiner Arbeit am Autoren-Nach­lassarchiv-Projekt gehört es, mit Autoren in Kontakt zu kommen, die ich bislang nur vom Hörensagen und den Namen nach kann­te. Eine davon ist die umtriebige Mara Laue, die seit langem in verschiedensten Literatursegmenten – am stärksten im Krimi-, SF- und Ratgebersektor vertreten – unterwegs ist. Und da sie zu den Autorinnen gehört, die gern ihr Wissen an nachwachsende Talente weitergeben, lag es irgendwie auf der Hand, dass sie mir gleich ein nettes Entree zukommen ließ, als wir miteinander in Kontakt kamen.

Das wiederum führte dazu, dass ihr heute vorzustellendes Buch rasch auf meiner stets umfangreichen Lese-Agenda weit nach oben rückte und nach der bereichernden Lektüre umgehend re­zensiert wurde. Dabei ist das nicht als Gefälligkeitsrezension zu verstehen, sondern ich war tatsächlich von dem Werk begeis­tert … und wenn das der Fall ist, ihr wisst das seit langer Zeit, dann wird es umgehend rezensiert.

Ich denke, jeder der selbst schreibt oder sich mit dem Gedanken der Professionalität trägt, sollte sich dieses Büchlein anschauen. Einerseits, um ein wenig naiven Idealismus abzukühlen, der uns wohl alle erfüllt, die wir schreiben, aber natürlich auch, um zu sehen, wie sich jemand gegen alle Widerstände durchbeißt und seinen Traum lebt.

Ich wünsche angenehme Lektüre:

So schnell die Finger tippen

Von der Leseratte zur Schriftstellerin

Von Mara Laue

vss Verlag, Frankfurt

100 Seiten, TB

2. E-Book-Auflage 2018

ISBN 978-1-980-30429-6

Schriftsteller werden – das ist für viele Kreative ein Traum, zu­mal dann, wenn man ihn mit der Erwartung verknüpft, dereinst davon leben zu können. Weitere hoffnungsvolle Gedanken ver­binden sich mit dieser Sehnsucht: Sein eigener Chef zu sein, frei über die Zeiteinteilung des Tages, ja des Jahres verfügen zu können und ein vermeintlich leichteres Leben zu führen denn als abhängig Beschäftigter in einer x-beliebigen Firma.

Sagen wir es vorsichtig: Dies ist in der Tat ein Traum, und wie die meisten Träume birgt er nicht nur die Gefahr des Scheiterns und der Unrealisierbarkeit in sich, sondern zehrt ganz wesent­lich von Illusionen, da schonungslose Offenheit über diesen Be­ruf weder von den Verlagen noch von denjenigen Autoren ver­breitet wird, die es schon geschafft haben. Die wenigen kriti­schen Stimmen, die es natürlich durchaus gibt und die die harte Arbeit nicht leugnen, die das professionelle Schreiben mit sich bringt, dringen nur selten den hoffnungsvollen Neulingen ins Bewusstsein.1

Dessen ungeachtet bleibt der Wunsch vieler Leseratten leben­dig, Schriftsteller werden zu wollen. Angesichts des giganti­schen Buchmarktes, der auch nach dem Eingehen der meisten Heftromanreihen immer noch sehr lebendig ist, scheinen die Chancen für schreibende Selbstverwirklichung hervorragend auszusehen. Vielleicht sieht dies seit dem Aufblühen der lebhaf­ten Selfpublisherszene heute reger denn je aus.

Daran mag viel Wahres sein. Aber wie steht es mit dem ur­sprünglichen Traum, der oben angedeutet wurde, mit dem Wunschziel, sich durch die Schriftstellerei von einer womöglich drögen Brotarbeit zu befreien und sein eigener Herr, seine eige­ne Herrin sein und allein vom Schreiben leben zu können? Dies ist nach wie vor ein Traum, denn die Majorität der Schriftsteller in deutschen Landen kann allein von ihrem Schreibtalent eben nicht leben. Das ist nun wirklich kein Geheimnis, aber man hört natürlich als Träumender ungern, dass man in der harschen Rea­lität wieder zu erwachen hat.

Der genannte Traum bleibt weiterhin Sehnsuchtsziel.

Wie wird man Schriftsteller?“ gehört also nach wie vor zu den Kardinalfragen, die Autoren immerzu gestellt werden, sei es auf Buchmessen oder bei Lesungen. Mit dieser Frage befasst sich die Autorin Mara Laue (Jg. 1958), die sich in diesem kleinen Ein­blick in ihren persönlichen Lebens- und Autoren-Werdegang, den sie ein „Memoire“ nennt, da es keine umfassende Biografie ist oder sein kann. Sie ist seit 2005 freie Schriftstellerin und lebt diesbezüglich den oben skizzierten Traum. Aber es war ein lan­ger, harter Weg dorthin, und sie nimmt den Leser mit in dieses in einfachen Verhältnissen und unter großen Entbehrungen be­gonnene Leben mit all den Windungen und zerschlagenen Hoff­nungen. Und an nicht wenigen Stellen wallt im Leser Empörung und Mitgefühl auf angesichts der Ungerechtigkeiten des Da­seins, die hier durchschimmern.

Allein schon die Tatsache, dass die Autorin nacheinander in ei­ner nervenzehrenden und oft desillusionierenden Odyssee die Berufe der Bauzeichnerin, der EDV-Fachfrau, der Fremdspra­chensekretärin, Chefsekretärin und Buchhalterin ausübte, deu­tet an, wie windungsreich und mühselig dieser Weg gewesen ist. Wer tiefer in das Buch einsteigt, findet aber auch all die zer­schlagenen Hoffnungen wieder. Er findet naive Erwartungen („Mit dem Abitur stehen dir alle Berufe offen“), die rasch ent­täuscht werden, und zerplatzte berufliche Sehnsüchte. Er findet gelebte bittere Armut, die mir beim Lesen manches Mal unfass­lich schien in einem Deutschland der vergangenen Jahrzehnte, dem es doch ökonomisch so gut ging. Er entdeckt die Ungerech­tigkeiten und bisweilen haarsträubenden Fallstricke einer die Ar­beitslosigkeit verwaltenden Bürokratie, die die Verfasserin von ihrer schlechtesten Seite kennen lernte (und an der sie – mit ei­nigem Recht – kein gutes Haar lässt).

Als jemand, der selbst in den vergangenen Jahrzehnten das So­zialamt und die Arbeitsbehörden mit den Hartz-Gesetzgebun­gen lebhaft und häufig kennen gelernt hat (allerdings nie so harsch wie die Verfasserin), kann ich vielem zustimmen, was sie schreibt und fundamental kritisiert. Dass die leidenschaftliche Leserin und Hobbyautorin Mara Laue darüber nicht resigniert hat, zeugt von der inneren Seelenstärke, die sie inzwischen auch in einer Vielzahl von weiteren Ratgeberbüchern zum Aus­druck gebracht hat und mit denen sie Neulingen ihre gewonne­nen Erkenntnisse zu vermitteln versteht.

Ja, der Weg zum Autorenstatus der Gegenwart war hart und lang, und nein, es gibt kein „Patentrezept“ im engeren Sinn. Es gibt indes einige klare Vorgaben, die es dem Neuling ermögli­chen, zumindest bei den Verlegern Gehör zu finden oder ihre Texte so zu verbessern, dass sie zunehmend wohlwollende Le­serschaft finden. Und wir sollten dankbar dafür sein, dass die Verfasserin so freimütig und offen auch über all jene seltsamen Schleifen und Windungen ihres Lebens Auskunft gegeben hat, bis sie endlich jenen Punkt erreichte, an den die Neulinge so sehnsüchtig kommen möchten: freiberuflicher Autor zu sein.

Denn der Anfang dieses Weges ist vor allen Dingen einer, der gespickt ist mit Enttäuschungen und Desillusionierung, und viel­fach fehlt es dann an Durchhaltekraft, an Motivation. Zu oft habe ich selbst schon im Freundeskreis erlebt, wie die Begeiste­rung am Schreiben erlosch und sich die Betroffenen resigniert in ein glanzloses Arbeitsleben schickten und Abschied von ihren Il­lusionen, Wünschen und Hoffnungen nahmen. Ich denke, Mara Laues lebhaft und ehrlich geschriebenes „Memoire“ kann hier als aufrüttelnde Motivationshilfe nützlich sein.

Ihr Kerngedanke ist: Haltet durch, auch wenn ihr denkt, dass ihr keine Kraft mehr habt, auch wenn die ganze Welt euch verlacht und gegen eure Überzeugungen zu stehen scheint. Sie hat den Durchhaltewillen bewiesen und am Ende den Sprung ins Profila­ger geschafft (dort zu verweilen, das ist gleichwohl, und auch daraus macht sie keinen Hehl, ein steter weiterer Kampf, der mit Bestsellerruhm kaum jemals etwas zu tun hat). Soviel Rea­lismus muss bei einem ernsthaft Entschlossenen nach dieser Lektüre wurzeln.

Warum solltet ihr euch mit weniger zufrieden geben?

© 2022 by Uwe Lammers

Ernüchternde Lektüre? Durchwachsene Lektüre? Das entschei­det am besten ihr selbst, wenn ihr das Buch selbst geschmökert hat. Es wird auf jeden anders wirken, abhängig vom biografi­schen Background. Aber es lohnt die Lektüre unbedingt, wie ich finde.

Dasselbe gilt auch für das Buch der kommenden Woche, das ein bis heute ungeheuerliches Mysterium thematisiert und mir ein ums andere Mal bei der Lektüre eisige Schauer über den Rücken jagte. Manch einer mag sagen: Das Thema betrifft dich doch gar nicht, das ist weit weg, und du machst ohnehin keine Flugreisen … well, das stimmt, aber das spielt keine Rolle. Ihr werdet ver­mutlich besser begreifen, warum ich das so betone, wenn ihr die Rezension der kommenden Woche lest. Und das kritische Nachdenken und Nachprüfen sollte dann direkt im Anschluss ansetzen.

Soviel als Appetizer für die kommende Woche.

Bis dann, mit

Oki Stanwers Gruß,

euer Uwe.

1 Ich möchte an dieser Stelle nur zwei Bücher herausheben, die sich der Neugierige mal zu Gemüte führen sollte, der ein wenig Realitätsnähe des Autorenberufs kennen ler­nen will. Man schaue sich Patricia Highsmith „Suspense oder Wie man einen Thriller schreibt“, diogenes 21024 (1990) und Ray Bradburys „Zen in der Kunst des Schrei­bens“, Autorenhaus-Verlag (2003) an. Das tötet doch einige Illusionen wirkungsvoll ab.

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